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cc) Streitbare Demokratie (Art. 9 Abs. 2, 18, 21 Abs. 2 GG)

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Gewissermaßen absolut setzt sich das Grundgesetz des Weiteren in seiner Ausprägung als „streitbare“ (auch: wehrhafte, abwehrbereite) Demokratie.[125] Diese Charakterisierung bezieht sich auf einige Normen, deren gemeinsames Schutzgut die freiheitliche demokratische Grundordnung[126] ist: Art. 9 Abs. 2 (Verbot von Vereinigungen), Art. 18 (Grundrechtsverwirkung von Einzelpersonen) und Art. 21 Abs. 2 GG (Verbot politischer Parteien); im weiteren Sinne zählt auch die Richteranklage nach Art. 98 Abs. 2, Abs. 5 GG dazu. Während Art. 79 Abs. 3 GG sich an den verfassungsändernden Gesetzgeber und damit die Staatsorgane wendet und ihnen gegenüber die eigene Unverbrüchlichkeit im Sinne einer Werthaftigkeit betont, richtet sich die streitbare Demokratie gegen eine bestimmte Form der Grundrechtsausübung durch die Bürger und geht so zur Wehrhaftigkeit über.[127] Während die Ewigkeitsklausel „nur“ bestimmte Strukturprinzipien der Disposition der Staatsorgane entzieht, beschränkt die streitbare Demokratie darüber hinaus die Diskussion in der Gesellschaft.[128] In dieser Reglementierung des gesellschaftlichen Willensbildungsprozesses liegt die Problematik des Konzepts, das im internationalen Vergleich wenig Parallelen findet und in dieser Form lange Zeit als deutsches Unikat gelten konnte.[129] Im Herrenchiemseer Konvent hatte man mit Blick auf Weimar davon gesprochen, die Demokratie dürfe nicht selbstmörderisch werden[130] – im gleichen Atemzug aber auch vor politischem Missbrauch gewarnt. Damit aus dem Schutz der freiheitlichen Demokratie nicht die Bekämpfung des politischen Gegners oder Andersdenkender resultiert, muss man die entsprechenden Instrumente sehr behutsam einsetzen und darf nicht der Gefahr „kleinkarierte[r] Ausmünzungen“[131] erliegen. So hat es denn bisher erst zwei Parteienverbote und noch keinen Anwendungsfall der Grundrechtsverwirkung oder der Richteranklage gegeben. Lediglich beim Vereinigungsverbot ist die Zahl deutlich höher, was nicht zuletzt daran liegen dürfte, dass die Entscheidung hier nicht (wie bei den anderen Normen) beim Bundesverfassungsgericht monopolisiert ist.

§ 1 Grundlagen und Grundzüge staatlichen Verfassungsrechts: Deutschland › I. Der Ursprungskontext des Grundgesetzes › 4. „Ausländische“ Einflüsse und Rechtsvergleich

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