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Kapitel 9

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Bill

Das Gartenhaus jetzt in die Partybude umzugestalten ist schrecklich. Da hat Bill kein Bock drauf, also beschließt er später damit anzufangen. Erst ein Mal muss er herausfinden warum Ellen weint. Bill geht in die Hocke und berührt Ellen am Arm.

„Hey, was ist los?“, fragt er sanft. Sie schüttelt jedoch nur den Kopf. „Ellen, wen meinst du mit sie?“, versucht Bill es erneut. Ellen hört nicht auf zu weinen. Als Bill zu Andrew guckt, schüttelt der nur fragend den Kopf. Bill registriert das Ellen ebenfalls zu Andrew schaut. Er steht auf und schiebt Andrew sachte zur Tür.

„Lässt du deine Schwester und mich mal kurz allein?“, bittet er den kleinen Jungen.

„Warum sollte ich?“, fragt Andrew.

„Du weißt doch auch nicht warum sie weint.“ Er hat ja selbst keine Ahnung warum, er möchte einfach mit ihr allein sein. Vielleicht spricht sie dann. Außerdem machte sie grad den Eindruck, als möchte sie ihren Bruder nicht dabei haben.

„Aber ich bin ihr Bruder!“, sagt Andrew.

„Klar! Es ist ja nur kurz.“ Langsam wird Bill ungeduldig. Das ist eine seiner Macken, er verliert zu schnell die Geduld. Kapiert er in der Schule irgendetwas nicht, klappt er das Buch zu und riskiert es lieber eine schlechte Note zu schreiben anstatt sich weiter mit dem Thema zu beschäftigen.

Andrew gibt sich geschlagen und geht raus. Hinter ihm schließt Bill die Tür und wendet sich abermals Ellen zu. Er setzt sich vor sie, schluckt und nach kurzem Überlegen legt er seine Hand auf ihren Arm und bewegt die Hand hin und her. Ellen guckt Bill vorsichtig an und schluchzt: „Findest du es nicht, naja… macht es dir nichts aus mich anzufassen, so wie ich aussehe?“ Es hat ihn schon etwas Überwindung gekostet aber das möchte er ihr nicht ins Gesicht sagen, also sagt er: „ Es macht mir nichts aus. Aber jetzt hör erst mal auf zu Weinen!“ Bill nimmt seine Hand von ihrem Arm und kramt umständlich ein Tempo aus seiner Schultasche und reicht es an Ellen weiter. Das Mädchen wischt ihre Tränen weg und putzt sich die Nase.

„Sagst du mir jetzt wer sie ist?“, fragt Bill. Auf Ellens Kopfschütteln sagt er:

„Warum nicht? Vielleicht tut es ja gut darüber zureden.“ Lange herrscht Schweigen zwischen den Beiden, dann sagt Ellen: „Okay, okay. Du willst wissen wer sie sind? Also gut….ganz ehrlich? Verbrecher.“ Buchstäblich erstarrt Bill. Verbrecher? Was hat das mit der Party zu tun?

„Wie jetzt? Das musst du mir genauer erklären.“

„Dann muss ich dir aber alles sagen und das mach ich nur wenn Andrew nicht dabei ist. Er ist zu klein um das zu verstehen.“, sagt Ellen und guckt Bill durch ihren Tränenschleier an.

„Er ist nicht da.“ Mit der Hand zeigt Bill den Raum, um ihr zu verdeutlichen, dass nirgend wo Andrew ist.

„Ja aber du hast zu ihm gesagt es dauert nicht lang.“, erinnert ihn Ellen.

„Okay, dann mach wir´s so. Ich sag ihm was er hier für die Party vorbereiten kann und wir gehen in mein Zimmer. Dort kannst du mir alles erzählen.“ Macht er hier wirklich alles richtig? Sie mit in sein Zimmer zu nehmen. Wenn Phil das wüsste? Tja, darf er es eben nicht erfahren. Ist er zu leichtsinnig? Im Moment ist er sich nicht sicher welche seiner Handlungen richtig sind und ob sie einen Sinn haben.

„Ist dir das Recht, wenn ich mit in dein Zimmer gehe?“, fragt Ellen ungläubig. Jetzt kann er keinen Rückzieher mehr machen, also nickt Bill entschlossen. Nachdem er Andrew erklärt hat, dass er die Gartengeräte schon mal raus räumen soll, machen er und Ellen sich auf den Weg in sein Zimmer. Andrew war nicht sehr begeistert, als er gehört hat das Bill und Ellen reden gehen, doch schließlich hat er es akzeptiert. Bill führt Ellen zu seinem Zimmer. Dabei gehen sie durch das Wohnzimmer. Ellen sieht den großen Flachbildfernseher und ihr fallen bald die Augen raus, auch der teure Boden entgeht ihr nicht. Um nicht auf den Teppich zu treten, geht sie außen herum. Bill schaut ihr amüsiert zu. Nach einer Weile kann er sich das Lachen nicht mehr verkneifen. Abrupt bleibt Ellen stehen. „ Ich hab nix dagegen, dass du in mein Zimmer kommst.“, sagt Bill rasch, obwohl er nicht mal weiß, ob Ellen wieder Zweifel hat.

„Du kannst auch ruhig auf den Teppich treten, auch mit deinen Schuhen.“, erklärt Bill ihr. Ihm entgeht nicht wo ihre Blicke hin wandern. Schuhe sind das nicht mehr wirklich wo sie anhat. Die Sohle ist ganz kaputt. Ihre Blicke treffen sich und auch Ellen muss etwas lachen.

„Du bist süß, wenn du dir das hier so bewundern anguckst.“, sagt Bill und hofft, dass er nicht Rot wird. So kennt er sich gar nicht. Bill macht oft Mädchen Komplimente und flirtet mit ihnen, eigentlich ist es etwas alltägliches, dabei wird er nie rot. Aber er macht sich keine weiteren Gedanken, denn Ellen antwortet nicht einmal. Sie laufen weiter und Bill achtet nicht mehr so auf Ellens Gesichtsausdrücke.

Im Zimmer setzten sie sich. „Also?“, sagt Bill.

„Ich weiß nicht. Wahrscheinlich weine ich dann schon wieder!“

„Macht nix. Ich hab Tempos genug da!“ Noch bevor Ellen überhaupt anfängt zu reden werden ihre Augen erneut nass, doch sie erzählt:

„Ich lebe auf der Straße seit ich 11 bin. Du musst wissen meine Familie, meine Eltern waren reich. Verdammt reich. Ich hatte alles was ich wollte, mir hat es nie an etwas gefehlt.“

Bill hat auch alles was er will und seine Eltern sind reich.

„So wir dir…-“ Ellen hört auf zu erzählen, da Bills Lippen ein Lächeln umspielt. Schnell erklärt er: „ Ich hab nur gerade gedacht, dass es mir an nix fehlt und in dem Moment sagst du das selbe. Zwei Menschen eine Gedanke.“ Zaghaft lächelt auch Ellen.

„ Ach so. Aber weiter. Eines Tages kam mein Vater nicht von der Arbeit zurück. Wir erhielten ein Anruf, dass er tot sei… dann noch in derselben Nacht wurden wir überfallen. Unser ganzes Geld wurde geklaut. Der Schock saß tief, also hatten wir bei Freunden übernachtet. Deswegen haben wir diese Katastrophe erst am nächsten Tag erfahren. Wir hatten also nichts mehr. Lange wurde nach den Dieben gesucht, jedoch ohne Erfolg. Wir wollten nicht in unser Haus zurück. Wir haben bei den Freunden gewohnt. Es gab Momente in denen sich meine Mutter beobachtet gefühlt hat.. Daraufhin ist sie geflohen, um mich und Andrew zu schützen alleine. Das haben Andrew und ich nicht ausgehalten. Die Freunde haben uns sogar in eine Therapie gesteckt, obwohl sie selbst knapp bei Kasse waren und schon etwas älter. Sie waren komplett überfordert mit uns, deshalb haben sie wahrscheinlich nicht nach uns suchen lassen. Nach einer Zeit sind wir, Andrew und ich abgehauen. Unserer Mutter hinterher. Seit dem Leben wir auf der Straße. Ich weiß nicht mal ob meine Mutter noch lebt! Manchmal fühle ich mich beobachtet. Wie meine Mutter…“

Jetzt bricht sie vollends in Tränen aus und Bill kann es ihr nicht verübeln. Diese Geschichte geht ihm Richtig ans Herz. Deswegen fällt es ihm jetzt auch ganz leicht zu Ellen zu gehen und sie zu umarmen. Ellens Arme wandern um seinen Rücken. Ellen weint an Bills Hals. Er hebt Ellen hoch, setzt sich und nimmt sie auf den Schoß. Sie ist total leicht, viel zu leicht.

„Ellen?“, fragt er vorsichtig.

„Hm?“, kommt von ihr.

„Weißt du jetzt nachdem du mir alles erzählt hast, will ich noch weniger, dass du gehst. Im Gartenhaus passiert dir bestimmt nichts. Ich hab auch schon eine Idee wie wir euch durch die Party schmuggeln. Erzähl ich dir aber wenn Andrew dabei ist.“ Er hat wirklich eine Idee. Sie ist ihm gekommen als er die Lucke zum Dachboden gesehen hat. Dort oben sind nämlich Faschingskostüme.

„Bill, ich hab solche Angst. Nicht nur um mich sondern auch um Andrew.“

„Euch passiert nichts.“ Die Worte sprudeln einfach aus seinem Mund.

Was redet er hier? Woher will er wissen, dass ihnen nichts passiert? Weil er es nicht will, dass ihnen etwas passiert. Er kann ruhig sagen, dass er aufpassen wird.

„Sehe ich aus als hätte ich geweint oder können wir zu Andrew gehen?“, fragt Ellen. Bill nimmt sich ein Tempo und wischt Ellen noch ein paar Tränen aus dem Gesicht, dann sagt er: „Wir können zu Andrew.“

„Warum konnte Andrew jetzt nicht dabei sein?“, fragt Bill zaghaft.

„Ich will nicht, dass er dran erinnert wird.“, sagt Ellen und Bill versteht. Auf dem Weg zu Andrew erfährt Bill, dass Ellens Vater bei der Polizei gearbeitet hat. Auch jetzt bemerkt er das Ellen mit großen Augen durch das Haus läuft.

Schon von weitem erkennen sie, dass Andrew hervorragende Arbeit geleistet hat. Ein Großteil der Gartengeräte wurde bereits ausgeräumt.

„Hey kleiner, du arbeitest schnell.“, lobt Bill ihn, doch Andrew achtet gar nicht auf Bill, er geht zu Ellen, umarmt sie und fragt: „Ist jetzt alles wieder okay?“ Daraufhin nickt das Mädchen. „Ich weiß, dass du wissen willst worüber Bill und ich gesprochen haben, aber das ist schlecht.“, klärt Ellen ihren Bruder auf.

„Wenn wir jetzt noch weiter ausräumen fällt es auf, dass ich Unterstützung hatte, deswegen würde ich sagen wir chillen jetzt.“, sagt Bill und lässt sich auf die Couch fallen.

„Oder du erklärst uns deinen Plan!“, sagt Ellen und Bill findet, dass sie immer noch nicht sehr begeistert ist, über die Party bei Bill zu bleiben.

„Was für ein Plan?“, fragt Andrew.

„Wie ihr die Party über hier bleiben könnt.“, sagt Bill und lächelt, als er sieht wie Andrew strahlend seine Schwester umarmt und ihr versichert wie froh er ist noch zu bleiben.

„Also, ich bekomm viel Taschengeld und hab auch so noch einiges. Auf jeden Fall können wir in die Stadt gehen und euch neue Kleider kaufen. Meine Mutter hat gesagt, dass jemand von meinen Freunden zur Party kommen kann. Ich geb dich, Ellen, einfach als meine Mitschülerin aus. Andrew ist dein Bruder und du musst auf ihn aufpassen, deswegen kommt er mit. Na, bin ich gut oder gut?“, erläutert Bill seinen Plan.

„Du bist gut“, sagt Ellen. Bill muss grinsen doch dann sagt sie: „Aber das geht nicht. Andrew und ich können uns keine neuen Klamotten leisten.“

„Ich hab doch gesagt, dass wir die Sachen von meinem Taschengeld bezahlen!“, wiederholt Bill.

„Das können wir nicht annehmen. Ich kann‘s dir nicht zurück geben.“, sagt Ellen und senkt ihren Blick auf den Boden.

„Keine Wiederrede. Wir gehen in die Stadt und zwar jetzt. Es ist erst halb drei.“, sagt Bill entschlossen. Den anderen zwei bleibt nichts anderes übrig als nachzugeben und mit Bill in die Stadt zu laufen.

Vor dem H&M bleibt Bill stehen und sagt: „So. Hier finden wir bestimmt etwas. Andrew, du gehst ganz hoch und suchst dir was aus und probierst die Sachen an. Ich bleib mit Ellen hier unten.“

Andrew nickt kurz und ist schon verschwunden.

„Aber was ist, wenn-“, setzt Ellen besorgt an.

„Ihm passiert nichts. Er kann auch auf sich selbst aufpassen.“, beruhigt Bill sie.

„Okay.“, sagt Ellen leise. Bill hat sie leicht eingeschüchtert.

„Dann lass uns mal gucken, ob wir was Schönes finden.“, versucht Bill sie wieder auf andere Gedanken zu bringen.

Bill verschwindet in den Reihen von Kleiderständern. Also was würde Ellen gefallen, ihren Geschmack kann man bei den jetzigen Klamotten schlecht einordnen, doch bevor er sich für irgendwas entscheiden kann kommt Ellen schon zu ihm: In der Hand hält sie ein grell grünes T-Shirt. Mit schwarzer Schrift steht drauf Don´t worry, Be happy!

„Hey! Typisch Mädchen. Shoppen musst du gar nicht erst lernen“, an dieser Stelle streckt Ellen ihm die Zunge raus.

„Weißt du überhaupt was drauf steht?“, fragt Bill.

„Das wollt ich dich gerade fragen“, sagt sie.

„Der Text ist cool. Sei nicht traurig. Sei fröhlich.“

„Cool. Kann ich es anprobieren?“, fragt sie. Schon wieder hört Bill die Unsicherheit in ihrer Stimmer raus.

„Klar, guck da ist eine Kabine.“ Bill zeigt auf den roten Vorhang der Umkleide. Zielstrebig läuft Ellen darauf zu. Bill folgt ihr und wartet.

„Was hast du für eine Größe genommen?“, fragt Bill während Ellen sich umzieht.

„Die kleinste“, sagt Ellen und zieht den Vorhang zurück, damit Bill sie bewundern kann und das stimmt, sein einziger Gedanke ist wow.

„Sitz wie angegossen oder? Jetzt brauchst du noch eine Hose.“, sagt Bill. Er möchte ihr erst sagen, wie hübsch sie aussieht, wenn das Outfit komplett ist.

Ellen nickt.

„Komm“, sagt sie zu Bill. „Mein letzter Shoppingtrip ist schon so lange her, dass ich mich gar nicht mehr richtig dran erinnern kann. Aber das hier macht voll Spaß. Mit dir.“ Bill lacht und sagt: „Freut mich. Hier.“ Er setzt ihr frech einen Strohhut auf.

„Oh. Ist das jetzt die neueste Mode? Wenn dann brauchst du auch einen.“, beschließt Ellen. Keine zwei Sekunden später hat Bill auch einen Hut auf.

„Ellen! Das ist ein Frauenhut!“, ruft Bill entrüstet.

„Na und? Ich finde der steht dir!“ Ellen kriegt sich vor Lachen kaum ein.

„Ich nehm das mal als Kompliment.“, sagt Bill, der ebenfalls Lachen muss.

Die zwei legen die Hüte zurück und suchen nach einer Hose für Ellen. Es dauert nicht lange und Ellen ist wieder in der Umkleide. Als sie rauskommt trägt Ellen zu dem T-Shirt eine blaue Röhrenjeans mit kleinen rissen drin.

„Echt Ellen, du siehst voll hübsch aus.“, sagt Bill nickt anerkennend. Ein kleines Pfeifen kann er sich nicht verkneifen.

„Danke, du mit Sonnenhut aber auch.“, sagt Ellen.

„Haha sehr witzig. Ich glaub ich muss mir nochmal überlegen, ob ich dir die Sachen kaufe.“, sagt Bill gespielt ernst.

„Ah. Nein, du siehst auch ohne Hut gut aus.“, versichert Ellen ihm schnell. Er hofft mal, dass sie das ernst meint.

„Keine Sorge. Ich kauf dir die Sachen.“, sagt Bill.

„Danke.“ Ellen kommt auf Bill zu. Es sieht aus als will sie ihn umarmen, doch dann bleibt sie stehen. Bill denkt, dass sie jetzt ganz normale Klamotten anhat, also geht er hin und umarmt sie.

„Mach ich doch gern! Und jetzt zieh dich um, dass wir zu Andrew können!“

In Windeseile hat Ellen sich umgezogen und Bill denkt, wie Kleider eine Person verändern. Ellen sieht jetzt ganz anders aus, in ihren verdreckten und zerrissenen Klamotten. Nicht mehr so hübsch aber trotzdem hat sie noch etwas Bezauberndes an sich.

Andrew hat sich für ein eine etwas verwaschene Jeans entschieden und dazu ein graues T-Shirt auf dem eine Faust mit hoch gestrecktem Daumen abgedruckt ist. An der Kasse bezahlt Bill 85 Dollar. Naja er wird’s überleben. Anscheinend hat Ellen Bills Gedanken gelesen, denn als sie auf dem Rückweg sind sagt sie: „Wenn ich irgendwas machen kann um es wieder gut zu machen dann sag es mir.“

„Ich hab gesagt, dass ich es gern mache und das meinte ich auch so. Es ist kein Problem, ich hab noch genug Geld.“, sagt Bill. Es ist ja auch kein Problem aber warum beschäftigt es ihn dann so? Weil es für Ellen und Andrew ist. Er kennt sie nicht mal 4 Tage und kauft ihnen Klamotten für fast 100 Dollar. In seinen Gedanken vertieft läuft er weiter und trägt die H&M Tüte für Ellen und Andrew.

Ellen

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