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Teil 1 Einleitung › A. Korruption in der Privatwirtschaft – ein aktuelles Problem

A. Korruption in der Privatwirtschaft – ein aktuelles Problem

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„Korruption hat Konjunktur“. So kurz und prägnant beschreibt es Bannenberg in einem aktuellen Lehrbuch für Wirtschaftsstrafrecht.[1] Tatsächlich scheint kaum ein Tag zu vergehen, an dem in den Medien nicht über einen neuen Korruptionsskandal berichtet wird. Die Vorwürfe reichen dabei von illegalen Parteispenden, dubiosen Beraterverträgen über Ämterpatronage bis zum systematischen Machtmissbrauch. Doch was genau ist überhaupt unter Korruption zu verstehen?

Fest steht, dass mit ihr verbundene Begriffe wie „Bestechung“ und „Bestechlichkeit“ die Menschheit zwar seit jeher auf ihrem Weg in die Industriegesellschaft begleiten, es aber dennoch keine einheitliche und fassbare Definition von Korruption gibt.[2] Nach einem ethisch-moralischen Verständnis etwa umfasst der Begriff alle Verhaltensweisen, bei denen sich Personen mit öffentlichen oder privaten Aufgaben auf Kosten der Allgemeinheit unangemessene Vorteile verschaffen.[3] Für die Wirtschaftswissenschaft hingegen wird auf einen Tausch abgestellt, bei dem eine korruptive Leistung im Austausch für eine entsprechende Gegenleistung erbracht wird.[4] Es finden sich unzählige weitere Deutungsversuche, beispielsweise aus den sozial- und politikwissenschaftlichen Bereichen, sowie den theologischen und sozialpsychologischen Fachrichtungen.[5] Der Versuch einer einheitlichen und greifbaren Begriffsbestimmung schlägt aufgrund der Vielschichtigkeit der Wortbedeutung und den umfangreichen Berührungspunkten zu unterschiedlichsten Fachrichtungen im Ergebnis aber fehl.

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Auch das Strafrecht selbst kennt den Begriff der Korruption nicht, obgleich der Gesetzgeber die Novellierung der einschlägigen Bestechungsdelikte in einem „Gesetz zur Bekämpfung der Korruption“ vom 13.8.1997 geregelt hat. Dennoch ist man sich im Grundsatz einig, dass unter Korruption im strafrechtlichen Sinne die einschlägigen Amtsträgerdelikte der §§ 331-335 StGB, die Angestelltenbestechung und -bestechlichkeit der §§ 299, 300 StGB sowie die Wähler- und Abgeordnetenbestechung der §§ 108b, 108e StGB zu verstehen sind.[6] Das wissenschaftliche Interesse an den Korruptionsdelikten konzentrierte sich lange Zeit auf die §§ 331 ff. StGB.[7] Gegenstand dieser Abhandlung soll hingegen die Korruption im privatwirtschaftlichen Bereich und damit die Vorschrift des § 299 StGB sein.[8] Nur dort, wo es zu einem besseren Verständnis der Norm beiträgt, wird kurz auf die übrigen Korruptionsdelikte eingegangen werden.

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Ein Straftatbestand gegen Bestechung und Bestechlichkeit im Geschäftsverkehr existiert in der deutschen Rechtsordnung schon seit dem Jahr 1909.[9] Dennoch blieb die damals einschlägige Vorschrift des § 12 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb („UWG“) von Strafverfolgungsbehörden und der Strafrechtswissenschaft weitestgehend unbeachtet. Auf eine umfangreiche Rechtsprechung zu den zahlreichen Zweifelsfragen bei der Anwendung der Norm kann daher nicht zurückgegriffen werden.[10] Erst seit der Ersetzung des § 12 UWG a.F. durch § 299 StGB im Jahr 1997 und der damit verbundenen Verlagerung in das Kernstrafrecht, der Aufdeckung einiger spektakulärer Fälle von Wirtschaftskorruption, der Schaffung internationaler Vorgaben zu deren Bekämpfung sowie daran anknüpfenden weiteren Reformvorhaben des Gesetzgebers finden die Tatbestände der Bestechung und Bestechlichkeit von Angestellten und Beauftragten in der Privatwirtschaft durch das Schrifttum zunehmende Beachtung.[11]

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In der Praxis der Strafverfolgungsbehörden hingegen spielt § 299 StGB bislang dennoch keine große Rolle. Zwar ist die Anzahl der Verurteilungen seit Einführung der Vorschrift stetig angestiegen, doch sind die Fallzahlen insgesamt nach wie vor niedrig und nur ein geringer Anteil der bekannt gewordenen Fälle gelangt überhaupt zur Anklage.[12] So kam es im Jahr 1998 in der Bundesrepublik lediglich zu einer Verurteilung nach § 299 StGB, im Jahr 2002 zu 23, im Jahr 2005 zu 46, im Jahr 2008 zu 72 und im Jahr 2011 zu immerhin 106 Verurteilungen.[13] Allerdings ist aufgrund des Fehlens einer klassischen „Täter-Opfer-Beziehung“[14] sowie der oftmals mangelnden Bereitschaft zur Anzeige von Korruptionsstraftaten bei der Wirtschaftskorruption im Allgemeinen von einer hohen Dunkelziffer auszugehen.[15] Jüngere Beispiele in der deutschen Wirtschaft zeigen jedenfalls, dass Bestechungszahlungen im privaten Sektor keinesfalls nur ein rechtstheoretisches Problem darstellen. Betroffen sind nahezu sämtliche Branchen und Bereiche. Bekanntestes Beispiel der letzten Jahre dürfte die sog. Siemensaffäre im Zusammenhang mit dem Anlegen schwarzer Kassen zwecks Erlangung lukrativer Aufträge im Ausland sein.[16] Auch in der „VW-Schmiergeldaffäre“, in deren Zuge Betriebsräte unter anderem mit „Lustreisen“ gewogen gestimmt werden sollten, kam es zu großer medialer Aufmerksamkeit.[17]

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Doch sind Korruptionsskandale von diesem Ausmaß eher die Ausnahme. Abseits der spektakulären und zumeist eindeutig nach § 299 StGB strafbaren Konstellationen stellt sich demgegenüber im Geschäftsalltag – aufgrund der allgemein eher weiten Gesetzesfassung – nicht selten das Problem der Abgrenzbarkeit strafwürdiger Vorgänge zu lediglich moralisch fragwürdigen oder gar unbedenklichen Vorgehensweisen der Beteiligten. Bei den Marktteilnehmern herrscht zum Teil große Unsicherheit über die Frage, welche Zuwendungen sie im Einzelfall tätigen oder annehmen dürfen und welche nicht. Häufig bewegt sich das Verhalten der beteiligten Personen im Grenzbereich zu einer möglichen Strafbarkeit nach § 299 StGB, da regelmäßig nicht mit vollständiger Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass Ermittlungsbehörden und Gerichte den Tatbestand aufgrund seiner Weite als erfüllt ansehen. Die Untersuchung eines solchen Grenzfalls steht im Mittelpunkt dieser Arbeit.

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