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c) Verfassungskorrektur: Finanz- und Haushaltsreform

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Nur ein Jahr nach der Notstandsverfassung wurde ein weiteres Werk der Großen Koalition von CDU/CSU und SPD (1966–1969) verabschiedet, das Anlage und Gesicht des Grundgesetzes in vielleicht noch stärkerem Maße veränderte: die große Finanz- und Haushaltsreform. Das Zentrum des komplizierten technischen Regelwerkes bildete das Finanzreformgesetz vom 12. Mai 1969, das flankiert wurde vom 20. und 22. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes gleichen Datums.[207]

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Mit diesem Veränderungsschub wurden nicht bislang ausgesparte Komplexe nachträglich eingefügt, sondern bestehende Regelungen strukturell umgestaltet.[208] Letztlich handelte es sich dabei um die Korrektur der 1949 vor allem auf alliierten Druck hin vorgenommenen und weitgehend missglückten Normierungen der Finanzverfassung (dazu oben, Rn. 39); zum anderen aber um den Versuch der Modernisierung des Staates, insbesondere seiner finanz- und haushaltspolitischen Elemente. Die Finanzreform „bildete die verfassungspolitische Reaktion auf die Rezession von 1966/67, veränderte die Finanzverfassung und vollzog den Übergang vom dualistischen Föderalismus, der ein effektives Krisenmanagement verhindert hatte, zum kooperativen Föderalismus“[209]. Die damals frisch und modern daherkommenden Leitbegriffe lauteten Planung[210] (insb., aber nicht nur Finanzplanung), Konjunktursteuerung, Wachstumsvorsorge, aktive Wirtschaftspolitik und eben kooperativer Föderalismus – Begriffe, die heute merkwürdig angegraut klingen, weil man ihre Kehrseite (Fehleranfälligkeit von Planungen, Dominanz der Fachbürokratien, Verwischung von Verantwortlichkeiten, Politikblockaden) mittlerweile etwas besser kennt.

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Rechtstechnisch schlug sich der seinerzeit dominante Gestaltungs- und Lenkungsoptimismus vor allem in der Einfügung eines neuen Abschnittes Xa (Art. 91a, 91b GG) und der Art. 104a, 105 Abs. 2a GG sowie einer kräftigen Erweiterung der Gesetzgebungskompetenzen des Bundes einerseits, der Veränderung zentraler haushaltsrechtlicher Bestimmungen (Art. 109 Abs. 3, 110, 112, 113, 114, 115 GG) andererseits nieder.[211] Es ist ein Zeichen dafür, dass auch die Verfassungsentwicklung ihre spezifischen Themenkonjunkturen hat, wenn heute wieder sehr intensiv über den Rückbau der seinerzeitigen Reformen nachgedacht wird[212] – auch wenn im Zusammenhang mit der deutschen Wiedervereinigung der Trend zum kooperativen Föderalismus erst noch einmal verstärkt worden war.[213]

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