Читать книгу Ein tödliches Komplott - Matthias Boden - Страница 8

4. Kapitel Vereinigte Staaten, Portland (OR)

Оглавление

Die bei­den Freun­din­nen Tia­na und Vi­vi­an hat­ten sich für ein ge­mein­sa­mes Früh­stück in ei­nem net­ten Café ver­ab­re­det. Seit ih­rem ers­ten Zu­sam­men­tref­fen hat­ten sie viel über ver­schie­de­ne Mes­sen­ger kom­mu­ni­ziert. Bei­de ar­bei­te­ten ver­deckt für SNB, oh­ne ge­nau zu wis­sen, wer das ei­gent­lich war. Vi­vi­an mach­te das fast wahn­sin­nig. Sie woll­te end­lich Ant­wor­ten auf ih­re Fra­gen. Sie war Tia­na ge­folgt, weil sie die große Blon­di­ne für ei­ne Agen­tin hielt. Al­ler­dings war sie selbst noch ein viel klei­ne­res Licht als Vi­vi­an. Ih­re Auf­trä­ge be­schränk­ten sich mehr­heit­lich auf den Trans­port von ein­fa­chen Gü­tern. Durch die Be­zah­lung für ih­re Diens­te konn­ten sie sich ein biss­chen Lu­xus leis­ten.

Es war schon re­la­tiv spät am Mor­gen für ein Früh­stück. Die Son­ne hat­te bei­na­he ih­ren Ze­nit er­reicht, als die bei­den im Au­ßen­be­reich des Cafés Platz nah­men. Der Früh­ling hielt erst Ein­zug in Port­land. Dement­spre­chend war es noch ziem­lich kühl, dass die bei­den sich warm ein­ge­packt hat­ten, um kei­ne Er­käl­tung zu ris­kie­ren. Tia­na trug so­gar noch einen di­cken Schal. Vi­vi­an mach­te sich dar­über lus­tig, denn so kalt war es nun auch wie­der nicht das man den Hals ex­tra schüt­zen muss­te. Be­vor sie zu ei­ner Er­klä­rung an­setz­te, zog sie den Stoff ein biss­chen auf die Sei­te und mach­te einen fri­schen Knutsch­fleck sicht­bar. Vi­vi­an ver­stand so­fort, was Sa­che war und grins­te ih­re Freun­din an.

»Da ging es wohl heiß her. Hat es ei­ner ge­schafft dich an­zu­gra­ben?«, frag­te sie neu­gie­rig.

Tia­na muss­te la­chen, »So heiß nun auch wie­der nicht, vor al­lem hat­te ich nicht wirk­lich was da­von.«

»Al­so ein Rein­fall, wie meis­tens.«

»Ich wer­de mei­nen ›Lieb­ha­ber‹ trotz­dem noch ei­ni­ge Jah­re be­hal­ten.«

Ih­re Freun­din schau­te un­gläu­big auf die Blon­di­ne, »Du willst dir ernst­haft einen Ty­pen ans Bein bin­den, der dich im Bett nicht auf Tou­ren bringt? Ist das ein Geld­sack, der nur mit ei­ner jun­gen Frau an­ge­ben will?«

Mit je­dem Wort was Vi­vi­an her­vor­brach­te wur­de Tia­nas la­chen noch brei­ter, »Der Typ ver­dient kein Geld, ich war nur ein paar mal mit ihm im Bett. Da ist al­ler­dings nichts ge­lau­fen. Er hört auf den tol­len Na­men Ty­ron und ist der 11-jäh­ri­ge Sohn mei­ner Schwes­ter, der vor­ges­tern Ge­burts­tag hat­te.«

Vi­vi­an wur­de auf der Stel­le to­ten­still. Tia­na hat­te den Knutsch­fleck von ih­rem Nef­fen be­kom­men und über­deck­te ihn ex­tra mit dem Schal da­mit man ihn nicht sah. Das war Ty­rons Art sich für sein Ge­burts­tags­ge­schenk zu be­dan­ken, was ihm sei­ne Tan­te mach­te.

»Du hast mich schon wie­der rein­ge­legt«, lach­te Vi­vi­an.

»Nein«, er­wi­der­te Tia­na, »Ich ha­be dich nur ei­ne Wei­le in dem Glau­ben ge­las­sen, dass ich mit ei­nem was am Lau­fen hät­te und du bist im­mer wei­ter dar­auf ein­ge­stie­gen. Nicht al­le Män­ner in mei­nem Le­ben wol­len mir nur ins Hö­schen. Ty­ron ist ein ganz lie­ber, nur nicht ganz so auf der Hö­he. Bei sei­ner Ge­burt hat sich die Na­bel­schnur um sei­nen Hals ge­legt, was zu ei­ner Un­ter­ver­sor­gung an Sau­er­stoff ge­führt hat. Des­halb ist er ein biss­chen ein­ge­schränkt. Ein Knutsch­fleck ist sei­ne Art sich zu be­dan­ken, weil er weiß, dass du die Spu­ren et­wa ei­ne Wo­che lang be­hältst.«

»Auch schön. Ist mal was an­de­res als ei­ne flüch­ti­ge Umar­mung.«

Nach dem The­ma Fa­mi­li­en ka­men die bei­den lang­sam zu ih­rer Ar­beit für den SNB und dem Geld was sie da­mit ver­dien­ten. Tia­na hat­te am Mor­gen noch ei­ne Nach­richt in ih­rer Post. Sie be­kam den Auf­trag ein klei­nes Päck­chen im Kas­ten ei­nes Lösch­schlauchs ab­zu­ho­len und in ei­nem Bor­dell zu hin­ter­le­gen. Was ihr Sor­gen mach­te war, dass sie an die­sem Tag ei­ne Se­mes­ter­ar­beit schrei­ben muss­te und des­halb den Ter­min nicht ein­hal­ten konn­te. Sie bat Vi­vi­an für sie ein­zu­sprin­gen. Das Geld für den Auf­trag wür­de sie selbst­ver­ständ­lich auch be­kom­men, was Vi­vi­an al­ler­dings ab­lehn­te. Tia­na hat­te ge­nug mit fi­nan­zi­el­len Pro­ble­men zu kämp­fen. Sie wür­de den Auf­trag an ih­rer Stel­le er­le­di­gen und ihr das Geld da­für über­las­sen. Durch ih­ren letz­ten Auf­trag des SNB hat­te sie noch ge­nug Ba­res, um einen wei­te­ren Mo­nat da­mit aus­zu­kom­men.

Ti, wie sie von Freun­den ge­nannt wur­de, ver­sprach das wie­der gutz­u­ma­chen und einen Auf­trag für Vi­vi­an zu er­le­di­gen, wenn sie in Schwie­rig­kei­ten steck­te. Noch im­mer wuss­ten sie nicht, wer sich ei­gent­lich hin­ter der Or­ga­ni­sa­ti­on ei­gent­lich ver­barg. Sie hat­ten schon im In­ter­net nach dem Ge­heim­dienst ge­sucht, wur­den al­ler­dings nir­gend­wo fün­dig. Vi­vi­an ver­mu­te­te et­was völ­lig Ge­hei­mes da­hin­ter. In den Ve­rei­nig­ten Staa­ten gab es hun­der­te Or­ga­ni­sa­tio­nen mit omi­nösen drei Buch­sta­ben, von de­nen man vor­her noch nie et­was ge­hört hat­te. Am be­kann­tes­ten wa­ren das FBI, CIA, NSA oder auch die DIA. Ihr Auf­trag­ge­ber SNB war auf kei­ner of­fi­zi­el­len Lis­te zu fin­den.

Die­se Or­ga­ni­sa­ti­on muss­te al­so so ge­heim sein, dass ih­re Exis­tenz an al­len Stel­len ab­ge­strit­ten wur­de. Auch de­ren Zie­le wa­ren für die bei­den jun­gen Frau­en nicht fest­stell­bar. Al­ler­dings gab es al­lei­ne in den Ve­rei­nig­ten Staa­ten so vie­le Or­ga­ni­sa­tio­nen mit drei Buch­sta­ben, von de­nen noch nie je­mand auch nur den Hauch ei­ner In­for­ma­ti­on zu hö­ren be­kam. Hol­ly­wood mach­te sich teil­wei­se auch in Fil­men dar­über lus­tig. Zum Bei­spiel er­schuf man für ei­ne gan­ze Film­rei­he die Ab­kür­zung MIB, die sich mit au­ßer­ir­di­schen Le­bens­for­men be­schäf­tig­te. Die Be­woh­ner der Staa­ten wa­ren der Mei­nung, dass ei­ne Or­ga­ni­sa­ti­on, die ge­schaf­fen wur­de, für ih­re Si­cher­heit sorg­te. Als her­aus­kam, dass die NSA zum Bei­spiel die gan­ze Welt ab­hör­te, be­grün­de­te man das mit der Si­cher­heit der Na­ti­on. Der Auf­schrei dar­über war in den Staa­ten deut­lich ge­rin­ger als in Eu­ro­pa. Die gan­ze Eu­ro­päi­sche Uni­on ver­ur­teil­te die Ab­hörak­ti­on sämt­li­cher Spit­zen­po­li­ti­ker der ein­zel­nen Län­der auf das Schärfs­te, sorg­te aber trotz al­lem da­für, die USA wei­ter als Freun­de zu be­trach­ten. Sämt­li­che Po­li­ti­ker ka­men nicht ein­mal auf die Idee ei­ne ge­naue Un­ter­su­chung dar­über zu ver­lan­gen.

Auch bei der Ein­rei­se in die Ve­rei­nig­ten Staa­ten gab es ei­ne deut­lich über­trie­be­ne Un­ter­su­chung. Es war bei­na­he un­mög­lich mal eben ei­ne Zwi­schen­sta­ti­on in den USA ein­zu­le­gen, oh­ne sein ge­sam­tes Le­ben of­fen­zu­le­gen. Die DHS, al­so das De­part­ment of Ho­me­land Se­cu­ri­ty, un­ter­zog je­den Be­su­cher ei­ner ge­nau­en Prü­fung. Be­vor man auch nur in ein Flug­zeug stei­gen konn­te, was auf ame­ri­ka­ni­schem Bo­den lan­den wür­de, muss­te man min­des­tens einen Mo­nat vor­her einen An­trag stel­len. Der so­ge­nann­te ESTA An­trag muss­te be­reits lan­ge vor­her aus­ge­füllt und po­si­tiv be­schie­den sein, um über­haupt in ein Flug­zeug zu kom­men. Selbst, wenn man dann auf ei­nem Flug­ha­fen lan­de­te, war es aber noch lan­ge nicht si­cher, ob man auch wirk­lich ein­rei­sen durf­te. Je­der Be­su­cher wur­de ein­zeln ge­prüft und mit ge­schick­ten Fra­gen über sei­ne An­ga­ben des An­trags zu­ge­schüt­tet. Gab es da­bei auch nur die ge­rings­te Ab­wei­chung, wur­de man nicht in das Land ge­las­sen, son­dern wie­der in ein Flug­zeug ge­setzt und zu­rück­ge­schickt. Das gan­ze Ver­fah­ren war aber nicht nur für die Ein­rei­se vor­ge­schrie­ben, son­dern, auch wenn man auf ei­nem Flug­ha­fen der Ve­rei­nig­ten Staa­ten um­stieg und das ei­gent­li­che Flug­ziel au­ßer­halb des Lan­des lag.

Vi­vi­an woll­te zu­min­dest fest­stel­len, für wen sie da ei­gent­lich Auf­trä­ge er­le­dig­te. Sie durf­te deut­lich ge­fähr­li­che­re Auf­trä­ge er­le­di­gen als ih­re Freun­din. Bei Ti wa­ren es meist nur ir­gend­wel­che Bo­ten­diens­te, wäh­rend es bei Vi­vi­an auch mal um Über­wa­chun­gen ging. Auch wenn das bis­her nur ein­mal der Fall war, aber ih­re Bo­ten­diens­te be­schränk­ten sich dar­auf, ver­schie­de­ne Fahr­zeu­ge von ei­nem Ort zum an­de­ren zu brin­gen. Bei Tia­na han­del­te es sich in den meis­ten Fäl­len nur um Bo­ten­diens­te, die zu Fuß zu er­le­di­gen wa­ren. Auch ihr neues­ter Auf­trag fiel in die­se Ka­te­go­rie. Sie soll­te ein Pa­ket aus ei­nem Bü­ro­ge­bäu­de in der In­nen­stadt ab­ho­len. Dort war es in ei­ner Schlauch­box in ei­nem obe­ren Stock­werk ver­steckt. Tia­na soll­te das Päck­chen dann durch die Stadt zu ei­nem Eta­blis­se­ment brin­gen, das Frau­en ei­gent­lich nur be­tra­ten, wenn sie in ei­nem ge­wis­sen Be­reich ar­bei­te­ten. Es soll­te in ei­nem Bor­dell auf der Toi­let­te hin­ter ei­ner Wand­flie­se ver­steckt wer­den.

Die ge­naue Adres­se be­kam sie von ih­rer Freun­din. Die An­wei­sung war klar und deut­lich for­mu­liert. Um die Wand­flie­se zu lö­sen, soll­te sie ei­ne klei­ne Na­gel­fei­le ver­wen­den, das Päck­chen ver­ste­cken und die Flie­se wie­der so an­brin­gen wie sie war. Um sie zu fin­den, gab es so­gar die ge­naue La­ge, die man ab­zäh­len konn­te. Fünf­te Rei­he von un­ten und die 18. Plat­te rechts der Tür. Vi­via­ne dach­te sich nichts da­bei. Das war ein Auf­trag, wie sie ihn für SNB schon ei­ni­ge Ma­le er­le­digt hat­te. Das war wohl die An­fän­ger­li­ga der Or­ga­ni­sa­ti­on. Ih­re Auf­trä­ge wa­ren et­was hö­her­wer­ti­ger und auch et­was bes­ser be­zahlt als die ih­rer Freun­din. Trotz­dem woll­te sie end­lich wis­sen, für wen sie da ei­gent­lich ar­bei­te­ten. Im­mer­hin war es mehr als un­ge­wöhn­lich als Pri­vat­per­son von ei­ner staat­li­chen Or­ga­ni­sa­ti­on als Agent ein­ge­setzt zu wer­den, ob­wohl man sich we­der be­wor­ben hat­te, noch even­tu­el­le Vor­kennt­nis­se vor­han­den wa­ren.

Der Auf­trag, den sie für Tia­na er­le­di­gen wür­de, könn­te viel­leicht ein biss­chen Licht ins Dunkle brin­gen. Je­den­falls woll­te Vi­via­ne die­ses Mal wis­sen, was sie da für wen trans­por­tier­te. Auch Tia­na selbst woll­te ein biss­chen mehr dar­über er­fah­ren, von wem sie das Geld für ih­re ab­ge­schlos­se­nen Auf­trä­ge be­kam. Nicht das sie sich be­schwe­ren woll­ten, es war ein­fach der Wunsch nach mehr Hin­ter­grund­wis­sen über die­sen Ge­heim­dienst, für den sie ar­bei­te­ten. Wer weiß, viel­leicht könn­te man auf die­se Wei­se auch ein paar hö­her­wer­ti­ge Jobs er­gat­tern.

* * *

We­ni­ge Ki­lo­me­ter ent­fernt von den bei­den jun­gen Frau­en setz­te ei­ne Boeing 737 auf der Lan­de­bahn auf, die in Wa­shing­ton ge­st­ar­tet war. An Bord hat­ten es sich die bei­den Spe­ci­al Agen­ten, die das FBI auf den Fall des SNB an­setz­te, ge­müt­lich ge­macht. As­hleigh Spears und Cooper Knight wa­ren end­lich am Ein­satzort an­ge­kom­men. Ihr ers­ter Weg führ­te sie zu den Be­am­ten, die Ed­win Nash mit der großen Men­ge Chry­stal Meth fest­neh­men konn­ten. In ih­rem Be­richt wa­ren sie als Ser­geant Ro­ger Bar­ber und Of­fi­cer Jeffrey Hes­ter an­ge­ge­ben. Der letzt­ge­nann­te war auch der Be­am­te, der den un­glück­li­chen Ed­win Nash mit ei­ner Ku­gel durch­lö­cher­te, um sei­nen Vor­ge­setz­ten zu schüt­zen. Sie woll­ten mit den bei­den Be­am­ten ein in­for­mel­les Ge­spräch füh­ren.

Das Po­li­zei­re­vier der bei­den Be­am­ten lag et­was au­ßer­halb der In­nen­stadt und ge­hör­te zum 14. Be­zirk. Die FBI Agen­ten wur­den dort be­reits er­war­tet. Der Chief hat­te die Be­am­ten Ro­ger Bar­ber und Of­fi­cer Jeffrey Hes­ter im Bü­ro be­hal­ten seit er wuss­te das Wa­shing­ton je­mand an­wies den Fall zu un­ter­su­chen. Der Ser­geant hat­te das als Un­ter­su­chungs­haft für Po­li­zei­be­am­te ver­ur­teilt. Erst als er er­fah­ren hat­te, dass Agen­ten des FBI zu ih­nen un­ter­wegs wa­ren, ver­stand er den Sinn da­hin­ter. Sein Chief woll­te die War­te­zei­ten der Agen­ten mög­lichst kurz hal­ten, um nicht noch mehr Zeit zu ver­lie­ren. Die bei­den Po­li­zis­ten sa­ßen schon den gan­zen Tag in ih­rem Groß­raum­bü­ro und schrie­ben ei­ni­ge lie­gen­ge­blie­be­ne Be­rich­te.

As­hleigh Spears und Cooper Knight kann­ten die­se Re­vie­re aus vor­her­ge­hen­den Er­mitt­lun­gen schon zur Ge­nü­ge. Der Ge­ruch nach al­tem Pa­pier, Rei­ni­gungs­mit­tel und Kaf­fee war über die ge­sam­ten Ve­rei­nig­ten Staa­ten gleich. Spears moch­te den Ge­ruch nicht be­son­ders, aber manch­mal muss­te sie da eben durch. Ins­be­son­de­re neue Er­mitt­lun­gen be­gan­nen meist in den Re­vie­ren der nor­ma­len Po­li­zei. Man nahm die bei­den Agen­ten be­reits am Ein­gang in Empfang und brach­te sie oh­ne lan­ge Er­klä­rung in ein lee­res Bü­ro. Nur we­ni­ge Mi­nu­ten spä­ter be­tra­ten die bei­den Be­am­ten den Raum und schlos­sen die Tür. Der Of­fi­cer war ex­trem ner­vös und fum­mel­te oh­ne Un­ter­lass an sei­nem Gür­tel her­um. Es war das ers­te Mal für ihn, dass er von FBI Agen­ten ver­nom­men wur­de. Sein Ser­geant hat­te das be­reits des Öf­te­ren er­lebt und war dem­nach ein al­ter Ha­se was das an­ging. Oh­ne Scheu setz­te er sich auf einen frei­en Stuhl, schlug die Bei­ne über­ein­an­der und war­te­te auf die ers­ten Fra­gen.

Spears nahm den jun­gen un­er­fah­re­nen Of­fi­cer ins Vi­sier. »Das ist hier kein Ste­him­biss. Hin­set­zen!«

Jeffrey Hes­ter war völ­lig über­for­dert mit der Si­tua­ti­on. Mit zit­tern­den Fin­gern stell­te er sich um­ständ­lich einen Stuhl zu­recht und nahm dar­auf Platz. Bar­ber in­ter­es­sier­te das Schau­spiel, das sein Kol­le­ge bot nicht. Der Be­ginn sei­ner Kar­rie­re lag schon so lan­ge zu­rück, dass er sich nicht mehr dar­an er­in­nern konn­te, wann er das ers­te Mal auf Agen­ten des FBI ge­trof­fen war. Da­mals war er eben­falls ziem­lich ner­vös ge­we­sen. In der Zwi­schen­zeit war es ihm egal. Er be­trach­te­te das FBI nicht mehr als Geg­ner, die sich in sei­ne Er­mitt­lun­gen ein­misch­ten, wenn ih­nen da­nach war. Sie wa­ren ein not­wen­di­ges Übel, wenn et­was vor­ging, was sei­ne Ge­halts­klas­se deut­lich über­stieg.

Spe­ci­al Agent Cooper Knight be­gann die An­hö­rung mit dem Ser­geant, »Ser­geant Bar­ber, wo­her wuss­ten sie von der Über­ga­be?«

Bar­ber räus­per­te sich ganz ent­spannt, »Es gab einen an­ony­men An­ruf, der uns die Über­ga­be an­ge­kün­digt hat.«

»Ha­ben sie ver­sucht, den An­ruf zu­rück­zu­ver­fol­gen?«, woll­te Spears wis­sen.

»Na­tür­lich, das pas­siert völ­lig au­to­ma­tisch. Wir konn­ten die An­rufstel­le nicht er­mit­teln. Der An­ru­fer brach­te das gan­ze Sys­tem durch­ein­an­der.«

»Gut, sie ha­ben sich auf die In­for­ma­tio­nen ver­las­sen und den Dea­ler ent­deckt. Was pas­sier­te dann?«, er­frag­te Cooper Knight.

Bar­ber mach­te es sich be­quem, »Wir wa­ren zum an­ge­ge­be­nen Zeit­punkt vor Ort und konn­ten den Ver­däch­ti­gen er­ken­nen, der sich spä­ter als Ed­win Nash her­aus­stell­te. Er ent­nahm ein großes, of­fen­sicht­lich schwe­res Pa­ket aus dem Kof­fer­raum ei­nes dunklen SUV. Als er sich aus dem Staub ma­chen woll­te ha­be ich ent­schie­den ihn zu über­prü­fen. Der an­ony­me An­ru­fer hat­te ex­akt vor­aus­ge­sagt auf wel­chen Wa­gen wir ach­ten müs­sen und was sich in dem Pa­ket be­fin­det. Er sprach von ei­ner großen Men­ge Metham­phet­amin, ge­nannt Cry­stal Meth oder auch Ice. Die spä­te­re Über­prü­fung er­gab ei­ne Ge­samt­men­ge von et­wa 18 Ki­lo­gramm, die wir si­cher­stel­len konn­ten. Da­von lie­gen 17,2 Ki­lo­gramm jetzt in der As­ser­va­ten­kam­mer und war­ten auf die Ver­nich­tung.«

»Wo sind die rest­li­chen 800 Gramm ge­lan­det?«, stell­te Spears ei­ne Zwi­schen­fra­ge.

Bar­ber blick­te sie an, »Das Pa­ket ist Ed­win Nash aus der Hand ge­fal­len und auf­ge­platzt. Der Wind hat dann das aus­ge­tre­te­ne Pul­ver über die Stra­ße ge­weht.«

»Okay, wei­ter!«, for­der­te ihn Spears auf.

»Es ka­men meh­re­re Kol­le­gen zu der Si­tua­ti­on. Der Ver­däch­ti­ge ver­such­te sich zu ent­fer­nen, wor­aus ein Hand­ge­men­ge ent­stand, in des­sen Ver­lauf mein Kol­le­ge einen Schuss ab­ge­ge­ben hat. Nash brach zu­sam­men, wur­de me­di­zi­nisch ver­sorgt und in die Kli­nik ge­bracht. Wir ha­ben dann die Be­wei­se auf­ge­nom­men und den Ort ab­ge­sperrt«, gab Bar­ber zu Pro­to­koll.

Cooper Knight mach­te sich in sei­nem No­tiz­buch ei­ni­ge Auf­zeich­nun­gen. Sei­ne Kol­le­gin lief in dem klei­nen Bü­ro auf und ab und tipp­te sich wäh­rend­des­sen mit dem Zei­ge­fin­ger ge­gen die Na­se. Nach ei­ni­gen Se­kun­den wand­te sie sich an Of­fi­cer Jeffrey Hes­ter, »Wie­so ha­ben sie auf den Ver­däch­ti­gen ge­schos­sen?«

Der jun­ge Of­fi­cer brauch­te ei­ni­ge Se­kun­den bis er ant­wor­ten konn­te. »Ich sah mei­nen Ser­geant im Hin­ter­tref­fen, des­halb ha­be ich einen Schuss auf den An­grei­fer ab­ge­ge­ben.«

»Man hat ih­nen auf der Po­li­zei­schu­le nicht bei­ge­bracht, zu­erst einen Warn­schuss in die Luft zu feu­ern?«, warf ihm Spears vor.

»Doch, na­tür­lich«, stot­ter­te Hes­ter.

Die jun­ge Agen­tin schüt­tel­te den Kopf, »Und ob­wohl man ih­nen das bei­ge­bracht hat, feu­ern sie dem ar­men Ed­win Nash oh­ne War­nung ei­ne Ku­gel in den Ma­gen. Ganz ne­ben­bei zer­fetzt das Pro­jek­til auch noch die Milz, be­vor sie ste­cken bleibt.«

Bar­ber stell­te sich vor sei­nen jun­gen Kol­le­gen. »Las­sen sie den Of­fi­cer zu­frie­den! Er hat einen Feh­ler be­gan­gen wie schon je­der von uns. Hes­ter ist jung, es war sein ers­ter ge­fähr­li­cher Ein­satz und er war ex­trem ner­vös. Da­bei ver­gisst man schon mal et­was, was man ge­lernt hat.«

»Wä­re Ed­win Nash jetzt tot, hät­te ihr Kol­le­ge jetzt noch ganz an­de­re Pro­ble­me, aber das las­sen wir jetzt mal da­hin­ge­stellt. In­ter­essan­ter ist al­ler­dings die Fra­ge, wes­halb der Dro­gen­schmug­gel in den letz­ten sechs Mo­na­ten in der Um­ge­bung von Port­land um fast 60 % an­ge­stie­gen ist«, füg­te As­hleigh Spears hin­zu.

Der Ser­geant wur­de et­was un­ge­hal­ten, »Hö­ren sie Mäd­chen, mehr als ar­bei­ten kön­nen wir nicht. Ich ver­brin­ge die meis­te Zeit mei­nes Le­bens auf der Stra­ße, um die­ses Drecks­zeug auf­zu­spü­ren und zu ver­hin­dern, dass je­der Idi­ot es an ei­ner Stra­ßen­e­cke kau­fen kann. Wir wer­den an je­der Ecke ka­putt­ge­spart, jun­ge Kol­le­gen sys­te­ma­tisch ab­ge­zo­gen und be­kom­men im­mer mehr bü­ro­kra­ti­sche Schei­ße auf­er­legt. Jetzt sol­len wir uns dann auch noch da­für recht­fer­ti­gen, warum es für die­se Ver­bre­cher ein­fa­cher ist den Müll zu ver­kau­fen. Wäh­rend sie noch in die Win­deln ge­schis­sen ha­ben, war ich be­reits auf der Stra­ße un­ter­wegs und ha­be ge­gen das Un­recht ge­kämpft. Heu­te schickt uns das FBI ei­ne Agen­tin, die sich nicht mal al­lei­ne an­zie­hen kann, de­ren ein­zi­ge In­ten­ti­on zu sein scheint uns zu be­leh­ren, was wir bes­ser ma­chen soll­ten!«

Cooper un­ter­brach ihn, »Wir sind nicht hier, um sie un­ter Druck zu set­zen, son­dern sol­len die­sen Fall auf­klä­ren, um ih­nen zu hel­fen. Der­zeit ver­su­chen wir nur zu er­fah­ren, was da­zu ge­führt ha­ben könn­te. Die Ver­wal­tung liegt nicht in un­se­rer Hand und auch wir ha­ben da­mit im­mer öf­ter Pro­ble­me. Vi­el­leicht gibt es je­man­den, den sie im Ver­dacht ha­ben.«

»Ver­däch­ti­ge?«, frag­te Bar­ber. »Wie vie­le wol­len sie denn spre­chen?«

»So vie­le wie nö­tig sind, um ei­ne Spur zu fin­den! Sie ken­nen ih­re Pap­pen­hei­mer hier in Port­land. Wer sitzt da ganz dick im Ge­schäft?«

Ser­geant Bar­ber muss­te nicht lan­ge über­le­gen. In sei­ner Stadt gab es nur gan­ze zwei, die mit der­lei Ge­schäf­ten ihr Geld ver­dien­ten, aber so gut wie nie öf­fent­lich be­kannt wur­den. »Es gibt zwei Leu­te, die den Dro­gen­han­del in Port­land kon­trol­lie­ren. Im Wes­ten ist das Ar­thur An­tu­nes und im Os­ten Ky­lie Richard­son. Den bei­den wer­den sie al­ler­dings nicht das ge­rings­te nach­wei­sen kön­nen. Die ha­ben sich so ab­ge­si­chert, dass sie nie auch nur im Ent­fern­tes­ten mit Ge­schäf­ten die­ser Art in Ver­bin­dung ge­bracht wer­den.«

Cooper Knight fing an zu grin­sen, »Wir wer­den den Herr­schaf­ten mal einen Be­such ab­stat­ten. Es wä­re hilf­reich, wenn ih­re Trup­pe mal die be­kann­ten Dea­ler für ei­ni­ge Näch­te auf Staats­kos­ten un­ter­brin­gen wür­de. Wenn die Ge­schäf­te nicht mehr lau­fen, wer­den die nor­ma­ler­wei­se ner­vös und be­ge­hen Feh­ler.«

Der Lei­ter der Dro­gen­kom­mis­si­on war da­mit ein­ver­stan­den und ver­sprach sich, die nächs­ten paar Ta­ge die größ­ten Dea­ler der bei­den mit al­len ver­füg­ba­ren Mit­teln zu ja­gen. Zu­min­dest wür­de er ih­nen kurz­zei­tig die Zel­len von in­nen zei­gen. Es war kein großes Ge­heim­nis, dass sie nicht lan­ge dar­in aus­har­ren müss­ten. Wann im­mer man sie auf­griff, hat­ten sie ent­we­der gar kei­nen Stoff da­bei, oder Kleinst­men­gen, die ge­ra­de mal ei­ne Haft­zeit von zwei oder drei Ta­gen recht­fer­tig­ten.

Ein tödliches Komplott

Подняться наверх