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BOTONOMIK ODER DIE ZUKUNFT DES MARKTES

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Werden wir in Zukunft alle zu hypersmart shoppern, zu Super-Konsumenten, die sich mithilfe des Internets täglich damit vergnügen, Wertschöpfungsketten zu zertrümmern? Gemach. Wir haben schließlich auch noch etwas anderes zu tun. Freier Markt heißt auch, dass wir uns von der permanenten Auseinandersetzung mit dem Markt irgendwann verabschieden können. Und den höheren Künsten zuwenden können. Dem Lernen, der Kunst und der Mathematik.

So, wie früher die Herren und Damen bei Hofe (und später auch die wohlhabenden Bürger der Gründerzeit) Boten auf den Markt schickten, die die zeitaufwendige Aufgabe des Warenvergleichs, des Feilschens und Transportierens übernahmen, senden wir in Zukunft Marktroboter in das Dickicht aus Angebot und Nachfrage.

Man stelle sich also einen Markt vor – wiederum zunächst einen mittelalterlichen –, auf dem ich nicht nur einmal als Käufer/Kunde/Kommunizierender anwesend sein kann, sondern gleich mehrere Male, gewissermaßen geklont. »Ich« schlendere und streune durch die Gänge, prüfe mal hier, halte ein Schwätzchen dort, vergleiche und verhandle. In Form meiner bots, meiner Markt-Emissäre.

Bots können faces and figures sein, also simulierte Menschen, die uns durch die Weiten des Netzes geleiten (zu besichtigen unter www.artificial-life.com). Aber ihre Gestalt ist nicht das Wesentliche, sondern ihre Aufgabe. Sie sind Beauftragte, die in meinem, des Käufers Namen, das Netz durchforschen. Sie gehorchen bestimmten Algorithmen, die die Bedürfnislage und das Kauftemperament des Besitzers abbilden. Es wird aggressive und friedliche Bots geben, beobachtende und aktive, Bots, die ich einsetze, wenn ich knapp bei Kasse bin (Pleite-Bots), Weihnachtsgeschenk-Bots und Liebes-Bots, Info-Bots, denen es um das Sammeln spezifischer Informationen geht, etwa zur Frage, wie man Jungs verführt oder meine Arthritis heilt. Wie Viren werden sie im Blut des weltweiten Netzes herumschwimmen und, ja doch, sich irgendwann auch gegenseitig bekämpfen. Die meiste Zeit aber sind sie friedliche Botschafter, Moleküle und Enzyme des großen WWW-Kosmos.

Die ersten Prototypen dieser Bots sind heute schon im Netz unterwegs. Sie sind natürlich noch ziemlich primitiv. »Die erste Generation der Einkaufs-Bots beschäftigte sich nur mit Preisvergleich«, sagt Alex Kleiner, der Präsident von Frictionless Commerce, einer MIT-Tochter, die sich mit der Entwicklung der neuen, flüssigen Märkte beschäftigt. »Die nächste Generation wird wertorientiert arbeiten, sie wird um Garantien und Serviceverträge verhandeln können. Wenn man erst einmal einen virtuellen Raum erzeugt hat, in dem Werte gehandelt werden, kann man Stück für Stück Mehrwert hinzufügen und dies vorwärts und rückwärts verhandeln.«6

Ein personalisierter Bot kennt meine spezifische Bedürfnislage. Er weiß, dass ich mich für Börsenkurse, Briefmarken oder historische Schiffe interessiere. Er kennt meinen Kontostand und ist deshalb weise genug, meine Vorliebe für schnelle Cabriolets diesem anzupassen: Wenn mein Konto weniger als den notwendigen Plusstand für ein schnittiges Oben-ohne-Auto aufweist, wird er die aktuellen Preisangebote für Cabrios diskret in die obere Ecke des Bildschirms verbannen und stattdessen Geldanlageangebote und Sparvorschläge etwas größer präsentieren …

Eine Bot-Ökonomie wird die festen Grenzen von Angebot und Nachfrage, Kauf und Verkauf, endgültig transzendieren. Bots werden auch das Zeitalter der Portale überwinden und schließlich die Ära des (heutigen) E-Commerce hinter sich lassen. In der Welt des E-Commerce gibt es schließlich noch alles, was wir aus der Alten Ökonomie kennen, nur in virtueller Form – der Händler befindet sich statt an der nächsten Straßenecke im Netz. In einer Bot-Economy hingegen wandert das Portal auf meinen heimischen Computer. Ich schaffe mir eine Truppe elektronischer Dienstboten, die meinen Zugang zum Meer der Informationen regelt und organisiert.

Statt eines großen Amazon.com Abermillionen individualisierter Info-und Shopping-Portale – wie wird das unsere Handelslandschaft verändern? Werden die Marken, als eherne Statthalter der alten Konsumwelt, zu den aussterbenden Arten gehören? Eben nicht! Marken werden dann Bot-Typologien sein, die wir für monatliche Unterhaltsgebühr »adoptieren«. Leben Sie Ihr Leben im H&M-Stil: Wir bieten den besten und schnellsten Stil-Bot für Wohnung, Kleidung und Beziehungsgestaltung. Leben Sie, wo immer Sie wollen, wir kümmern uns um Ihren Up-to-date-Lebensstil. Garten, Wohnung, Küche, Reisen, Kleidung komplett —für nur zwölf Prozent Ihres Gesamteinkommens.

In der virtuellen ökonomischen Welt der Zukunft werden Schwärme von Bots gegeneinander und miteinander kooperieren und kommunizieren. Sie werden Preise aushandeln und eigenständig adjustieren. Sie werden Waren auf den Markt bringen und eigenständig verkaufen. Sie werden Innovationen und Firmen, Intelligenzen und Teams bewerten. Sie werden zeitweise Handelskriege führen, Blockaden beschließen und sich zu bösen Mächten zusammenrotten, aber wir werden ihre Algorithmen verbessern, sodass mörderische Preiskriege überwunden werden.

Die Muster, die diese Bots auf unseren Bildschirmen und Ausgabegeräten hinterlassen, werden auf beunruhigende Weise an das »Spiel des Lebens« erinnern, an jene fraktalen Muster, die die Lebenssimulationen erzeugen. Die Preisentwicklung des Automarkts wird baumähnliche Strukturen hinterlassen, wobei die Kronen und Blätter sich nach den ökologischen Knappheiten der Rohstoffe, der Kreativität der Designer und der Erleuchtung der Automarken richten.

Und die Menschen? Die Menschen können sich wieder ein kleines Stück mehr der Muße zuwenden, der Kreativität, der schöpferischen Gestaltung, dem Leben selbst …

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