Читать книгу Der geschäftliche Betrieb als "Dritter" im Sinne des § 299 StGB - Maximilian Menn - Страница 18
II. Die Einführung der Gewerbefreiheit
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Die Französische Revolution von 1789 brachte schließlich eine durchgreifende Befreiung vom bisher nach wie vor vorherrschenden Zunftwesen. In Frankreich wurde die allgemeine Gewerbefreiheit am 1.4.1791 gesetzlich eingeführt. Damit einher ging ihre Einführung in den mit Frankreich verbundenen deutschen Ländern.[25] Die meisten anderen deutschen Staaten übernahmen die Gewerbefreiheit im Jahr 1797 nach französischem Vorbild.
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In Preußen hingegen führte erst das Gewerbesteueredikt vom 28.10.1810 zur Einführung der Gewerbefreiheit. Das Edikt regelte, dass die Ausübung eines Gewerbes lediglich von der Lösung eines Gewerbescheins abhängig war. Ausgenommen waren lediglich einige wenige Berufe, wie beispielsweise der des Apothekers, des Arztes und des Gastwirts.[26] Der Zunftzwang wurde aufgehoben und die Zünfte behielten fortan lediglich noch den Charakter freier Vereine.[27] Alle zu diesem Zeitpunkt bestehenden Gewerbeabgaben – insbesondere die Konzessionsgelder – wurden abgeschafft und durch die Einführung einer allgemeinen Gewerbesteuer ersetzt.
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Der Sieg über Napoleon hatte jedoch zunächst eine rückläufige Entwicklung zur Folge. In denjenigen deutschen Staaten, die 1797 die Gewerbefreiheit verabschiedet hatten, wurde die Zunftherrschaft wieder eingeführt. Preußen behielt zwar die Gewerbefreiheit für seine alten Gebiete, übertrug diese jedoch nicht auf die neu dazugewonnenen. Erst 1845 wurde durch den Erlass der Gewerbeordnung für ganz Preußen die Gewerbefreiheit eingeführt. Allerdings erfuhr diese auf ständiges Drängen der Handwerkerschaft schon kurz darauf durch das sog. Notgewerbegesetz von 1849 erneut teils erhebliche Einschränkungen. So wurde beispielsweise das Recht zum Betrieb eines Gewerbes abermals an die Zugehörigkeit zu einer Zunft geknüpft und die Aufnahme in diese von einer Prüfung im Anschluss an eine dreijährige Gesellenzeit abhängig gemacht.[28] Die erneuten Beschränkungen konnten jedoch den Drang der Zeit und die zu diesem Zeitpunkt bereits seit fast vierzig Jahren bestehende Gewerbefreiheit nicht mehr stoppen, und so fand das Gesetz auch kaum Beachtung.[29] Nach Erlass der österreichischen Gewerbeordnung von 1859 folgten nun schrittweise auch die deutschen Staaten, die 1815 zunächst zur Zunftherrschaft zurückgekehrt waren. Schließlich brachte der Norddeutsche Bund mit seinem Freizügigkeitsgesetz von 1867 die Gewerbefreiheit in die übrigen deutschen Staaten.[30] Dem Freizügigkeitsgesetz folgten das Notgewerbegesetz von 1868 und schließlich die Gewerbeordnung von 1869, die 1870 in Hessen, 1872 in Baden und Württemberg, 1873 in Bayern und 1889 in Elsass-Lothringen eingeführt wurde.[31]
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Die Einführung der Gewerbefreiheit bedeutete zugleich eine wesentliche Ausweitung des Wettbewerbs und Verstärkung des Konkurrenzkampfes. Das Recht auf Ausübung der Gewerbetätigkeit wurde als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit angesehen und nicht, wie es das französische Recht annahm, als besonderes subjektives Recht zur Mitbewerbung.[32] Daraus folgte zwangsläufig, dass im Wettbewerb alles erlaubt war, soweit es nicht ausdrücklich per Gesetz verboten wurde. Die liberale Wirtschaftsauffassung der Epoche, die eine Wirtschaftsordnung ohne jedwede staatliche Einflussnahme vorsah, verhinderte nicht das zunehmende unlautere Verhalten im starken Konkurrenzkampf.[33] Abgesehen von einigen Vorschriften im Warenzeichengesetz von 1874 herrschte ein „freies Spiel der Kräfte“.[34] In einer im Schrifttum viel kritisierten Entscheidung des Reichsgerichts vom 30.11.1880 wurde der unlautere Wettbewerb sogar indirekt gedeckt.[35] Das Reichsgericht ging davon aus, dass aus der Schaffung eines Markenschutzgesetzes folge, dass im Wettbewerb alles erlaubt sei, was dieses Gesetz nicht ausdrücklich verbiete, und bestätigte damit die aus der Entwicklung der Gewerbefreiheit entstandene Rechtsauffassung. Das Urteil des Reichsgerichts war in Bezug auf den unlauteren Wettbewerb exemplarisch für die Zeit von 1880 bis zum Erlass des UWG im Jahre 1896.
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Zunehmend wurde jedoch Kritik an diesem Verständnis geübt. Namentlich Kohler wendete ein, es könne schon denklogisch nicht sein, dass das Markenrecht das gesamte Wettbewerbsrecht abschließend regele.[36] Auch in einem freien Wettbewerb benötige man gewisse Spielregeln. Die liberale Rechtsauffassung bezeichnete er als „so formalistisch und kleinbürgerlich wie möglich“.[37] Es bildete sich in der Folge eine Bewegung, deren Ziel der Schutz des gewerblichen Eigentums war. So wurde am 19.12.1891 in Berlin aus mehreren Vertretern der Industrie ein „Verein für den Schutz des gewerblichen Eigentums“ gegründet, dessen Ziel die Bekämpfung unlauterer Geschäftsmethoden war und der bestrebt war, eine Gesetzesänderung herbeizuführen.[38] Verschiedene Handelskammern forderten von der Politik ein entschiedeneres Einschreiten gegen unlautere Geschäftspraktiken. Die Bewegung fand schließlich Gehör. Erste Entwürfe des späteren Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb („UWG“) wurden seit 1894 im Reichstag beraten und führten schließlich zu dem Erlass des Gesetzes im Jahr 1896. Allerdings fanden sich in dieser ersten Fassung noch keine Bestimmungen zur Verhinderung der Angestelltenkorruption.
Teil 2 Grundsätzliche Erwägungen › A › III. Neufassung des UWG vom 7.6.1909