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Die Rolle der Medien

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Der kanadische Zukunftsforscher Thomas Homer-Dixon beschreibt die Lage an der Front der modernen Medienkultur so:

»So viele Informationen und so viele Ideen konkurrieren um den limitierten Raum in unserem Bewusstsein! In diesem extrem konkurrenten Sinn-Universum müssen Ideen einfach, unreflektiert, ja roh sein, um zu gewinnen. Slogans und Dogmen dominieren. In einer Zeit, in der die Herausforderungen und die Komplexitäten des Lebens wachsen, zwingt uns die Info-Flut zur Vereinfachung, zu Sensationismus – dazu, komplexe Dinge in zwei simplifizierte Seiten aufzuspalten«.18

Interessant auch, was nicht in den elektronischen Medien vorkommt. Ein indisches Middleclass-Wohnzimmer haben wir im Fernsehen noch nie gesehen – obwohl es inzwischen so viele indische Middleclass-Haushalte gibt wie europäische. Warum? Weil dies keine interessante »Wahrnehmungsdifferenz« ergibt. Es stört unsere Klischees und unser Weltbild. Hungernde Slum-Kinder in Kalkutta aber erzeugen einen medial verwertbaren Reiz – »denen geht es ganz anders als uns« – schon fließt wieder die Währung der Aufmerksamkeit, der Schuldgefühle und der zum Nulltarif zu habenden »Betroffenheit«!

Und natürlich ist das Dementi nie eine Meldung!

 Immer weniger Kindermorde in Deutschland (die Rate hat sich seit den 70er Jahren um zwei Drittel verringert).

 Kriminalitätsrate in den USA sinkt weiter (um fast 50 Prozent seit 1990 in vielen Großstädten).

 Schon wieder weniger Kinder in Bangladesh (die Geburtenrate dort fiel in 15 Jahren um die Hälfte).

 Südlich der Sahara entstehen immer mehr fruchtbare Ackergebiete (die Wüste weicht deutlich nach Norden zurück). Immer mehr Kinder werden gewaltfrei erzogen.

All diese Meldungen sind wahr. Letztere erschien 9. Februar 2002 in der Süddeutschen und der Welt. Allerdings unter »Vermischtes«, auf den Seiten 32 und 34. Hingegen fand sich eine andere Titelstory zeitgleich im Stern 28/2001 – 16 Seiten lang:

»Kaputte Kids

Jedes fünfte Kind in Deutschland ist psychisch und physisch derart angeschlagen, dass es Hilfe bräuchte. Auch viele Sprösslinge aus so genannten heilen Familien leiden – und die Eltern merken oft nichts. Kopf- und Magenschmerzen sind die ersten Symptome für die seelische Krise. Rund jedes dritte Kid leidet unter Phobien wie Angst vor Dunkelheit oder Tieren, ist häufig oder mindestens manchmal deprimiert und macht sich (zu) viele Sorgen.«

Sind Angst, Dunkelheit und Tiere kein Grund, sich zu fürchten (mein Gott, was haben wir uns früher als Kinder gefürchtet!)? Gab es früher keine kaputten Kids in heilen Familien (ich kann mich an unglaubliche Katastrophen in meiner behüteten Jugend erinnern!). Unter einem bestimmten Blickwinkel wird alles Leben zur Pathologie…

Manchmal allerdings lässt sich dann doch nicht eine positive Wendung vermeiden. Wie in einer typischen Spiegel-Geschichte über den Amazonas. Dort hieß es im Vorspann:

»Nach zehn Jahren Öko-Aktivität zeigt die Schlacht um den brasilianischen Regenwald Wirkung. Am Amazonas wird weniger Wald vernichtet als je zuvor, im Dschungel hat sich ein Netzwerk gut gemeinter Projekte etabliert.

Doch werden die Rätsel des Waldes den Helfer-Tourismus überleben?«

Das ist die Aber-Krankheit. Der Aberismus, der aus jedem Positiven noch das Negative herausquetscht.

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