Читать книгу 3000 Plattenkritiken - Matthias Wagner - Страница 10
The Rolling Stones „Steel Wheels” (1989)
ОглавлениеKlar: Solche Rockfossilien kann man als Spättwen nicht nur mit den Ohren der 80er hören. Eine neue Stones-Scheibe aufzulegen heißt auch, gerührt der knisternden Klassiker im Regal zu gedenken. Schließlich war „Satisfaction“ einmal die Hymne aller Unbefriedigten und somit ungefähr das wichtigste Stück der Welt – auch wenn man’s, wie ich, erst spät kennenlernte, weil bei der Erstveröffentlichung noch in dumpfer Kindheit musik- und ahnungslos dahindämmernd. Aber als pubertierender Teenager zu „Angie“ den Klammerblues getanzt zu haben, prägt fürs ganze Leben. Genau das jedoch macht es so schwer, „Steel Wheels“ gerecht zu bewerten: Man hat einfach zu viel im Kopf. Dennoch, selbst unter Berücksichtigung und anschließender Eliminierung dieses Faktums, klingt die Platte ziemlich fad. Das fängt beim leblos-nichtssagenden Außencover an, wird von einem brüllend erstarrten Mick Jagger auf der Innenhülle kurz revidiert, ehe die durchweg mittelmäßigen Tanzliedchen im immergleichen Takt den Eindruck bestätigen. Zwischendurch ein paar Balladen: mal angereichert mit Klassikgitarre („Almost hear you sigh“), mal mit juchzendem Hintergrundchor, dem man jedoch eine gewisse Selbstironie zugestehen könnte („Blinded by Love“). Aber Gänsehäute? Ewige Wahrheiten? Weder noch. Allenfalls der in karger Viererbesetzung eingespielte Hardrocker „Hold on to your Hat“ lässt erahnen, welche Energie und Kraft den englischen Rotzlöffeln der 60er einmal eigen war. Das Problem ist: Die Jungs von einst sind alt geworden, wollen aber partout noch up to date sein. Alle Songs sind darum modisch aufbereitet, es findet sich gar ein ganz im Trend liegender Ausflug in den Ethnobeat (kaschiert als Hommage an den lang verstorbenen Rolling Stone Brian Jones). Mick Jagger, Keith Richards, Charlie Watts, Bill Wyman und Ron Wood bilden nunmehr eine Rentnerband am Rande des musikalischen Mittelmaßes, die sich mit perfekter Routine über die Zeit rettet. Und weil die Kreativität längst flöten ist, Richards die genialischen Riffs und Jagger die zeitlosen Melodien ausgegangen sind (was ihnen nach 30 Jahren auch zugestanden sei), fügen sie der schier endlosen Reihe ihrer Klassiker keinen neuen hinzu. „All I want is ecstasy“, singen sie auf „Shipping away“ und werden ihrer ebensowenig teilhaftig wie wir. Immerhin: Sie waren einsichtig genug, diesen Song, einen melancholischen Exkurs über Vergänglichkeit, ans Ende zu stellen.