Читать книгу Kartell Compliance - Max Schwerdtfeger - Страница 155
1. Missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung – Generalklausel und Beispielkatalog
Оглавление44
Sowohl nach deutschem als auch nach europäischem Recht ist nicht die Erlangung oder Innehabung der marktbeherrschenden Stellung, sondern deren missbräuchliche Ausnutzung (§ 19 Abs. 1 GWB, Art. 102 AEUV) verboten. Dabei werden mit den Missbrauchstatbeständen sowohl Missbrauchsfälle auf Anbieter- als auch auf Nachfragerseite erfasst.
45
Weder das GWB noch der AEUV enthalten eine Definition des Missbrauchstatbestandes. Die Auslegung des allgemeinen Begriffs erfolgt im Kontext mit den allgemeinen Zielen des Kartellrechts, unter besonderer Berücksichtigung des funktionalen Zusammenhangs mit dem Begriff der marktbeherrschenden Stellung. Für den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung ist weder Kenntnis noch Verschulden erforderlich, es handelt sich um einen rein objektiven Begriff.[73] Nach dem EuGH ist ein Verhalten dann als missbräuchlich einzustufen, wenn es „die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behindert, welche von den Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Marktbürger abweichen.“[74]
46
Zur erleichterten Anwendung wurde sowohl im nationalen als auch europäischen Recht die Generalklausel durch einen Beispielkatalog („insbesondere“) konkretisiert. Die Beispiele sind nicht abschließend und nennen lediglich Fälle, in denen regelmäßig von einem Missbrauch auszugehen ist. Dabei deckt sich Art. 102 AEUV in materieller Hinsicht weitestgehend vollständig mit dem deutschen Recht. Die insbesondere im europäischen Recht herausgebildeten Fallgruppen, lassen sich daher auch problemlos in den Beispielkatalog des § 19 GWB einfügen. Im Folgenden wird auf die wichtigsten Abgrenzungen und Fallgruppen rechtsübergreifend eingegangen werden. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auch auf die von der Kommission im Jahr 2009 veröffentlichten Erläuterungen zu ihren Durchsetzungsprioritäten im Rahmen des Art. 102 AEUV hinzuweisen.[75]