Читать книгу Im Auto um die Erde - Max Reisch - Страница 7
Auf vier Rädern
ОглавлениеDie prächtige Limousine • Wer fährt mit? • Der richtige Partner • Helmuth
Hahmann, Chefingenieur und Kameramann • Karosserie nach eigenen Ideen •
Expeditionsgepäck in Hülle und Fülle • Aber die Erleuchtung kam zu spät
Ich war noch wie betäubt und wusste nicht, ob ich mich freuen sollte. Im Resselpark, hinter dem Verwaltungsgebäude der Steyr-Daimler-Puch AG, stürmten die Gedanken auf mich ein. Lach ein bissl, drängten sie. Jetzt wirst du dir nicht mehr die Knie zerschinden und die Waden verbrennen am heißen Auspuff und Gepäck kannst du mitnehmen, soviel du willst! Sogar den Tennisschläger! Du bist ein Schuft, mahnten sie dann gleich darauf; hat dich dein Motorrad nicht treu und brav bis nach Indien gebracht? War es nicht dein guter Freund? Und jetzt lässt du es im Stich! Dieser Gedanke war mir schmerzlich. Denn ich war verliebt in mein Motorrad, in die vielen gemeinsamen Erinnerungen und auch in seine kraftvolle Sprache. Ob dem Motor zu heiß war oder zu kalt, ob er freudig arbeitete oder widerwillig, ob das Benzin gut war oder schlecht, ob ihn ein geheimnisvolles Leiden zu quälen begann, das alles sagte mir sein Klang. Und nun sollte ich mein sprechendes Motorrad mit einem lautlosen Automobil vertauschen. Das war mir neu und fast unheimlich. Außerdem konnte ich nicht Autofahren.
Das Motorrad beherrschte ich, das Auto war ein großes Fragezeichen und in ein paar Monaten sollte ich damit nach China fahren …
Der Generaldirektor musste ein beachtliches Vertrauen haben. Er dachte sich wohl: Auto oder Motorrad ist im Grunde dasselbe. Viele Leser dieses Buches werden ähnlicher Auffassung sein.
Ich war es von allem Anfang nicht und versuchte mich umzustellen. Trotzdem beging ich einige prinzipielle Fehler, die mir auf der Reise zu schaffen machten. Das wird sich im Näheren noch zeigen.
Während ich so durch den herbstlichen Resselpark wanderte und der Zweifel an mir nagte, sah ich die Vision des Expeditionswagens in der Wüste, im Dschungel, in China und schließlich eine glückliche Heimkehr. Hatte ich nicht immer einen guten Stern gehabt? Meine Mutter behauptete es. Und war es nicht mehr als ein Zufall, dass ich gerade heute, am 2. Oktober, zum Generaldirektor bestellt worden war? An meinem Geburtstag!
In den folgenden Monaten hatte ich reichlich zu tun. Wie durch ein Wunder war mir der »Knopf zum Studium« aufgegangen und ich legte eine Prüfung nach der anderen ab. Ich machte schnell den Führerschein und übte fleißig. Urkomisch eigentlich: Jemand wird mit einer Auto-Expedition betraut und kann nicht Autofahren …
Die Limousine, die der Herr Generaldirektor »zum Üben« bereitstellen ließ, war der letzte Schrei der Automobil-Technik: ein robuster Motor, Vier-Zylinder, 1360 ccm, 32 PS, in einem sehr soliden Rahmen mit Schwingachsen an allen Rädern, Öldruck-Bremsen und Zentralschmierung. Der Druck auf ein Pedal genügte und alle Gelenke wurden gleichzeitig mit Öl versorgt. Die Karosserie war die erste serienmäßige Stromlinien-Karosserie der Welt und die beiden Türen auf jeder Seite wurden durch keinen Mittelpfosten eingeengt. Der »Hunderter Steyr« war genial. Konstruktion des Porsche-Schülers Ing. Jentschke in den Steyr-Werken.
Für die Expedition hatte ich mir vom Werk nur das Chassis erbeten. Bezüglich des Aufbaues wollte ich meine eigenen Ideen verwirklichen: Auf die damals üblichen Trittbretter, die den Fahrgastraum in seiner Breite einschränken, verzichtete ich und nützte die ganze Breite, um drei Sitze nebeneinander unterzubringen. Fast nebeneinander, muss ich verbessern, denn der mittlere Sitz war um etwa einen Viertel Meter zurückgesetzt. Das gab für alle drei mehr Schulterraum und außerdem war trotz Schalt- und Bremshebel in der Mitte genügend Platz für die Beine des Mittelsitzers. Diese Anordnung ergab ferner, dass hinter den beiden Außensitzenden zwei sehr praktische Kästen für Kleinkram angeordnet werden konnten. – Auf Türen verzichtete ich zur Gänze. Zwei, wie mir schien, sehr elegante Ausnehmungen in den Seitenwänden, an deren »Schwung« ich lange und mit Liebe gezeichnet hatte, ermöglichten einen erträglich bequemen Einstieg. Das Ganze sah, wie später festgestellt wurde, einem Jeep recht ähnlich. Freilich, der Jeep ist erst 5 Jahre später erfunden worden.
Warum drei Sitze: um dann und wann einen Begleiter oder Dolmetscher mitnehmen zu können. Eine Zeit lang fuhr sogar ein amerikanischer Arzt mit uns.
Im hinteren Teil des Wagens war viel Platz für Wassertanks, Benzinkanister, Ersatzteile und persönliches Gepäck. Es war sogar zu viel Platz vorhanden! Dadurch wurde ich verleitet, nach der Kargheit auf den beiden Motorradreisen, nun den Maßstab zu verlieren und manchen Luxus an Bord zu nehmen, den ich jetzt glaubte, mir leisten zu können. Das gab Schwierigkeiten! Der Wagen war nun mit Ersatzteilen und persönlichem Kram schwer überladen. Dieser entscheidende Fehler hätte die Expedition fast zum Scheitern gebracht.
Doch nochmals zurück zur schönen Limousine und meinen Fahrübungen. Ich wagte es nicht, mit diesem Luxuswagen vor der Universität aufzukreuzen; ich ließ ihn in der Nähe in einer Seitengasse stehen und ging brav zu Fuß die letzten paar hundert Meter. Denn ich wollte nicht den Neid oder zumindest die Missgunst der Dozenten und Professoren erregen. Das Auto kostete damals öS 7.000,- und nur Schwerverdiener konnten es sich leisten. Mit der Straßenbahn fuhr man um 12 Groschen und ein Mittagessen in der Mensa kostete 90 g. Ich erinnere mich genau, dass kein einziger Professor ein Auto besaß. Ich war der Einzige und begreiflicherweise ließ ich es niemanden wissen. Außer natürlich meinen Reisebegleiter, Helmuth Hahmann, der ein sehr geschickter Techniker war. Er hatte sich auch der Mühe unterzogen, einen Spezialkurs bei den Steyr-Werken zu machen. Das haben wir dann auch dringend gebraucht, denn nicht weniger als dreimal brach das Differenzial. Einmal schon in Arabien, dann im Dschungel von Thailand und das dritte Mal in Mexiko. Diese bei einem Schwingachswagen sehr schwierigen Reparaturen und die ganze laufende Pflege des Fahrzeugs hat Helmuth Hahmann in mustergültiger Weise gemeistert. Dafür bin ich ihm dankbar, ebenso für die gewissenhafte Führung des Bordbuches und die Überlassung seiner Tagebücher, die mir viele Einzelheiten wieder nahegebracht und den vorliegenden Bericht bereichert haben. Auch hat er mir seine Filme überlassen, sodass schließlich im Jahre 1983 aus unseren beiden Filmen vom ÖAMTC der neue Tonfilm »Auf den Spuren Sven Hedins« geschaffen werden konnte.
Sven Hedin. – Ja, wir fuhren am ersten Teil der Reise auf den Spuren des großen schwedischen Geographen, der mir immer Vorbild gewesen war. Er und natürlich auch mein Lehrer für Verkehrs- und Wirtschaftsgeographie, Prof. Bruno Dietrich, haben meine Reisen inspiriert und ihnen zum Start verholfen.
Wie lautete der Auftrag, was hatte Generaldirektor Götzl gesagt: Nehmen Sie doch unsere neue Type 100, fahren Sie damit quer durch Asien, vom Mittelmeer zum Gelben Meer.
Dass daraus ab Shanghai eine Reise rund um die Erde werden sollte, stand noch in den Sternen. Die »Transasien-Expedition« von Haifa bis Shanghai mit einer Länge von ca. 23.000 km hatte ich mit 9 Monaten berechnet, es wurden 14 Monate daraus und die ganze Reise um die Welt hat schließlich 19 Monate gedauert, genau vom 23. April 1935 bis 7. Dezember 1936.
Es ist gut, dass wir diesmal noch vieles nicht wussten, besonders, dass wir allein für Hinterindien ein halbes Jahr brauchen würden. Es war allerdings auch die absolut erste Durchquerung von Burma und den Shansaaten (Goldenes Dreieck), Thailand, Laos und heutigem Vietnam.