Читать книгу Leben des Galilei von Bertolt Brecht: Reclam Lektüreschlüssel XL - Maximilian Nutz - Страница 12
8. Szene
ОглавлениеIm Palast des Gesandten von Florenz in Rom führt Galilei ein Gespräch mit dem Mönch, der Mitglied der Untersuchungskommission des Collegium Romanum gewesen war und ihm das Ergebnis zugeflüstert hatte. Diesem lässt der Gegensatz zwischen der Existenz der Jupitertrabanten und dem Verbot der kopernikanischen Lehre durch das Heilige Offizium keine Ruhe; er teilt Galilei mit, dass er die »Weisheit des Dekrets« erfasst und beschlossen habe, der »Astronomie zu entsagen« (S. 74 f.). Er schildert die mühevolle Arbeit seiner Eltern auf dem Feld, die ihr Leben nur deshalb ertragen, weil sie glauben, »daß das Auge der Gottheit auf ihnen liegt« und »das ganze Sinngebung durch das alte Weltbild Welttheater um sie aufgebaut ist« (S. 75 f.). Wenn die Erde nicht mehr der Mittelpunkt der Schöpfung ist, sondern ein Gestirn neben vielen anderen, wenn das Auge Gottes nicht mehr auf ihnen ruht, verliert ihr »Elend« (S. 76) seinen Sinn. Er sieht in dem Verbot deswegen eine »große Seelengüte« (S. 76).
Für Galilei hat der Mönch damit die politisch-gesellschaftlichen Dimensionen des neuen Weltbilds richtig gesehen: Die Kirche braucht das heliozentrische Weltbild, damit »der Stuhl Petri im Mittelpunkt der Erde stehen kann« (S. 77). Die Ursachen des Ursachen des Elends Elends den Unglücklichen bewusst zu machen, ist für ihn die Verpflichtung des Wissenschaftlers, während der Mönch es für eine Verpflichtung hält, den »Seelenfrieden Unglücklicher« (S. 77) gerade durch Verschweigen der Wahrheit zu bewahren. Für Galilei wären es dagegen niedrige Beweggründe, zugunsten der Vorteile, die ihm die Kirche bietet, die Verbreitung des neuen Weltbilds nicht mehr zu unterstützen. Dem Erkenntnisdrang des Physikers und der Gestaltungsfreiheit des Dichters dürften keine Grenzen gesetzt werden. Damit sich die Vernunft durchsetzt, müssen die Vernünftigen für sie eintreten: »der Sieg der Vernunft kann nur der Sieg der Vernünftigen sein« (S. 78). Als er dem Mönch Manuskripte mit seinen neuen Forschungen zeigt, weckt er dessen Erkenntnisdrang als Physiker, der sich sofort in diese vertieft.