Читать книгу Die Krimizimmerei - Martina Meier - Страница 19
Entführung in der Birkmanstreet?
ОглавлениеSpät in der Nacht – um 1.00 Uhr – konnte man in der Birkmanstreet klickende Geräusche hören. An Hausnummer 13 konnte man zwei vermummte Gestalten erkennen. Sie machten sich an der Haustür zu schaffen. Mit einem Dietrich! Da, die Tür ging auf. Die zwei Personen gingen rein. Von drinnen konnte man ein Poltern hören. Nach zehn Minuten kamen sie mit einem prall gefüllten Sack wieder raus. Im Sack bewegte sich etwas.
Ich schreckte hoch. War ich doch tatsächlich über meinem neuen Krimi An der Südküste gefangen eingeschlafen. Ich, Liv Morales, zehn Jahre alt. Ich liebte Krimis!! Na ja, kein Wunder, dass ich eingeschlafen war. Ich hatte bis um 1.00 Uhr nachts gelesen. Da fiel mir mein Traum wieder ein. Es war das gewesen, was in meinem Buch stand. Merkwürdig!!! Ich schaute auf meinen Wecker. Natürlich mit Sherlock Holmes drauf. Er war der coolste Meisterdetektiv überhaupt. Es war fünf vor halb sieben. Mama würde gleich reinkommen und mich wecken. Ich ließ mich auf mein Kopfkissen fallen.
„Rise and shine“, tönte da auch schon Mamas Stimme. Ich setze mich wieder auf. Mama war Englischlehrerin und weckte mich jeden Morgen mit dem Satz „Rise and shine“, was so viel bedeutete wie: „Raus aus den Federn!“
„Ja, ja“, sagte ich, stieg aus dem Bett und ging ins Bad, um mich anzuziehen.
Als ich runter zum Frühstück ging, saßen Papa und Mama schon am Tisch. Ich füllte mir Cornflakes in eine Schüssel und goss Milch darüber. Als ich aufgegessen hatte, ging ich nach oben, putzte mir die Zähne, um dann anschließend wieder runterzugehen, mir Jacke und Schuhe anzuziehen, mir meinen Helm aufzusetzen, mich aufs Fahrrad zu schwingen und zur Schule zu fahren. Jeden Morgen dasselbe. Ich wünschte, es würde mal ein Verbrechen geschehen, das ich dann mit meinen beiden besten Freundinnen Mia Magwill und Lola Smith lösen könnte. Oder dass wir mal zu dritt mit unseren Eltern nach Brighton in die Ferien fuhren. Brighton war übrigens die Stadt, in der auch hauptsächlich mein Krimi spielte. Apropos Ferien: Heute war der letzte Schultag vor den Ferien. Ich war in der Schule, ging zum Fahrradständer und schloss mein Rad an. Wie gesagt: jeden Morgen dasselbe. Ich sah Mia und Lola, die beieinanderstanden und redeten. Ich ging zu ihnen.
„Also! Was ist jetzt mit der Überraschung?“, fragte Mia und ich verstand nur Bahnhof.
Mia erklärte: „Lola hat uns und unsere Eltern für die Ferien in ihr Ferienhaus in Brighton eingeladen. Wir würden morgen losfahren. Hättest du Zeit?!“
Ich war total verwirrt, weil ich ja gerade auf dem Fahrrad darüber nachgedacht hatte. „Ernsthaft?!“, fragte ich darum unsicher und guckte auch genauso. Aber dann sagte ich: „Ja klar habe ich Zeit!!! Aber so was von.“
Es klingelte so wie jeden Morgen genau um 8.00 Uhr. Das würde sich bald ändern.
„In Brighton spielt auch mein Krimi“, sagte ich.
„Cool!“, antwortete Lola. „Vielleicht können wir dort auch einen Verbrecher fassen.“
Wir gingen rein. Die Schule wollte ewig nicht enden. Als sie dann vorbei war, fuhr ich sofort nach Hause. Ich erzählte meiner Mutter von der Neuigkeit und die rief sofort Lolas Eltern an. „Ah, ok“, hörte ich meine Mutter in den Hörer sagen und: „Alles klar! Dann bis morgen früh.“
Ich jubelte innerlich. Als Mama aufgelegt hatte, auch äußerlich. „Jippie!!!“, rief ich aus voller Kehle und rief Mia an. Tut … Tut … Klingeling. „Es geht!“, rief Mias Stimme aus dem Hörer.
Mir platzte fast das Trommelfell, und als wir schließlich auflegten, klingelte immer noch ihre Stimme in meinen Ohren. Ich packte in Rekordgeschwindigkeit meine Sachen. Als mein Vater von der Arbeit nach Hause kam, stürmte ich auf ihn zu, um ihm alles zu erklären, aber er wusste schon Bescheid. Mama hatte ihm eine SMS geschrieben. Als ich mich fertig machte, um ins Bett zu gehen, dachte ich über die nächsten Tage nach. Es würde sehr spannend werden, das wusste ich, und darum konnte ich auch nicht schlafen. Ich las einfach An der Südküste gefangen weiter.
Im Sack bewegte sich etwas. Die Gestalten hauten mit dem Sack ab. Detektiv Clark musste hinterher und so schlich er den Gestalten nach.
„Wo gehen sie bloß hin?“, fragte sich Mr Clark.
Sie gingen Richtung Strand. Und tatsächlich: Am Steg war ein kleines Boot festgemacht. Die Gestalten stiegen ein und brausten davon. Clark sah noch ein anderes Boot, stieg ein und fuhr hinterher. Die Gauner fuhren auf eine Felseninsel, die sogenannte Riff. Auf der Riff war ein großer Leuchtturm. Innen brannte Licht. Clark machte sein Boot fest und schlich zum Leuchtturm. Da knackte es in der Nähe. Mr Clark versteckte sich. Eine Gestalt kam zum Leuchtturm. Knack. Clark war auf einen trockenen Ast getreten … Der Kopf der Gestalt fuhr herum. Das Gesicht war von einer Kapuze verdeckt. Sie schaute genau auf den Busch, hinter dem er sich versteckt hatte. Die Gestalt ging in den Leuchtturm.
Nach einer Minute ging Clark hinterher. „Hey! Mein Handy!!!“, rief Mr Clark. Jemand hatte ihn überwältigt und ihm sein Handy aus der Tasche geklaut. Er wurde in eine dunkle Kammer gesperrt. In der Ecke war der Sack, den die Typen geklaut hatten … Er bewegte sich …
„Rise and shine!“ Mamas Stimme weckte mich am nächsten Morgen. Mist, ich war eingeschlafen. Das konnte doch nicht wahr sein! Ich verfluchte mich innerlich. Moment mal – ich hatte schon wieder das geträumt, was in meinem Buch stand. Ich rief Lola an.
„Hallo hier ist Mary Smith“, meldete sich am anderen Ende die Stimme von Lolas Mutter.
„Könnte ich bitte Lola sprechen?“, fragte ich sie. „Es ist wichtig.“
Mrs Smith rief: „Lola, Liv ist dran.“ Und zu mir: „Einen Moment.“ Ich wartete … und wartete ... und endlich, nach gefühlt einer Stunde: „Hallo Liv! Was ist?“
„Wo wohnt ihr genau in Brighton?“, fragte ich.
„Birkmanstreet 15. Warum?“
„Waas?! In meinem Krimi wurde eingebrochen und rate mal, wo!“
Schweigen am anderen Ende der Leitung.
„13, Birkmanstreet 13! Jetzt kommst du.“
„Krass!“, hauchte Lola. „Oberkrass!“
„Ich ruf Mia an und erzähle ihr alles“, sagte ich. „Bis später!“
Als wir endlich in die Birkmanstreet in Brighton einbogen, las ich die Hausnummern 1, 3, 5, 7… Da vorne, war da nicht Blaulicht? Und wirklich, vor Hausnummer 13 stand ein Polizeiauto. Das mit jeden Morgen dasselbe nehme ich zurück.
Mia und Lola waren auch schon da und schauten gespannt der Spurensicherungen zu, wie die Beamten die Türklinke samt Schloss mit Grafitpulver einpinselten.
„Hi!“, rief ich.
„Hi!“, riefen die beiden wie aus einem Mund zurück.
„Voll spannend!“, sagte Mia, als ich bei den beiden stand.
„Wäre das nicht ein Fall für uns?“, fragte ich plötzlich.
„Ein Fall?“, wiederholte Lola. „Für uns?“
„Ja!“ Mias Augen leuchteten, als sie das sagte.
„Also los!“, seufzte Lola. Wir gingen zu einem Polizisten, der anscheinend der leitende Kommissar war. „Hallo“, sagte er freundlich, „Was kann ich für euch tun?“
„Wir …“, fing Lola zögernd an, „… wir wollten Sie fragen, was genau passiert ist.“
„In der Nacht von gestern auf heute wurde hier eingebrochen.“
Ich hakte nach: „Wurde etwas entwendet?“
„Nein, aber jemand.“
„Könnte Sie das bitte noch einmal auf Hochdeutsch übersetzen?“, bat Lola.
„Natürlich. Jemand wurde entführt.“
„Heiliger Jesus!“, sagte Lola. Sie redet oft so ein Zeug mit Jesus und so weiter, weil sie abergläubig war.
„Ich bin übrigens Kommissar Blacktry. Und wer seid ihr?“
„Ich bin Liv Morales. Und das sind Mia Magwill und Lola Smith.“
Mr Blacktry machte sich wieder an die Arbeit.
Wir setzten uns auf eine Bank. „In der Nacht von gestern auf heute habe ich geträumt, dass in der Birkmanstreet 13 eingebrochen wird. Exakt das steht auch in meinem Krimi. Das ist doch merkwürdig, oder?“, sagte ich.
Mia sagte: „Allerdings!“
„Ich habe noch etwas geträumt, was in meinem Buch steht! Ich lese es euch einfach vor: Die Gestalten hauten mit dem Sack ab …“
Als ich fertig gelesen hatte, staunten Mia und Lola nicht schlecht. „Krass“, sagte Mia.
„Oh mein Gott!“, sagte Lola und sprach Gott so aus, als würde sie ihn anbeten.
„Ok“, sagte Mia, „das bedeutet, dass irgendein Detektiv jetzt in irgendeinem Leuchtturm eingeschlossen ist.“
„Oh Mann“, sagte Lola.
„Nicht oh Gott?“, konterte ich.
„Ha ha ha“, lachte sie tonlos.
Die Polizei fuhr wieder weg und wir drei schauten uns im Haus um. Nichts. Nicht der geringste Hinweis. Nicht einmal ein winziger Fingerabdruck. Doch dann rief Lola: „Leute, ich glaube, hier ist was!“
„Was denn?“, riefen Mia und ich und liefen ins Schlafzimmer, wo Lola gerade ein blutverschmiertes Kopfkissen hochhielt. Uns blieben die Münder offen stehen.
„Okay“, sagte ich schließlich, „wir nehmen den Bezug mit.“
„Warum hat die Polizei das nicht gesehen?“, fragte Mia.
Lola sagte: „Die Tür war abgeschlossen. Ich habe sie mit einem Dietrich geknackt.“
„Die Polizei hätte das doch auch gekonnt. Merkwürdig!“
„Da hast du recht“, sagte Lola.
Wir gingen raus und zurück in Lolas Zimmer. Dort schrieben wir auf, was wir bisher herausgefunden hatten. Dabei fiel mir auf, dass das alles fast genauso in meinem Buch passiert war und ich das alles auch noch einmal geträumt hatte. Das sagte ich auch Mia und Lola. „Das heißt“, sagte Mia, „dass jetzt auf irgendeiner Insel in irgendeinem Leuchtturm irgendein Detektiv eingesperrt ist.“
„Ach nee!“, sagte Lola.
„Hey, nicht streiten!“, wies ich die beiden zurecht.
„Jaja …“, sagte Mia.
„Jaja heißt: Leck mich am A…“, sagte Lola.
„Ich weiß“, maulte Mia.
Wir beschlossen, unsere Ermittlungen draußen fortzusetzen. Vor der Haustür starrte ich hinter die beiden, denn da war … ein Hundehaufen. Nein, Scherz, da lag ein Bonbonpapier. Klartext Leute: Was da war, raubte mir den letzten Nerv. Es war eine verhüllte Gestalt. Die anderen beiden drehten sich langsam um. Ich wollte weglaufen, doch ich war wie gelähmt. Ich erholte mich von meiner Schockstarre, doch komischerweise lief ich nicht weg.
Ganz im Gegenteil: Ich ging sogar auf die Gestalt zu. Mit einer unerwarteten Bewegung riss ich der Gestalt die Kapuze vom Gesicht. Es war … Tom aus unserer Klasse. Tom, in den Lola so verknallt war. Das gab es doch nicht.
„Ernsthaft?!“, fragte Mia.
Was wollte der denn hier?! Lola sagte gar nichts. Dafür wurde sie rot. Ich drehte mich um und zog mit Mias Hilfe Lola von Tom weg. Wir wollten jetzt nur noch zurück zu unseren Eltern. Sie erzählten uns, dass wir einen Ausflug zur Steilküste machen würden. Daraufhin gingen wir in Mias Zimmer und recherchierten im Internet: An der Steilküste gab es drei Leuchttürme, die noch in Betrieb waren, und zwei, die es nicht mehr waren. Diese zwei schauten wir uns im Netz genauer an. Der eine war ziemlich heruntergekommen, doch der andere würde sich bestimmt gut als Versteck eignen. Er stand versteckt an einer Steilküste namens Cliffs of Mystery.
„Da fahren wir morgen hin!“, sagte Lola.
„Perfekt“, stimmte ich zu.
Am nächsten Tag ruderten wir an den Cliffs of Mystery mit einem kleinen wackeligen Ruderboot zu diesem Leuchtturm. Angekommen, schlichen wir uns langsam an. Die Tür stand einen Spaltbreit offen. Wir gingen rein.
„Hil…“ Lola wurde überwältigt.
„Aaah …!“ Mia auch! Ich rannte, doch zu spät. Wir wurden in ein Verlies gesperrt. „Mein Handy“, hörte ich Mia rufen. „Kein Netz!“, kam kurz darauf ihre Stimme aus dem Dunkeln.
„Ich habe eine kleine Taschenlampe“, rief Lola und bald darauf erschien ein kleines Licht.
„Toll“, meinte ich ironisch.
„Leute, da hinten ist jemand“, sagte Mia.
„Hallo!“, erklang eine Männerstimme.
„Guten Tag“, sagte eine Frauenstimme.
Lola leuchtete in die Ecke, aus der die Stimmen gekommen waren. Dort saßen ein Mann und eine Frau. „Wer sind Sie?“, fragte Lola. Der Mann hielt uns eine Visitenkarte hin:
Privatdetektiv Jansen
Schnell, erfolgreich, diskret
Ich löse jeden Fall
Tel. 369/07652409
Da meldete sich die Frau zu Wort: „Ich wurde entführt. Normalerweise wohne ich in der Birkmanstreet 13.“
Mia und ich schauten uns an. „Vor unserer Tür hier steht keine Wache, aber der Schlüssel steckt“, sagte ich.
„Mr Jansen, geben Sie mir die Zeitung in der Ecke und Mia, du gibst mir deine Haarspange!“
Kurz darauf schob ich die Zeitung unterm Türschlitz durch und stocherte mit der Haarspange im Schloss. Es klirrte. Ich zog die Zeitung wieder herein – darauf lag der Schlüssel. Wir schlossen die Tür auf. „Ich habe einen Plan“, sagte ich, „ich schreie: Wir sind frei, anschließend verstecken wir uns, dann kommen die beiden Gestalten und wir locken sie in die Kammer, in der wir gefangen waren. Wir stoßen die Tür zu und drehen den Schlüssel um. Fertig.“
„Und wie willst du sie da rein locken?“, fragte Lola.
Ich stotterte: „Keine Ahnung …?“
„Wir überraschen sie und schubsen sie in die Kammer“, schaltete sich der Detektiv ein.
Gesagt, getan.
Es funktionierte tatsächlich und wir konnten die beiden Entführer dort einsperren, wo wir selbst gerade noch gefangen gewesen waren. Wir stiegen ins Boot und ruderten, so schnell es ging, zurück zur Küste. Endlich konnten wir die Polizei verständigen, die die beiden Entführer im Leuchtturm festnahm. Es waren Tom und sein bester Freund Mike! Aus einer Laune heraus hatten sie sich überlegt, genau dasselbe zu machen, wie es in dem Buch beschrieben wurde, das ich gerade las.
Was für ein Abenteuer! Davon würde ich bestimmt noch oft meinen Kindern und Enkelkindern erzählen. Doch jetzt hieß es erst mal: Ferien machen in Brighton – wir drei: Mia Magwill, Lola Smith und ich, Liv Morales.
Katie, aus Wohltorf, Deutschland