Читать книгу Weiberroman - Matthias Politycki - Страница 137

Dabei ist sie total unblond

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und kommt folglich sowieso nicht in Frage, haderte Gregor mit seiner Vergangenheit, als er am Sonntag durch die leere WG strich, die Tür zum Zimmer von John & Ann stand unverschämt weit offen, und auch Silvano hatte bei diesem Wetter die Flucht nach vorn angetreten. Wie die Vögel heut wieder brüllten, man bekam richtig Lust, sich die Ohren zuzuhalten! Wie der Zabransky, quer übern Hinterhof, von Fenster zu Fenster, seinen Schmäh mit der Smejkal Emilie führte, der verhutzelten Amtsoberinspektorswitwe vom dritten Stock, man bekam richtig Lust, sich die Ohren zuzuhalten! Richtig Lust.

Warum das ziellose Hin-und-Her dann wieder mal vor dem Spiegel endete, der, über & über mit Zahnpastaspritzern besprenkelt, im Bad hing, war sicher nicht die allerdringlichste Frage. Warum er darin jedoch nach wie vor so aussah, als mache er gerade seine Aufnahmeprüfung fürs Gymnasium: der böse, der gefährliche, der welterfahrne Schattschneider Gregor – das war schon eher was, über das man in tiefes Schweigen versinken konnte. Zwar fielen ihm die Haare inzwischen bis auf die Schultern, waren Hemden wie Hosen glaubwürdig ausgewaschen, glaubwürdig abgewetzt, hatte sich die Nickelbrille, mit der sein Leben ja erst begonnen, an den Bügelscharnieren grünspanmäßig stark verbessert. Aber was half das alles, wenn sich darunter, wenn sich darinnen, wenn sich dahinter noch immer der Gregor von einst verbarg; was half’s, daß der neuerdings den Mund, mitunter gar: das Maul recht voll zu nehmen wußte (sofern dabei mindestens ein Ecki assistierte): Dieser ungrimmige Gesichtsausdruck machte jede noch so perfekt formulierte Frechheit zu einem parfümierten Furz! Nirgendwo Falten, nichts von einem stahlblauen Blick nach vorn: als ob er überhaupt nichts erlebt hätte! Wer wollte denn gleich aussehen wie Clint Eastwood[89]; andrerseits: Mit bloßem Abwarten würde’s nicht getan sein.

Gregor nämlich hatte schon viel zuviel abwarten wollen, Gregor wußte, daß er schon viel zuviel hatte abwarten wollen, Gregor drängte’s zu handeln: »Ich tu’s ich tu’s ich tu’s!« zischte er seinem Spiegelbild zu, und er wußte auch wie: »Am selben Ort, zur selben Zeit.«

Da er folglich fast eine Woche zu überbrücken hatte, nagelte er erst mal seine abgeschnittnen Hemdkrägen an die Wand – nicht ohne sie zuvor ausgiebig zu beschnüffeln. Nagelte, obwohl heut Sonntag war und der Zabransky schon öfters bei ihnen vorstellig geworden, um die Sonntagsruhe anzumahnen, nagelte seine Krägen an die Wand, weil heut Sonntag war und zumindest die Kreuzberger Hermine dann gleich von der andern Seite dagegenklopfen würde. Und auch ihr Mann, der Otto.

Aber solange man hämmerte, ließ sich ein bloßes Klopfen leicht überhören.

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