Читать книгу Kartell Compliance - Max Schwerdtfeger - Страница 148

d) Marktabgrenzung bei Unentgeltlichkeit der Leistung

Оглавление

17

Der im Rahmen der 9. GWB-Novelle neu eingefügte § 18 Abs. 2a GWB stellt nunmehr für das deutsche Recht ausdrücklich klar, dass auch im Fall einer unentgeltlichen Leistungsbeziehung ein Markt vorliegen kann. Dies war bislang nicht abschließend geklärt.[26] Auch wenn dies bereits der Praxis von Bundeskartellamt und EU-Kommission entsprach,[27] sorgt die neue Regelung zumindest im deutschen Recht für eine Klarstellung und Rechtssicherheit.

18

Die Annahme, einen Markt nicht von entgeltlichen Leistungsbeziehungen abhängig zu machen, beruht der Gesetzesbegründung zufolge auf der Marktdefinition aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive.[28] Danach ist ein Markt der Ort, an dem Angebot und Nachfrage zusammentreffen und damit eine Art der Austauschbeziehung gegeben ist. Vor diesem Hintergrund liegt ein Markt nicht nur dann vor, wenn für die angebotene Leistung eine Geldzahlung verlangt wird. Dies kann vielmehr auch der Fall sein, wenn bei der Transaktion kein Entgelt übertragen wird. Damit soll die neu aufgenommene Regelung Geschäftsmodelle erfassen, bei denen Leistungen ohne direkte monetäre Gegenleistung angeboten werden. Denn auch wenn eine Leistung unentgeltlich erbracht wird, können Angebot und Nachfrage vorliegen, die einen Teil des Marktgeschehens darstellen und die Wettbewerbsverhältnisse auf dem Markt beeinflussen können.[29]

19

Dies betrifft insbesondere Sachverhalte, für die die ökonomische Wissenschaft die Bezeichnung zwei- bzw. mehrseitige Märkte geprägt hat. Diese mehrseitigen Märkte, die insbesondere im Kontext von Plattformen zu beobachten sind, sind dadurch gekennzeichnet, dass mehrere Marktteilnehmer durch jeweils wechselseitige Beziehungen miteinander verbunden sind. Dabei beeinflussen sich mindestens zwei unterscheidbare Nutzergruppen insoweit, als die Attraktivität der Plattform für die eine Nutzergruppe von der Anwesenheit und Größe der anderen Nutzergruppe abhängt.[30] Diese sog. indirekten Netzwerkeffekte findet man insbesondere im Rahmen von Geschäftsmodellen der sozialen Netzwerke wie etwa Facebook oder Instagram: Während die Plattform für die Mitglieder als eine Nutzergruppe grundsätzlich kostenlos ist, finanziert sich die Plattform insbesondere durch Werbeeinnahmen der gewerblichen Nutzergruppe (regelmäßig insbesondere durch Werbetreibende). Es kann daher für Unternehmen durchaus sinnvoll sein, im Rahmen bestimmter Leistungsbeziehungen auf die unmittelbare Erhebung eines Entgelts zu verzichten.[31]

20

Entscheidend für die Annahme eines Marktes i.S.d. Marktmissbrauchskontrolle ist daher vielmehr, dass wirtschaftliche Motive und Erwerbszwecke verfolgt werden, was sich nach der Gesamtstrategie des Unternehmens beurteilt. Dafür reicht es im Bereich der Internetökonomie aus, dass der Betreiber einer Plattform seine Leistungen (z.B. Werbung) auf der anderen Seite der Plattform gegen Entgelt erbringt. Auch kann man von einer Gewinnerzielungsabsicht ausgehen, wenn ein Unternehmen zunächst möglichst hohe Nutzerzahlen erreichen will, bevor Entgelte erhoben werden oder das Unternehmen veräußert wird.[32]

21

Der Wortlaut des neuen § 18 Abs. 2a GWB lässt offen, ob für die Annahme eines Marktes bei Unentgeltlichkeit der Leistung auch auf das Vorliegen einer konkreten Austauschbeziehung verzichtet werden kann. Nach der Gesetzesbegründung ist ein Markt aber gerade durch das Vorliegen einer Austauschbeziehung gekennzeichnet.[33] Hält man vor diesem Hintergrund an der Notwendigkeit einer Austauschbeziehung fest, so genügen nach der neuen Gesetzeslage als relevante Gegenleistungen auch unentgeltliche Leistungen im Rahmen des Austauschverhältnisses, so etwa wenn wirtschaftlich verwertbare Nutzerdaten oder Informationen preisgegeben werden.[34]

22

Auch wenn eine vergleichbare Regelung im EU-Kartellrecht fehlt, hat die Kommission auch bei Marktabgrenzungen in Fällen unentgeltlicher Leistungsbeziehungen bereits Argumentationsmöglichkeiten zur Marktabgrenzung gefunden. Dabei konnte sie nicht wie üblich preisbasierte Methoden heranziehen. Im Google Shopping Verfahren bezog die Kommission daher beispielsweise Kriterien ein wie unter anderem allgemeine Marktbeobachtungen, Googles eingebrachte Informationen und Ergebnisse von Fragebögen. Dabei wurde vor allem auf fehlende nachfrage- und angebotsseitige Substituierbarkeit für die Internetsuche, zum Beispiel durch Drittwebseiten wie soziale Netzwerke, eingegangen.[35]

Kartell Compliance

Подняться наверх