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Kapitel 23: Die Mail trifft ein

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Genf, 2016, Weltgesundheitsorganisation, WHO, 03:17 Uhr Ortszeit

Victor Schranz saß an seinem Schreibtisch, während er, die Füße hochgelegt, in einem Männermagazin blätterte. Um die leidigen Nachtschichten durchzustehen, schwor er auf das »Wachhalteelixier«, bestehend aus Kaffee und Gummibärchen. Seine Aufmerksamkeit galt ganz und gar einer schönen Brünetten, die sich lediglich mit Stringtanga bekleidet auf einer schräg über dem weißen Sand gewachsenen Palme eines karibischen Strands räkelte. Wie gerne würde er in diesem Augenblick neben der Palme sitzen und ihr das Händchen halten! Er schmunzelte und schlürfte am heißen Kaffeebecher. In dem Moment, da er in erwartungsvoller Spannung die Seite umblätterte, um sich der nächsten lasziven Pose des Mädchens verträumt hinzugeben, erfasste er aus dem Augenwinkel heraus eine Mitteilung am Monitor des PCs.

»Eine neue Nachricht befindet sich in Ihrem Postfach«, war der lapidare Hinweis am Bildschirm.

Nicht gerade jetzt, dachte Schranz, doch der Job gebot, alle eingehenden Meldungen umgehend zu prüfen. Er nahm die Füße vom Tisch, stopfte eine Handvoll Gummibärchen in den Mund und bewegte den Cursor der Maus zum Öffnen der Mail.

Absender: eine Klinik in Léo, Burkina Faso. Verfasser: Dr. Jamal Guambo – wer auch immer das sein mochte. Rasch überflog er schmatzend den elektronischen Text, um dann den gesamten Inhalt konzentriert Zeile für Zeile neuerlich zu erfassen. Nachdem ihm die Kernaussage der Mitteilung bewusst wurde, schluckte er den Rest der Süßigkeit auf einmal und griff postwendend zum Hörer des Telefons.

Nach dreimaligem Läuten meldete sich eine verschlafene Stimme: »Ja.«

»Dr. Kleinschmidt, hier Schranz. Sie müssen unverzüglich in die Zentrale kommen.« Victor schilderte in wenigen Sätzen das Wesentliche der soeben eingetroffenen Mail und noch während er sprach, vernahm er ein Klicken in der Leitung.

Vierzig Minuten später stand Dr. Kleinschmidt, mit dem Mailausdruck in der Hand, in Schranz’ Büro. Dann begutachtete Victors Chef am Monitor die Bilddateien, die als weitere Anlagen der Mail aus Burkina Faso angefügt waren.

»Geben Sie W69 durch«, wies Dr. Kleinschmidt Schranz an. »In einer Stunde – Konferenzraum Schweiz.« Der Vorgesetzte stand bereits im Türrahmen, als er sich nochmals an Schranz wendete: »Leiten Sie die Mail umgehend an meinen Account.«

Bei »W69« handelte es sich um eine der Vorschriften oberster Priorität. Ein exakter Ablaufplan, wie in Krisensituationen vorzugehen sei und welche Personen informiert werden mussten. Victor Schranz öffnete ein Programm auf seinem Rechner und verfasste folgende Notiz: »W69 – Stopp – Raum Schweiz – Stopp – 05:30 Uhr – Stopp.« Nachdem er die Sende-Taste gedrückt hatte, ertönte ein schriller Signalton auf insgesamt zwölf mobilen Piepsern innerhalb des Stadtgebietes von Genf.

Chris Owen - Die Wiedergeburt

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