Читать книгу Ellen - Melanie Schmitt - Страница 5

Kapitel 2

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Bill

„Warum hast du ihnen das Brot gegeben?“, fragt Phillip nun schon zum tausendsten Mal. „Wie oft noch ich hätte es weggeschmissen.“, entgegnete Bill, nun langsam wirklich genervt. Bill guckt zurück, das Mädchen und der Junge sitzen immer noch da. Sie sind so dünn. Die langen hellbraunen Haare des Mädchen, der er das Brot gegeben hat sind ganz zerzaust, die des Jungen auch, die Kleidung zerrissen und dreckig. Ob sie wohl Straßenkinder sind, zu Hause nichts geboten bekommen oder was sonst noch alles in New York möglich ist. Bill kann es sich überhaupt nicht vorstellen, wie es ist auf der Straße zu leben. Sein Vater ist Finanzmakler an der Börse von New York City. Bill bekommt immer alles was er möchte, ob es jetzt ein neues iPhone ist, neue Markenklamotten, das alles spielt keine Rolle.

„Du hättest es den Enten geben können am Ufer vom Hudson River.“, wendet Jessica ein und streicht ihre roten Haare hinters Ohr.

„Die Enten werden täglich von den Touristen vollgestopft.“, argumentiert Bill und ignoriert Jessicas schmachtende Blicke.

„Du scheinst ja richtig stolz auf deine Tat zu sein.“, sagt Phillip. Himmel, es war Bills Entscheidung gewesen, auch wenn er es selbst nicht ganz verstand, warum er so gehandelt hat. Er verstand auch nicht warum er jetzt das sagt: „ Geht ihr Nachhause, ich…äh muss noch meinen Vater anrufen.“

„Ich dachte der mag es nicht, wenn du ihn während der Arbeit anrufst.“, sagt Jessica.

„Ist eben dringend.“, kontert Bill und wirft einen Blick zurück über die Schulter. Er weiß nicht wie lange sie noch da auf der Bank sitzen bleiben. Wenn er noch zu ihnen will, muss er sich beeilen. Bill ist über sich selbst etwas verwirrt, aber irgendwas in ihm sagt, dass er nochmal zurück gehen sollte.

„Na okay. Wir sehen uns Kumpel.“, sagt Phillip und klopft seinem Freund Bill auf die Schulter. Bill verabschiedet sich von Sarah, die sich komplett aus der Diskussion rausgehalten hat und von Jessica, die ihn länger als nötig umarmt. Er hasst ihre Anhänglichkeit. Jess ist nicht sein Typ. Warum kapiert sie das nicht? Er weiß, dass viele Mädchen auf ihn stehen. Doch die Richtige war noch nicht dabei. Bill wartet bis die Drei abbiegen und aus seiner Sicht verschwinden. Der junge Mann dreht sich um und läuft zurück zu den zwei, die noch immer auf der Bank sitzen. Er schätzt dass das Mädchen so zwischen 15 und 17 Jahren ist, der Junge wird 8 sein. Abrupt bleibt Bill stehen. Was soll er denn überhaupt sagen? Vielleicht, „Hey, hat euch das Brot geschmeckt?“ So eher nicht, denkt er. Bisher hat so etwas noch nie getan. Sonst wirft er Straßenkindern immer Sprüche an den Kopf und lacht sie aus. Die zwei scheinen ihn zu beobachten, wie er langsam zu ihnen hingeht. Sein Geldbeutel steckt in seiner hinteren Hosentasche, er holt ihn hervor und zieht 10 Dollar raus.

„Äh… ich weiß ja nicht ob….ja…ähm hier.“, stottert er und legt den Schein auf den Schoß des Mädchens. Sie guckt nur auf das Geld und gerade als Bill wieder gehen möchte hebt sie den Kopf und sagt: „Nein.“

„Warum? Wir können das doch gut gebrauchen.“, fragt der kleine Junge.

„Er hat uns schon das Brot gegeben, da muss er uns nicht auch noch Geld geben.“, sagt sie zu ihm, steht auf und hält Bill das Geld entgegen. Doch er schließt nur die Hand des Mädchens um den Schein, obwohl es ihn Überwindung kostet sie anzufassen.

„Behalte es.“, sagt Bill. „Deinem Bruder zuliebe. Seit ihr überhaupt Geschwister?“, fügt er hinzu.

„Ja. Ellen ist meine Schwester. Die tollste die man sich nur wünschen kann.“, antwortet ihr Bruder wie aus der Pistole geschossen. Bill grinst. Er hat keine Schwester, auch keinen Bruder. Wahrscheinlich ist sie wirklich eine tolle Schwester, denkt er. Ellen hat ihrem Bruder das Brot komplett gegeben und dabei höchstwahrscheinlich ihr eigenes Verlangen unterdrückt.

„Schöner Name.“, sagt er und lässt ihre Hand los.

„Danke, aber bitte behalte du das Geld . Andrew komm wir müssen gehen.“ Er ignoriert ihren ausgestreckter Arm mit dem Geld und murmelt „ Ich dachte Straßenkinder wären dankbar.“ vor sich her. Unglücklicherweise hat er es nicht leise genug gesagt. Erst ein paar Sekunden später begreift er, dass das wohl kein Kompliment war. Richtig bewusst wird es ihm auch dann, als Ellens Augen sich mit Tränen füllen, sie ihm das Geld vor die Füße schmeißt, Andrew am Arm nimmt und wegrennt.

„Ja. Ja verdammt nochmal. Wir sind zwei von den 1000 beschissenen Straßenkinder in New York.“, ruft sie. Hätte sie doch wenigstens das Geld genommen.

Bill macht sich auf den Nachhauseweg um dort die Hausaufgaben zu erledigen. Hausaufgaben bedeutet Schule, Andrew und Ellen sind garantiert nicht in der Schule. Bills Vatersagt immer wieder, andere wünschen sich in die Schule gehen zu können und er würde sich nur beschweren. Das stimmte es war nicht gerade seine Lieblingsbeschäftigung. Ob die zwei Straßenkinder gerne in die Schule gehen würden? Er weiß es nicht. Obwohl Bill auch mit der U-Bahn fahren könnte, entscheidet er sich für den Weg zu Fuß, da er noch etwas frische Luft braucht bevor er sich den Hausaufgaben widmen kann. Er braucht auch frische Luft um auf andere Gedanken zu kommen, doch es klappt nicht. Immer wieder hat er das Bild vor Augen wie Ellen weint, nur weil er den einen Satz gesagt hat. Sicher, es wird nicht schön sein, auf der Straße leben zu müssen, deswegen tut es ihm auch leid.

Daheim angekommen versucht er seine Hausaufgaben zu erledigen. Ordentlich und detailliert klappt mal wieder nicht, also gibt er es auf und schreibt irgendeinen Schrott hin. Immerhin kann ihm jetzt keiner vorwerfen er hätte nichts getan. Anschließend lässt er sich auf sein Bett fallen und schaut Fern.

Ellen

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