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Van Morrison „Avalon Sunset” (1989)
Оглавление„Don’t wonder why“ beschwor er uns schon vor über 20 Jahren auf seinem Meisterwerk „Astral Weeks“, das in seiner filigranen Leichtigkeit geeignet schien, die Gesetze der Gravitation aufzuheben. Er war jung, 23 erst, und sang schon wie ein Meister. Seine Gedichte verwandelte er in vokale Klanggebilde voll farbenprächtiger Phrasierungen und hypnotischer Wiederholungen, er schuf Songskulpturen jenseits aller Zeiten und Stile. Später, viele Jahre später – er war nun erdiger geworden, hatte die Einzigartigkeit der „Astral Weeks“ wohl selbst erkannt und keine Kopien abliefern wollen – beschäftigte ihn noch immer das Warum. „It ain’t why, it just is“, hieß es 1980 ganz apodiktisch auf „Common one“. Das war immer die Basis gewesen, von der aus er seine persönliche Mystik hatte entwickeln können. Von hier aus hatte er kommuniziert mit magischen Mächten, die auch seine Natur- und Liebeslyrik immer wieder beschwor. Es war die diffuse, geheimnisvolle Aura seiner Texte, die sie einer eindeutigen religiösen Zuordnung enthob und so auch die Rationalisten unter seinen Fans nicht vollends verschreckte. „It ain’t why, it just is“: Das ging in Ordnung. Aber jetzt, nach „Avalon Sunset“ nicht mehr. Zwar ist des Iren Stimme noch immer für Gänsehäute gut; zwar hat er den Sound der letzten Platten (vom „Irish Heartbeat“-Folkausflug mit den Chieftains einmal abgesehen) weiter kultiviert, lässt sich noch immer umwogen von einem melancholischen Klangmeer aus schweren, verhallten Drums, breiten Streicher- und Keyboardgrundierungen, perlendem Piano und Grummelbass. Doch die Morrison’sche Mystik ist dahin, er ist (reuig?) ins christliche Lager eingekehrt. Nun also: konkrete Bekenntnisse statt dunkler Ambivalenz. Wer das eröffnende Duett mit Cliff Richard noch überstanden hat, wird sich spätestens vom fast militanten Missionseifer einer Zeile wie „Whatever it takes to fulfill his mission, that is the way we must go“ schaudernd abwenden. Wie bewegend dagegen die anrührende Rezitation des Gedichtes „Coney Island“, wenn Morrison sich ganz auf seine lyrische Sensibilität und Beobachtungsgabe verlässt – leider eine Ausnahme. „Avalon Sunset“ ist ein vorwiegend balladeskes Album, dem vor allem Georgie Fames Hammondorgel und die pieksende Akustikgitarre des furiosen Arty McGlynn musikalische Farbe verleihen. Wären da nur nicht diese Sonntagsschulentexte, die plagen bis zum letzten Song. I wonder why, Van.