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1.2 Die Kristiania-Bohème

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Bereits vor seiner ersten Reise nach Paris begegnet Munch einer Gruppe junger Künstler, die sich in der Hauptstadt Norwegens um den norwegischen Dichter Hans Jæger (1854–1910) versammeln und als Kristiania-Bohème bezeichnen. Jung und antibürgerlich eingestellt, distanziert sich die Gruppierung von den konservativen Richtlinien der Stadt, um «eine bessere, gerechtere Gesellschaftsordnung»12 einzuführen. Zentrale Leitpunkte der Satzung sind «freie Liebe», «Alkoholkonsum», «Gleichheit der Geschlechter» und die damit verbundene «Befreiung der Frau» aus konservativen, vorgeschriebenen Rollenbildern. Neben diesen Leitlinien stellt die Bohème neun Gebote13 auf:

Du sollst dein Leben schreiben

Du sollst die Wurzeln deiner Familie zerschneiden

Man kann seine Eltern nicht schlecht genug behandeln

Du sollst deinen Nächsten nie für weniger Geld als für

5 Kronen schlagen

Du sollst alle Bauern wie Björnstjerne Björnsson hassen

und verachten

Du sollst nie Zelluloidmanschetten tragen

Vergiß nie, im Kristiania-Theater Skandal zu machen

Du sollst nie etwas bereuen

Du sollst dir das Leben nehmen

Trotz der schwierigen familiären Situation nimmt die Familie für Edvard Munch einen hohen Stellenwert ein; weder ist es ihm möglich, seine Wurzeln zu verleugnen, noch, sich von seiner Familie loszusagen. Er versucht weiterhin, sein Leben in seinen Werken umzusetzen und nutzt dazu diverse Medien wie literarische Texte oder Arbeiten malerischer oder graphischer Form. Insbesondere der neunte Punkt, der von vielen Mitgliedern der Bohème eingehalten wird, findet bei Munch keinerlei Zuspruch. Trotz seiner häufigen Krankheitsepisoden zeigt er sich dem Leben eng verbunden – freiwillig zu sterben ist für ihn keine Option. Aus konservativem Elternhaus stammend, wird vor allem das Ideal der freien Liebe problematisch für den jungen Munch – er kann sich mit der Ideologie der Bohème nie völlig identifizieren. Doch die dortigen Bekanntschaften werden sein weiteres Leben sowohl positiv als auch negativ prägen, inspirieren und beeinflussen. So verfasst er 1904/05 das Gedicht Die Stadt der freien Liebe, in welchem er sich mit Sarkasmus und Humor der Bohème und ihren Mitgliedern entgegenstellt.14

Im Kreis der Bohème begegnet Munch der Liebe – 1885 lernt er die verheiratete Milly Thaulow (1860–1937), die Schwägerin von Frits Thaulow, kennen, die in seinen Aufzeichnungen die Anonymisierung «Frau Heiberg» trägt. Mit ihr wird er eine langjährige Beziehung eingehen, die zu den ersten, gegenüber der Frau Distanz signalisierenden Gedanken führt. Munch formuliert als Resümee: «Wie tief ist das Merkmal, das sie in mein Gehirn eingraviert hat, so daß kein anderes Bild ihres je vertreiben kann … Eines Tages hob sie die Schalen mir von den Augen ab, und ich sah das Haupt der Medusa. Danach habe ich alle Hoffnung, lieben zu können, aufgegeben.»15 Sich von der Liebe betrogen fühlend, wird Munch Frauen fortan mit Misstrauen begegnen. Mit dem Ende der Beziehung geht auch die Loslösung von der Bohème einher und Munch beginnt ein neues Lebenskapitel.

Edvard Munch – Alpha und Omega

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