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Kapitel 33: Der Besuch
ОглавлениеWashington, D. C., Oktober 2022
»Bitte, kommen Sie herein.«
»Schön, dass Sie die Zeit gefunden haben, Mrs. Owen.«
»Wenn ich über etwas verfüge, dann ist es Zeit, Miss Rudolph«, grinste Sandra. »Na ja, die Kinder rauben sie einem schon.«
»Sind sie denn hier?«, fragte Miss Rudolph.
»Nein; Marc, mein Schwager, ist mit ihnen zum Footballspiel der Redskins gefahren. Somit haben wir alle Zeit der Welt. Wollen wir Tee auf der Terrasse trinken? Es ist ja noch angenehm warm im Freien.«
Miss Rudolph folgte Sandra in den Garten und nachdem diese den Tee eingeschenkt hatte, machten es sich beide in den Gartenstühlen bequem.
»Unsere Direktorin, Mrs. Doyle, hatte mich bei der Einschulung schon auf Chris aufmerksam gemacht. Sie schilderte mir das Gespräch, welches sie mit Ihnen geführt hatte.«
Sandra schwieg, denn bis hierher waren ihr diese Fakten bekannt.
»Sie fragen sich bestimmt, warum ich heute hier bin.«
»Ich hoffe, Sie werden es mir gleich verraten«, antwortete Sandra.
»Mrs. Owen, zugegeben, ich bin noch eine junge Lehrkraft; also, was ich damit sagen will, ist: Mein Erfahrungsschatz Schüler betreffend hält sich gewiss in Grenzen, doch man braucht kein Hellseher zu sein, um die fantastische Entwicklung von Chris zu erkennen.«
»Sie sagen es«, erwiderte Sandra, noch immer im Dunkeln tappend, worauf Miss Rudolph hinauswollte.
»Chris ist definitiv seinen Altersgenossen um Jahre voraus.«
»Um wie viele Jahre?«, hakte Sandra nach.
»Genau das ist der Punkt, warum ich um das Gespräch gebeten habe. Ich kann es Ihnen nicht sagen. Und eben das birgt eine enorme Gefahr.«
»Von welcher Gefahr sprechen Sie? Doch nicht von Chris ausgehend?«
»Nein, nein, verstehen Sie mich nicht falsch! Meine Befürchtung ist, dass Chris in die falschen Hände gerät. Noch nie habe ich einen sechsjährigen Jungen mit derart herausragenden Fähigkeiten erlebt. Tatsächlich existieren Einrichtungen, welche speziell für Hochbegabte konzipiert sind. Doch ist es wirklich das, was Sie für Ihren Sohn wollen?«
»Ich bin mir nicht sicher, Miss Rudolph. Was hätte es für Konsequenzen?«
»Wenn Sie meine ehrliche Meinung hören wollen, schockierende. Gleich einem Versuchskaninchen rauben wir ihm seine Jugend. Er mag zwar ausgesprochen intelligent sein, doch für die Entwicklung eines Kindes ist das soziale Umfeld der Familie und Freunde durch nichts anderes ersetzbar.«
»Sie glauben, man würde ihn mir wegnehmen?«
»Ich befürchte ja. Mein Gefühl sagt mir, Chris ist einzigartig. Es würde mich nicht wundern, wenn er mit sieben zu studieren beginnen würde.«
»Nun übertreiben Sie aber«, lächelte Sandra die Lehrerin an.
Doch Miss Rudolph blieb ernst. »Ich übertreibe nicht, Mrs. Owen.«
»Jetzt machen Sie mir Angst«, erwiderte Sandra.
»Dann sind wir schon zu zweit, doch ich habe einen Vorschlag.« Interessiert blickte Sandra zu Miss Rudolph. Diese beugte sich über den Tisch und flüsterte, als ob sie einer konspirativen Sitzung beiwohnte. »Was, wenn ich Chris in meine ganz besondere Obhut nehmen würde? Natürlich gemeinsam mit Ihnen. So wäre sichergestellt, dass wir allzeit die Kontrolle behalten und Chris nicht wie eine Laborratte behandelt wird.« Mit großen Augen blickte Miss Rudolph erwartungsvoll zu Sandra.
»Ich denke darüber nach und bespreche das mit der Familie. Im Besonderen mit Chris. Wie sähe denn Ihre – wie sagten Sie – Obhut aus?«
»Chris geht weiterhin in meine Klasse. Wir sollten mit ihm besprechen, dass er möglichst unauffällig bleibt. Um seine Talente kümmere ich mich in meiner Freizeit. Das würde bedeuten, dass wir uns häufiger sehen, da ich das nicht auf dem Schulgelände durchführen möchte. Am besten hier bei Ihnen. Wir haben Platz und Sie hätten ständig die Übersicht. Wie hört sich das für Sie an, Mrs. Owen?«
Sandra überlegte kurz. Dann sagte sie: »Sandra. Nennen Sie mich Sandra.«