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INTERVIEW MIT HELGE RIEPENHOF


Anatomie für Anfänger

Wer von der Heilkraft der Bewegung profitieren will, muss kein Medizinstudium absolvieren. Es kann aber nicht schaden, ein paar wichtige Grundlagen zu kennen. Hier erklärt Bewegungs-Doc Helge Riepenhof, was Hobbysportler wissen sollten.

Anatomiewissen – das klingt nach Lehrbuch. Müssen Laien die Namen von Knochen und Muskeln lernen?

Bloß nicht. Es sei denn, sie sind Medizinstudenten. Stellen Sie sich vor: Ein Professor bittet seine Studenten, das Telefonbuch auswendig zu lernen. Was ist dann der Unterschied zwischen einem künftigen Arzt und einem angehenden Juristen? Der Jurastudent fragt: Warum? Der Medizinstudent: Bis wann? Zum Glück nur ein Witz. Aber im Ernst: Sich mit der Anatomie des Menschen zu beschäftigen, heißt nicht, dass man die Fachausdrücke für Knochen, Muskeln und Gefäße aufsagen kann, sondern dass man Zusammenhänge versteht.

Welche Bereiche betrifft das?

Sehr viele. Oder anders gesagt: Mehr, als die meisten denken. Es gibt zum Beispiel einen Zusammenhang zwischen dem Erfolg eines Sportlers und dem Zustand seines Darms. Die Atmung spielt eine große Rolle. Die Nieren können bei sehr anstrengender Bewegung regelrecht gestresst werden, wenn man sie nicht gut versorgt. Und die Hormone steuern unter anderem den Muskelaufbau. Ohne sie würde die Muskulatur nicht wachsen.

Wie wirken Darm und Bewegung im Zusammenspiel?

Im Darm finden viele Prozesse des Immunsystems statt. Ein Sportler kann daher nur dann richtig erfolgreich sein, wenn er einen gesunden Darm hat. Der Hintergrund: Bei Anstrengung produziert der Körper Laktat, von dem sich bestimmte leistungsfördernde Mikroben im Darm hauptsächlich ernähren. Bei Leistungssportlern konnte man feststellen, dass sie besonders viele dieser Mikroben im Darm haben und dadurch mehr schaffen. Wer wenig oder gar keinen Sport treibt, hat deutlich weniger leistungsfördernde Mikroben, kann die Situation aber durch mehr Bewegung verbessern. Insofern beeinflusst nicht nur die Ernährung die Darmgesundheit und die Leistungsfähigkeit, sondern auch körperliche Aktivität.

Welche Rolle spielt die Atmung?

Gerade für Sportler ist die Atmung etwas ganz Entscheidendes. Nur wenn Muskeln, Organe und Gewebe sehr gut mit Sauerstoff versorgt werden, können Sportler optimale Leistungen vollbringen. An dieser Stelle werden fast alle sportlichen Leistungen limitiert, denn gute Leistungsfähigkeit korreliert gerade im Ausdauersport immer mit der Fähigkeit, Sauerstoff ins Blut zu bringen und durch das Blut der Muskulatur zur Verfügung zu stellen. Dass Untrainierte schneller nach Luft schnappen, hängt teilweise mit ihrer Atmung zusammen. Sie atmen meist zu flach ein und nehmen dabei zu wenig Sauerstoff auf. Ein perfekter Luftaustausch kommt aber nur zustande, wenn man länger ausatmet, um beim nächsten Einatmen mehr Sauerstoff aufnehmen zu können.

Was passiert dabei im Körper?

Die Luft wird über die Luftröhre in die Bronchien transportiert. Die teilen sich zunächst in eine Bronchie für den rechten Lungenflügel und eine für den linken. Dann werden sie wie bei einem Baum in immer kleinere Äste unterteilt. In den kleinsten Bronchien findet sich am Ende eine Art Bläschen, die sogenannten Alveolen oder Lungenbläschen. Davon besitzen wir 300 bis 500 Millionen, die jeweils eine Größe von etwa 0,1 bis 0,3 Millimeter haben. Um die Lungenbläschen herum sind netzförmig Blutkapillaren angeordnet. Die Blutkapillaren und die Lungenbläschen können hier Stoffe miteinander austauschen. Die roten Blutkörperchen nehmen dabei Sauerstoff auf und geben Stickstoff ab. Das Blut erhält an dieser Stelle den wichtigen Sauerstoff, um den gesamten Körper zu versorgen.

Wie arbeitet die Niere bei körperlicher Anstrengung?

Auch die Niere unterstützt sportliche Aktivitäten auf geniale Weise. Sie ist ein Filter des Blutes, durch den das Blut 300-mal täglich hindurchfließt. Zunächst filtert die Niere dabei extrem viel Flüssigkeit aus dem Blut heraus (etwa 100 Liter), gewinnt diese aber später zum Teil zurück. Wenn beim Sport viel Muskelgewebe kaputtgeht (zum Beispiel bei Stürzen, Unfällen oder bei maximalen Anstrengungen wie einem Marathonlauf), gelangen Abfallprodukte des Muskels zur Niere. Diese scheidet sie mit viel sogenanntem Primärharn (also noch unkonzentriertem Harn) wieder aus und schützt sich dadurch selbst vorm Verstopfen. In einem späteren Teil der Niere wird dann die Flüssigkeit zurückgewonnen, sodass wir letztlich etwa ein bis drei Liter hoch konzentrierten Urin ausschütten, der in der Blase zwischengespeichert wurde. Um die Niere zu schützen, sollten Sportler viel trinken.

Warum kommt es gerade bei Marathonläufern immer wieder zu Nierenversagen?

Das liegt daran, dass starke sportliche Belastungen wie ein Marathon die Nieren regelrecht stressen. Es passiert vor allem dann, wenn man mit bestimmten Schmerzmedikamenten (wie Ibuprofen und Diclofenac) viel Sport treibt und dabei wenig Flüssigkeit aufnimmt. Kommt dann auch noch heißes Wetter dazu, kann das selbst bei gesunden Menschen zu Nierenversagen führen. Hier sollten Leistungs- und Hobbysportler besonders vorsichtig sein.

Und was hat es mit den Hormonen auf sich?

Beispiele für wichtige Hormone bei der Bewegung sind das männliche Sexualhormon Testosteron (übrigens auch bei Frauen vorhanden) und das „Stresshormon“ Kortisol. Beide steuern insbesondere den Muskelaufbau. Ohne Testosteron könnten Muskeln nicht wachsen. Übertreibt man es allerdings mit dem Sport, fällt das Testosteron deutlich ab und man spricht von Übertraining. Das ist dann der Fall, wenn die Muskulatur trotz intensiven Trainings nicht mehr wächst und man nur sehr schlecht von seinen Belastungen regenerieren kann. Der Körper spürt den Stress, der durch Übertraining entsteht, und schickt den Gegenspieler des Testosterons, das Kortisol, ins Spiel. Dieses Hormon hat die Aufgabe, die Energieversorgung auch bei Engpässen sicherzustellen, und zieht den dafür nötigen Brennstoff aus den Muskeln. Dieser Zusammenhang sollte aber niemanden davon abhalten, intensiv zu trainieren. Meiden Sie lieber chronischen Stress. Denn im richtigen Maß baut Bewegung Stresshormone ab und nicht auf.

Verblüffende Fähigkeiten

Manchmal kann man nur staunen, was der Körper alles kann. Wussten Sie zum Beispiel, dass ...

... die Speiseröhre Muskeln besitzt, die sogar im Kopfstand das Essen in den Magen schieben?

... ein Lächeln 43 Muskeln in Gang setzt und nette Nebenwirkungen hat? Der Körper schüttet dabei Botenstoffe aus, die fröhlich stimmen.

... die Achillessehne superstark ist? Beim Laufen muss sie Kräften standhalten, die achtmal so groß sind wie das eigene Körpergewicht.

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