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d) Marktbeherrschung auf mehrseitigen Märkten und in Netzwerken

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Wurde ein mehrseitiger Markt definiert, stellt sich im zweiten Schritt das Problem der Feststellung von Marktmacht. Allerdings sind die klassischen Marktmachtkriterien nicht vollumfänglich dazu geeignet, die Marktmacht der Unternehmen der digitalen Wirtschaft zu analysieren. Zum Beispiel kann das Kriterium der Reaktion auf Preiserhöhungen auf Märkten, auf denen Leistungen unentgeltlich angeboten werden, keine Anwendung finden. Auch wird man beim Vorliegen unentgeltlicher Leistungen die Marktmacht eines Unternehmens nicht anhand von umsatzbezogenen Marktanteilen beurteilen können. Hier können alternative Maßstäbe wie beispielsweise die Kundenzahl herangezogen werden.[67]

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Aus diesem Grund wurden auf nationaler Ebene in dem durch die 9. GWB-Novelle neu eingefügten § 18 Abs. 3a GWB eine Reihe von Kriterien aufgeführt, die bei Vorliegen von mehrseitigen Märkten und Netzwerken bei der Bewertung der Marktstellung eines Unternehmens zu berücksichtigen sind. Zweck der Aufnahme des neuen Kriterienkatalogs war die Verbesserung der Analyse der Markt- und Wettbewerbsverhältnisse sowie der Prüfung einer Marktbeherrschung. So sollten die Herausforderungen für die Anwendung des Wettbewerbsrechts im digitalen Zeitalter besser ins geltende Recht Eingang finden, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die wirtschaftliche Bedeutung mehrseitiger Märkte und Netzwerke zugenommen hat.[68]

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Nach der Gesetzesbegründung sind die Kriterien zwar speziell für die Besonderheiten von mehrseitigen Märkten und Netzwerken vorgesehen. Es soll jedoch nicht ausgeschlossen sein, sie auch in anderen Bereichen zu berücksichtigen. Dies spiegelt sich auch in der Formulierung der Vorschrift („insbesondere“) wieder. Nicht geändert hat sich jedoch die Tatsache, dass die Beurteilung der Marktstellung eines Unternehmens auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller gegebenen Umstände zu erfolgen hat. Dabei sind auch nach wie vor die Kriterien des § 18 Abs. 3 GWB, vor allem das Merkmal des Marktanteils (§ 18 Abs. 3 Nr. 1 GWB) auf mehrseitige Märkte und Netzwerke anzuwenden.[69] Kriterien, die die Vorschrift nennt, sind direkte und indirekte Netzwerkeffekte, die parallele Nutzung mehrerer Dienste und der Wechselaufwand für die Nutzer, Größenvorteile im Zusammenhang mit Netzwerkeffekten, Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten sowie innovationsgetriebener Wettbewerbsdruck.[70]

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So beruht zum Beispiel die Marktmacht von Facebook nach den Feststellungen des Bundeskartellamts im Facebook-Verfahren sowohl auf Marktanteilen bei Nutzern als auch auf identitätsbasierten Netzwerkeffekten. Auch wird die besondere Bedeutung des Besitzes großer Datenmengen erwähnt, die eine Markteintrittsbarriere darstellen könnten.[71]

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Auch wenn eine dem § 18 Abs. 3a GWB vergleichbare Regelung im EU-Kartellrecht nicht existiert, ist die Kommission bei bisherigen Fällen einzelfallspezifisch vorgegangen und hat eine Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände angestellt. So hat sie beispielsweise beim Google-Shopping-Verfahren neben den üblichen Marktanteilskriterien auch noch weitere Effekte herangezogen, die die Marktmacht eines solchen digitalen Unternehmens noch verstärken oder verfestigen könnten. So etwa die verschiedenen Netzwerkeffekte einer mehrseitigen Plattform, die Markteintrittsbarrieren durch große Investments sowie die besondere Marktmacht durch die Verschaffung von Nutzerdaten.[72]

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