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III. Neufassung des UWG vom 7.6.1909

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Dennoch wurde durch den Erlass des UWG die Diskussion um den Umgang mit unlauteren Geschäftsmethoden verstärkt. Um die Jahrhundertwende nahmen die schon in den Gründerjahren nach der Einführung der Gewerbefreiheit bedingten Auswüchse im Wirtschaftsverkehr weiter zu. Durch den mächtigen Aufschwung des deutschen Handels- und Verkehrswesens wuchs sowohl die Anzahl der Betriebe als auch deren Größe in einem erheblichen Umfang.[39] Die Betriebe wurden seltener von Einzelkaufleuten geführt und waren im zunehmenden Maße von einer weitverzweigten Unternehmensstruktur geprägt.[40] Der Geschäftsinhaber war durch die stetig steigende Betriebsgröße nicht mehr in der Lage, sich alleine um die Entgegennahme und die Erteilung von Aufträgen zu kümmern, sondern musste diese Aufgaben vermehrt an seine Angestellten delegieren.[41] Während für den Inhaber des Geschäfts als Beurteilungsfaktoren für ein zu beziehendes Produkt in der Regel der Preis, die Qualität sowie die Lieferfrist eine entscheidende Rolle spielten, bestand bei dem Angestellten die erhöhte Gefahr, dass dieser mehr an persönlichen Vorteilen, die der Bezug einer bestimmten Ware mit sich brachte, interessiert war. Beim Geschäftsinhaber jedoch war zumindest nach damaliger einhelliger Auffassung der persönliche Vorteil aus dem Abschluss des Vertrags stets auch ein Vorteil des Geschäfts.[42] Beim Angestellten hingegen schien es möglich, dass eine Divergenz zwischen persönlichem Vorteil und dem Vorteil für das Unternehmen bestand. In Folge der Delegation des Einkaufs für die Unternehmen vom Geschäftsinhaber an seine Vertrauenspersonen setzten Lieferanten oftmals alles daran, die Gunst des für den Einkauf verantwortlichen Mitarbeiters zu erlangen. Das „Schmieren“ der Angestellten des Unternehmers wurde zunehmend zu einer gängigen Praxis.

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Auf diese erheblichen Missstände wies erstmals die Frankfurter Halbmonatsschrift „Das freie Wort“ am 5.11.1901 in einem Artikel mit dem Titel „Innere Ursachen für den Niedergang der Industrie in Deutschland“ hin.[43] Darin wurden nicht nur die Missstände angesprochen, sondern auch die negativen Folgen von Bestechung und Bestechlichkeit für Wirtschaft und Gesellschaft aufgeführt. So schädige die Bevorzugung minderwertiger Ware die deutsche Exportwirtschaft in beachtlicher Weise und könne in sicherheitsrelevanten Bereichen auch zu erheblichen Gefahren für die Endverbraucher führen.[44] Deshalb enthielten die Beiträge die Forderung nach dem Erlass einer strafrechtlichen Sanktionsnorm. Auf die Veröffentlichungen folgten zahlreiche Leserzuschriften aus der Bevölkerung, die ebenfalls ein Einschreiten der Politik forderten. Die Aufmerksamkeit der Bevölkerung für das Thema der Angestelltenkorruption war geweckt.

Es gab jedoch auch erhebliche Gegenstimmen, die sich gegen die Einführung sanktionsrechtlicher Bestimmungen aussprachen. Insbesondere in Angestelltenkreisen war man von solchen Plänen weitestgehend nicht überzeugt. So wurde auf der Hauptversammlung des deutschen Verbandes kaufmännischer Vereine im Mai 1905 in Pforzheim die Ansicht vertreten, dass strafrechtliche Bestimmungen zur Verhinderung der Angestelltenbestechung ein Misstrauensvotum gegen deutsche Angestellte darstellen würden und damit auch zugleich eingeräumt würde, dass in einem nicht unerheblichen Maße Unredlichkeiten im geschäftlichen Verkehr an der Tagesordnung seien.[45]

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Im Reichstag wurde die Frage nach der Einführung sanktionsrechtlicher Bestimmungen gegen den unlauteren Wettbewerb zunächst im Jahre 1905 behandelt. Eine Resolution des Abgeordneten Müller (Meiningen) vom 20.2.1905 forderte eine eingehende Untersuchung der Angestelltenbestechung durch den Reichskanzler.[46] Eine Resolution der Abgeordneten Gröber und Trimborn vom 1.3.1905 ging sogar noch weiter und forderte die Regierung zu einem Gesetzentwurf auf, welcher gegen die aktive und passive Angestelltenbestechung vorgehen sollte.[47] Beide Resolutionen wurden jedoch ohne Debatte in der Sitzung am 27.3.1905 durch den Reichstag abgelehnt.[48] Obwohl es durchaus Zustimmung gab, war man mehrheitlich der Auffassung, dass die Frage der generellen Notwendigkeit sanktionsrechtlicher Normen noch nicht ausreichend geklärt sei.[49]

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Ebenfalls im Jahr 1905 beschäftigte sich auch der deutsche Handelstag mit der Frage der Notwendigkeit strafrechtlicher Bestimmungen. Er hielt auf seiner Sitzung am 14.2.1905 nach einer kontrovers geführten Diskussion eine entsprechende Regelung mit einer Zweidrittel-Mehrheit für erforderlich.[50] Schließlich wurde am 16.8.1906 eine Eingabe im Bundesrat eingereicht, in der ein gesetzliches Einschreiten gefordert wurde.[51]

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Die verschiedentlichen Forderungen hatten zur Folge, dass sich schließlich auch die Regierung mit der Frage nach der Notwendigkeit einer das „Schmiergeldunwesen“ betreffenden gesetzlichen Regelung beschäftigte. Eine durch das Reichsamt des Inneren initialisierte Umfrage unter den Handelskammern, in der diese über bisherige Erfahrungen hinsichtlich der Angestelltenbestechung berichten und Ratschläge zu deren Behebung formulieren sollten, ergab zunächst ein geteiltes Bild.[52] Von 124 sich äußernden Kammern waren 49 für die Einführung strafrechtlicher Bestimmungen, 52 dagegen und 23 waren unentschlossen.[53] Als zentrale Argumente gegen die gesetzlichen Regelungen wurde unter anderem angeführt, dass es schwierig sei, einen Tatbestand aufzustellen, der einerseits verwerflich erscheinende Geschäftspraktiken ohne Ausnahme treffen würde, auf der anderen Seite jedoch die üblichen sozial gebilligten Verhaltensmuster wie das Zahlen von Trinkgeldern oder kleine Geschenke vom Tatbestand ausnehme.[54] Zudem befürchtete man ein unliebsames „Eindringen“ behördlicher Strafverfolgungsorgane in interne Geschäftsvorgänge. In einer Sitzung der Kommission im Reichsamt des Inneren am 15. und 16.2.1907 kam diese jedoch nicht zuletzt aufgrund des geteilten Meinungsbildes in den betroffenen Kreisen vorerst zu dem Schluss, dass die Materie für eine gesetzgeberische Behandlung noch nicht geeignet sei.[55]

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Ein am 16.12.1907 veröffentlichter erster Entwurf einer Novelle des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb enthielt deshalb in der Folge erneut keine strafrechtlichen Normen.[56] Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass die Mehrzahl der befragten Handelskammern sich gegen die Aufnahme strafrechtlicher Bestimmungen in das UWG ausgesprochen habe.[57] Auch der überarbeitete zweite Entwurf der Novelle vom 14.1.1909 enthielt noch keine entsprechenden Regelungen.[58] Als in der ersten Beratung des Entwurfs zur Novelle des UWG der Staatssekretär des Inneren ausführte, dass die verschiedenen Rundfragen und Feststellungen gezeigt hätten, dass die Zeit für strafrechtliche Normen noch nicht reif sei, wurde ihm von verschiedenen Parteien heftig widersprochen. Die Frage wurde daraufhin wieder an eine Kommission verwiesen, die in ihrem Bericht an den Reichstag aufgrund ihrer Vorberatungen erstmalig zu dem Ergebnis kam, dass es zur Regelung des Bestechungswesens einer strafrechtlichen Norm bedürfe.[59]

Der nach längeren Debatten letzten Endes von der Kommission vorgeschlagene Bestechungstatbestand des § 10 a UWG a.F. wurde schließlich vom Reichstag in der 259. Sitzung am 17.5.1909 und der 260. Sitzung am 18.5.1909 in 2. Lesung als § 12 UWG a.F. verabschiedet[60] und trat zusammen mit dem neuen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb am 1.10.1909 in Kraft.[61]

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In Abs. 1 der Vorschrift wurde die aktive Bestechung, in Abs. 2 die passive Bestechlichkeit geregelt. Der Tatbestand deckte sich schon in der damaligen Fassung, von einigen redaktionellen Änderungen abgesehen, im Wesentlichen mit der heutigen Fassung des § 299 StGB. Lediglich Vorteile zugunsten eines Dritten waren von der damaligen Norm nicht umfasst. Als Rechtsfolge war bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe und Geldstrafe mit einer kumulativen Verknüpfungsmöglichkeit vorgesehen. Abs. 3 der Vorschrift stellte eine Verfallsanordnung dar. Die Ansichten über das geschützte Rechtsgut der damaligen Vorschrift waren unterschiedlich. Das Reichsgericht wich einer eindeutigen Positionierung aus und sprach unter anderem vom Schutz des Geschäftsherrn vor der Pflichtwidrigkeit seiner Angestellten,[62] dem Schutz der Mitbewerber vor einer bestimmten Art des unlauteren Wettbewerbs,[63] sowie der Unparteilichkeit des Angestellten.[64] Andere Ansichten sahen als geschütztes Rechtsgut die Lauterkeit des wettbewerbsrechtlichen Verkehrs an.[65] Dies folge schon aus der Stellung der Vorschrift im Wettbewerbsrecht. Dieses sei Sonderrecht einer Berufsklasse und berühre die Allgemeinheit nur mittelbar.[66]

Teil 2 Grundsätzliche ErwägungenA › IV. Reform der Straftatbestände 1974

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