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dd) Ausbeutungsmissbrauch im Rahmen des Anzapfverbots (§ 19 Abs. 2 Nr. 5 GWB)
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Eine Besonderheit gegenüber dem europäischen Recht findet sich in § 19 Abs. 2 Nr. 5 GWB – das sog. Anzapfverbot. Die durch die 8. GWB-Novelle 2013 neu in § 19 GWB aufgenommene Norm beinhaltet einen Tatbestand des Missbrauchs von Nachfragemacht. Damit soll verhindert werden, dass sich marktmächtige Nachfrager vor deren Wettbewerbern Vorteile verschaffen. Während nach der herrschenden Meinung die Vorschrift nicht den Schutz der Marktgegenseite (Anbieter) vor Ausbeutung bezweckt,[104] ist das Bundeskartellamt anderer Auffassung und bezieht den Anbieter in den Schutzbereich mit ein.[105] Hintergrund der Regelung ist, dass ein Nachfrager seine marktbeherrschende Stellung nicht dazu ausnutzen darf, um einen von ihm abhängigen Anbieter zur Gewährung von sachlich ungerechtfertigten Vorzugsbedingungen, die andere vergleichbare Nachfrager nicht erhalten, zu veranlassen. Mit Vorteilen i.S.d. Abs. 5 können insbesondere Sonderrabatte, zum Beispiel „Hochzeitsrabatte“[106], unentgeltliche Dienstleistungen, Eintrittsgelder, Mengenrabatte und alle sonstigen günstigen Bedingungen gemeint sein. Die Vorteilsgewährung seitens des Anbieters darf nicht sachlich gerechtfertigt sein.[107]
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Im Zuge der 9. GWB-Novelle wurde der Wortlaut des § 19 Abs. 2 Nr. 5 GWB angepasst. Die neue Formulierung sollte die effektive Anwendbarkeit des Anzapfverbots sicherstellen.[108] Damit reagierte der Gesetzgeber auf die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf in der Sache EDEKA, im Zusammenhang mit der Übernahme des Discounters Plus seitens EDEKA vom Wettbewerber Tengelmann. Im Verfahren hatte das Bundeskartellamt die Kartellrechtswidrigkeit mehrerer Forderungen festgestellt, die EDEKA im Zuge der Übernahme gegenüber einigen Lieferanten erhoben hatte („Hochzeitsrabatte“). Das OLG Düsseldorf hob die Entscheidung des Bundeskartellamts auf.[109] Vor diesem Hintergrund hielt der Gesetzgeber einige Klarstellungen für erforderlich. Während der Tatbestand vor der Änderung des Wortlauts voraussetzte, dass ein marktbeherrschendes Unternehmen seine Marktstellung dazu ausnutzt, andere Unternehmen dazu aufzufordern oder zu veranlassen, ihm ohne sachlich gerechtfertigten Grund Vorteile zu gewähren, wurde im Zuge der 9. GWB-Novelle die Tatbestandsalternative des Veranlassens gestrichen. Außerdem wurde die Tatbestandsalternative des Erfordernisses der Ausnutzung der Marktstellung gestrichen. Schließlich wurde durch die neuen Kriterien in Satz 2 die Prüfung der sachlichen Rechtfertigung konkretisiert.
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Mit dem Streichen des Erfordernisses der Ausnutzung der Marktstellung soll klargestellt werden, dass bereits die Aufforderung zur Vorteilsgewährung selbst einen Missbrauch von Marktmacht darstellt, soweit keine sachliche Rechtfertigung gegeben ist. Damit ist nunmehr nicht erforderlich, dass zwischen der Marktmacht und der Aufforderung über die allgemeinen Regeln ein hinausgehender Ursachenzusammenhang bestehen muss. Dies war bislang umstritten.[110]
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Das Streichen der Tatbestandsalternative des Veranlassens war vorwiegend redaktionell begründet, da das Tatbestandsmerkmal durch die Aufnahme der Alternative des Aufforderns im Rahmen der 7. GWB-Novelle bereits seine eigenständige Bedeutung verloren hatte. Auf den tatsächlichen Erfolg des Aufforderns, als das Veranlassen, kommt es danach nicht an.[111]