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7. Der Mensch auf der Suche nach dem Unerklärlichen
ОглавлениеNeben der Suche nach dem Absoluten hat das Denken der Menschen immer schon versucht, das Unerklärliche zu erklären. „Der Mensch strebt von Natur aus nach Erkenntnis“, so heißt es im ersten Satz der Metaphysik von Aristoteles. Und das ist gut so, könnte man sagen. Der Mensch will verstehen, wie die Welt funktioniert, welche Kräfte in ihr wirken und was die Welt im Innersten zusammenhält. (Goethe) Er sucht Erklärungsmodelle für die Welt. Mit seinem Geist versucht er, die Natur zu verstehen. Er will einerseits wissen, wie sie funktioniert, und andererseits will und muss er sie gestalten. Er gestaltet Natur, um von ihren Gewalten nicht zermahlen zu werden.
Aber über diese Naturbeherrschung hinaus will er sein Denken und Fühlen auch ausdrücken in Musik, Wort, Bild, Skulptur und Gebäuden. Er schafft Kultur. Er denkt nach über den Tod, er wird mit Fragen konfrontiert, die er nicht lösen kann, es bleibt immer ein Rest des Unerklärlichen. Auch im Bereich moderner Naturwissenschaften tauchen mit einer beantworteten Frage 20 neue Fragen auf. Das Nichtwissen wird mit jedem Wissen größer. Es steigt nahezu exponentiell. Das Leben und seine Interpretationen entziehen sich dem vollständigen Zugriff.
Da man lange Zeit in der Geschichte keine naturwissenschaftlichen Erklärungen für Naturphänomene hatte, hat man oft Göttergeschichten „erfunden“, die das Unerklärliche und Unverständliche irgendwie erklärbar und „fassbar“ machen. Man findet diese Göttergeschichten in Mythen und Mythologien. Womöglich sind aber auch diese „Geschichten“ nicht nur aus der menschlichen Perspektive erfunden worden, sondern es wirkte in ihnen schon ein anderer (göttlicher) Geist. Religionen sind keine reine Philosophie.11 Allerdings kann man argumentieren, dass wohl auch in einer platonischen oder aristotelischen Philosophie bereits ein göttlicher Geist gewirkt hat. Bereits an dieser Stelle stellt sich die Frage, wie der Begriff der Religion zu definieren ist (was hier nicht geleistet werden kann) und wie menschliches und göttliches Wirken zusammenwirken.
So war man auf der Suche nach dem Unerklärlichen und belegte dieses mit Göttergestalten. Denn hatte man das Unerklärliche erst einmal personifiziert und einen Götternamen dafür gefunden, konnte man diese Götter anbeten, ihnen etwas opfern und sie gnädig stimmen. Sollten Göttergestalten für die Kräfte der Natur stehen, kann man die zerstörerischen oder erhaltenden Kräfte in der Natur besser „bändigen“. Mit Hilfe der Opfer für die Götter konnte man sie selbst und damit auch die Natur „gnädig stimmen“ und ihrer besser „Herr“ werden. Man konnte Rituale entwickeln für die Anbetung oder das Opfer für die Götter.
Diese Zeiten der vielen Götter sind in der westlichen, naturwissenschaftlich geprägten Welt weithin vorbei, wenngleich sich auch im Christentum noch Relikte dieser Vorstellungen finden. Heute versucht man das Unerklärliche mit Hilfe der (Natur-)Wissenschaften zu erklären. Man stellt bestimmte Hypothesen auf und versucht diese mit naturwissenschaftlichen Methoden zu bewahrheiten (verifizieren) oder abzulehnen (falsifizieren). Die alten Göttergestalten, die Platzhalter für das Unerklärliche waren, sind in den Hintergrund getreten. Bestimmte Gottesvorstellungen sind von den Naturwissenschaften verdrängt worden. Viel Unerklärliches ist erklärbar geworden. Wenn naturwissenschaftliche Erkenntnisse derartige Gottesvorstellungen zurückdrängen, dann scheinen sich Gottesvorstellungen im Lauf der Zeit zu ändern. So lief es auch in der Geschichte. Von Naturreligionen über die „Vergöttlichung“ von Unerklärlichem verlief die Geschichte über den Vielgötterhimmel des Hinduismus, der in anderer Weise auch in der griechischen Philosophie und im Umfeld des Volkes Israels zu finden war, hin zum Eingottglauben des Volkes Israel.
Die Suche nach dem Unerklärlichen ragt auch über den Tod hinaus. Der Tod ist für den Menschen dunkel und undurchdringlich, er weiß nicht, was dahinter ist. Gleichzeitig ragt der Mensch mit seinem Denken über den Tod hinaus, aber er bekommt von drüben keine Antwort. Das Dunkel des Todes wird nicht erhellt. Allein die menschlichen Gedanken ragen darüber hinaus und machen sich Vorstellungen vom Jenseits. Angesichts der Endlichkeit und des Todes entsteht auch das Nachdenken über ein Leben nach dem Tod.
Und wiederum sind es die Religionen, die nicht nur über das Unerklärliche in der Welt und über ihre Gottesvorstellungen reflektieren, sondern auch über ein Weiterleben nach dem Tod: in Asien im Zusammenhang mit Reinkarnationsideen, im Judentum im Kontext mit Vorstellungen einer ausgleichenden Gerechtigkeit für die Ungerechtigkeiten dieser Welt (die Jenseitsvorstellungen entwickeln sich im Volk Israel erst relativ spät in den Makkabäerbüchern), im Christentum über ein Sein bei Gott in Form einer leiblichen (nicht körperlichen!) Auferstehung, im Islam mit Paradiesvorstellungen. Im Folgenden soll nun zusammengefasst werden, ob sich aus dem bisher Dargestellten einige plausible Gottesvorstellung entwickeln lässt und sich richtige von falschen Gottesvorstellungen trennen lassen.