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2. Das dreifaltige Gottesbild – Die Grundstruktur der Welt ist Beziehung
ОглавлениеMan kann einen ersten Zugang zur heutigen Gottesfrage finden, indem man sich dem christlichen Gottesbild zuwendet. Es ist ein Gottesbild, bei dem das Wort des Gottes Mensch wird. Dieser Mensch gewordene Gott (Jesus Christus) nennt den Gott Jahwe seinen Vater. Das Verhältnis beider wird vermittelt durch den einen göttlichen Geist, den Heiligen Geist. Die Theologie sagt, dieser Gott sei ein Gott in drei Personen. Und dann geht es um die Frage, wie man sich dieses Verhältnis von Vater, Sohn und Heiligem Geist vorstellen kann. Es geht dabei um das Verhältnis dieser drei göttlichen Personen vor der Erschaffung der Welt und nach der Erschaffung der Welt, also in dieser Welt. Es geht auf der einen Seite um ein innergöttliches Geschehen und auf der anderen Seite um das Verhältnis dieses Gottes zum Menschen in dieser Welt. Philosophisch kann man es so ausdrücken: Der Grund allen Seins ist nicht eine starre Substanz, sondern ein dynamisches Beziehungsgeschehen zwischen Vater, Sohn und Geist. Es ist ein Beziehungsgeschehen des Dialoges und der Liebe, und in dieses Beziehungsgeschehen ist der Mensch mit hineingenommen.
Gott ist also schon vor Erschaffung der Welt ein Beziehungsgeschehen in sich selbst in der Gemeinschaft von Vater, Sohn und Heiligem Geist. Er ist sich selbst genug und braucht die Welt nicht als Gegenüber. Das bedeutet zweierlei: Er ist in sich ein Liebesgeschehen dreier Personen und er ist dadurch ganz frei. Gott braucht die Welt und den Menschen nicht als ein „Liebesobjekt“. Er ist alles in sich und kann daher die Welt aus voller Freiheit schaffen. Daran hängt – das wird später ausgeführt – auch der ganze Freiheitsgedanke des Menschen.
Gott hätte die Schaffung einer endlichen Welt auch lassen können. Die theologische Antwort auf die Frage, warum es die Welt gibt, kann eigentlich nur so lauten: weil Gott es aus seiner Freiheit heraus wollte. Es gab keine Notwendigkeit zur Welt. Wie die Welt dann entstanden ist, ob durch Urknall oder anders, ist eine naturwissenschaftliche Frage. Gott setzt eine Initialzündung und dann entwickelt sich die Welt von selbst. Wenn die Welt durch die Initialzündung des Urknalls entstanden ist und die Urknall-Theoretiker mit dem Urknall die Nichtexistenz Gottes aufweisen wollen, müsste man sie fragen, ob das Nichts überhaupt knallen kann, ob da, wo nichts ist, überhaupt etwas aus dem Nichts entstehen kann. Anders gesagt: Wo nichts ist, knallt auch nichts.
Das Entstehen aus dem Nichts ist das, was die Theologie Schöpfung nennt. Gott allein, der sich aufgrund seines innergöttlichen Beziehungsgeschehens aus sich selbst heraus versteht und insofern selbst-verständlich ist, kann etwas aus dem Nichts ins Sein setzen (creatio ex nihilo, Schöpfung aus dem Nichts). Wenn er diese Welt aus dem Nichts schafft, was nur er selbst kann,25 kann er sie so schaffen, dass sie sich dann von selbst weiterentwickelt. Insofern – das wurde schon gesagt – kann Schöpfung durchaus evolutiv vonstattengehen.
Wenn es diese Einheit der drei göttlichen Personen vor Erschaffung der Welt gibt, dann ist es eine Einheit in Verschiedenheit, eine Einheit von Beziehungen, eine Einheit in Polarität (der Vater ist ganz anders als der Sohn), eine Einheit in Pluralität. Das ist die Grundlage dafür, dass es auch in der Welt Spuren von Polarität gibt (Plus- und Minuspol, Mann und Frau), Spuren von Pluralität (zum Beispiel unterschiedliche Positionen in einer Demokratie oder die Pluralität von Weltanschauungen und Religionen) und die Einheit der Beziehung innerhalb einer Liebe (die Liebe zwischen verschiedenen Menschen).
Mit der Schaffung einer endlichen Welt und mit dem Menschen hat Gott auch eine endliche Freiheit geschaffen. Damit hat er die Möglichkeit eröffnet, dass der Mensch „Nein“ sagt zu Gott. Damit geht Gott das Risiko ein, dass der Mensch sich gegen ihn wendet und damit letztlich auch gegen sich selbst und gegen den anderen. Genau das hat der Mensch auch getan. Angesichts dieses vollzogenen „Nein“ des Menschen zu Gott (geschildert mit dem Ungehorsam in der Paradiesgeschichte; Gen 1, 3) und des Missbrauches der Freiheit kommt es im Alten Testament sogar zu der Aussage: „Da reute es den Herrn, auf der Erde den Menschen gemacht zu haben, und es tat seinem Herzen weh“ (Gen 6, 6).
Mit der Schaffung endlicher Freiheit hat sich Gott womöglich auch seiner Allmacht beraubt. Vor der Schöpfung war er allmächtig, er konnte die Welt schaffen oder auch nicht. Nach der Schaffung des Menschen mit seiner Freiheit war er es womöglich nicht mehr, denn jetzt ist er auf das Mitwirken des Menschen in der Welt angewiesen. Er kann an der Freiheit der Menschen vorbei womöglich nichts tun. Er kann den Menschen nicht zu sich hinzwingen. Denn dieser Zwang widerspräche der Freiheit und der Liebe. Die Freiheit ist offensichtlich der Preis der Liebe,26 denn Liebe geht nicht ohne Freiheit. Niemand kann zum Lieben gezwungen werden.
Wenn Gott innerhalb seines Beziehungsgeschehens die Liebe ist (1 Joh 4, 8), dann will er keine Menschen als Marionetten und keine Wesen, die irgendwelchen Schicksalsmächten unterworfen sind, sondern Wesen, die aus ihrer Freiheit und ihrem Willen heraus „zurücklieben“ und etwas Selbständiges tun.27 „Ohne die Annahme des freien Willens und seiner selbstursächlichen Letztverantwortung könnte sich der Mensch überhaupt nicht als Subjekt betrachten; er wäre vielmehr ein Spielball fremder Kräfte, die ihren Streit in seiner Seele austragen.“28 Und so soll der Mensch auch aus freien Stücken der Liebe Gottes mit seiner Gegenliebe antworten. Liebe ist immer Antwort auf Geliebtwerden. Allerdings sind sowohl der freie Wille als auch das Lieben-Können „angeschlagen“. Der Mensch neigt zum Nein gegen Gott, er will das Gute tun, tut doch das Böse und versteht sich selbst nicht. (Röm 7, 19)
Das liegt daran, dass der Mensch hineingestellt ist in die Unheilsgeschichte der Welt. Er bekommt von den Eltern das an Verstellungen mit auf den Weg, was die Eltern nicht aufgelöst haben. Und so geht das durch die Generationen hindurch. Letztlich geht es zurück bis zu den ersten Menschen, die sich von Gott abgewendet haben. Durch diese Abwendung begann die Unheilsgeschichte der Welt. Der einzelne Mensch, aber auch ganze Völker sind in sie verwickelt, ob sie wollen oder nicht. Die theologische Tradition hat hieraus die Lehre von der Erbsünde entwickelt. Diese hat nichts mit persönlicher Schuld zu tun, sondern mit dem Hineinverwobensein in diese unheilvolle Weltgeschichte. Aus dieser inneren Verwobenheit, Gebrochenheit, Zerrissenheit und der daraus resultierenden Unfähigkeit, seine Freiheit wirklich vollziehen zu können, muss der Mensch befreit werden. Der Mensch muss zur Freiheit befreit werden, (Gal 5, 1) damit er das Gute auch wirklich tun kann.
Die Auffassung vom dreifaltigen Gott sagt auch etwas aus über die Grundstruktur der Welt. Der Grund von allem (Gott) ist ein Beziehungsgeschehen, er ist ein ständiger Dialog (Trialog) zwischen den göttlichen Personen. Darin kann man wieder Mehreres erkennen: zum einen, dass diese Grundstruktur – wie schon erwähnt – Bedingung der Möglichkeit der Liebe und der Freiheit ist und dass der Mensch nur frei werden kann, wenn auch Gott ganz frei ist. Gleichzeitig kann der Mensch nur deshalb lieben, weil er in diesen Dialog der Liebe eingebunden ist. Innerweltlich heißt das, dass er sich dieser Liebe aktiv zuwenden sollte, da er letztlich nur aus dieser Angebundenheit heraus sich selbst und damit den anderen dauerhaft zu lieben vermag.
Daher ist das Gebot der Selbstliebe, Nächstenliebe und Gottesliebe auch genau so zu lesen: In der Anbindung an Gott findet der Mensch seinen inneren Halt. Er ist von Gott bedingungslos angenommen und geliebt. Dadurch kann er schrittweise ein gutes Selbstverhältnis und eine gute Selbstliebe aufbauen sowie auch alle seine eigenen Schattenseiten akzeptieren lernen. Er kann all seine Projektionen, mit denen er sich ein Bild von sich selbst und vom anderen macht, schrittweise zurücknehmen. Er kann auch, weil er von Gott unbedingt angenommen ist, alle Kompensationsversuche, die ihn seine Minderwertigkeitsgefühle überdecken lassen, zurücknehmen und so immer authentischer werden.
So wird er langsam ein gutes Verhältnis zu sich selbst finden (Selbstliebe) und von dort aus auch den anderen annehmen und lieben lernen. Da er so immer authentischer wird, wird er selbst auch immer liebenswerter und attraktiver. Ohne in der Quelle der Liebe und der Wahrheit verankert zu sein, wird der Mensch letztlich nicht zu seiner Wahrheit, seiner Authentizität und Attraktivität finden, und seine Kraft zum Lieben wird im Laufe des Lebens abnehmen. Sie reicht dann nicht für ein ganzes Leben, und die Lichter gehen zu früh aus.29 Selbsterkenntnis, Erkenntnis des anderen als des anderen und Erkenntnis Gottes gehören ebenso zusammen wie Selbstliebe, Gottesliebe, Nächstenliebe.