Читать книгу Ellen - Melanie Schmitt - Страница 9
Kapitel 6
ОглавлениеBill
Jetzt hat Bill selbst Hunger. In der Küche öffnet er den Kühlschrank und holt sich einen Joghurt raus. Gerade als er sich’s im Wohnzimmer bequem machen möchte, hört er wie die Haustür aufgeht und seine Mutter ruft: „Hallo Bill!“ „Hi“, murmelt Bill als seine Mutter ins Wohnzimmer kommt und ihre Handtasche auf die Kommode legt. Hinter ihr kommt auch Bills Vater in den Raum.
„Na mein Großer, alles klar soweit? In der Schule auch alles okay?“, fragt er. Mein Großer! Kann man nicht ganz normal mit ihm reden? Wenn seine Eltern wüssten, dass er nicht in der Schule war, bräche der erste Weltkrieg erneut aus. Sobald er sagt ihm geht’s nicht gut, ist es kein Problem, dass Bill zu Hause bleibt. Doch schwänzen, blau machen, geht gar nicht. Seine Eltern sind fest davon überzeugt, dass ihr Sohn studiert und einen Beruf ausübt, der viel Geld bringt und ihm somit eine gute Zukunft sichert. Dabei weiß er nicht mal ob er das möchte. Wahrscheinlich würde sogar noch der dritte Weltkrieg ausbrechen, wenn Bills Eltern wüssten, dass er wegen zwei Straßenkindern nicht in die Schule gegangen ist.
„Alles okay.“, antwortet er schlicht. Lügen viel ihm noch nie besonders leicht, also versucht er es wenigstens durch knappe Antworten glaubhaft rüber zu bringen.
Nachdem Bill fertig gegessen hat geht er in sein Zimmer und hängt das iPhone ans Ladekabel. Andrew hat den Akku komplett verspielt. Doch Bill stört sich nicht weiter dran. Das Lernen mit Ellen hat ihm sogar richtig Spaß gemacht. Noch bevor er sich eine Beschäftigung für den Abend suchen kann klingelt es an der Haustür. Hoffentlich ist es nicht Jessica, die Fragen will, was los ist. Schnell geht er an die Tür, bevor noch seine Eltern öffnen. Im Fall der Fälle könnte er sich noch irgendwie rausreden. Der junge Mann ist überrascht, als er sieht wer vor ihm steht. Phillip. Naja so überrascht ist er dann doch nicht, immerhin ist Phil sein bester Freund oder Kumpel, je nachdem wie man es nennen möchte.
„Hi. Wollte mal fragen was los-“, setzt Phil an.
„Halts Maul! Wir reden gleich drüber“, erwidert Bill leise. Mit kräftiger und lauter Stimme sagt er noch: „Ah hi Phil. Komm rein, dann können wir das Referat besprechen.“ Beim reden wirft er den Kopf über seine rechte Schulter, damit seine Eltern ihn auch wirklich hören. Phillip bleibt nichts anderes übrig als zu nicken und mit leicht verwirrtem Gesichtsausdruck mit Bill in dessen Zimmer zu gehen.
Phil schließt die Tür und setzt sich neben Bill aufs Sofa.
„Was war das denn grad? Ich wollt doch nur wissen, warum du nicht in der Schule warst. Auf die SMS hast du auch nicht geantwortet, sowas gibt’s bei dir eigentlich nie!“, fragt Bills Freund.
„Wegen eben…, also meine Eltern wissen nicht das ich nicht in der Schule war.“, antwortet er. Doch im Prinzip war es keine wirkliche Antwort auf Phils Frage.
„Und warum bist du nicht dort gewesen?“, bohrt sein Freund weiter.
„Mann Phil, soll das jetzt ein Verhör werden?“, ruft Bill und starrt Phillip entgeistert an.
„Nein. Aber ging’s dir nicht gut? Du hast nicht auf die SMS geantwortet. Für deine Verhältnisse ist das voll merkwürdig.“, erklärt Phil seine Verwirrtheit.
Sind es eigentlich nicht seine Angelegenheit und seine Gründe? Soll er Phil ins Vertrauen ziehen? Bill entscheidet sich dagegen, denn er steckt schließlich nicht in irgendwelchen Problemen.
„Du hast gesagt es wird kein Verhör!“, sagt Bill.
„Schlecht geht’s dir mal auf keinen Fall.“, stellt Phillip gelassen fest.
„Tja dann weißt du´s doch! Ich hab geschwänzt. Kein Bock auf Schule. Gecheckt Phil? Was die SMS angeht,…. Mein Akku war leer.“, sagt Bill, was ja auch gar nicht so falsch ist.
Doch in diesem Moment kommt ihm kein so erfreulicher Gedanke. NORMALERweise geht niemand ins Gartenhaus. Bill müsste eigentlich ein Auge auf seine Eltern werfen. Geht aber schlecht, schließlich ist Phillip da. Schnell steht Bill auf und guckt aus dem Fenster. Scheiße, er kann nicht weit genug um die Ecke schauen, um das Versteck von Ellen und Andrew zu beobachten. Ob sie schon schlafen? Er weiß nicht wie es passiert, aber auf einmal fragt er sich woran Ellen gerade denkt oder wovon sie träumt. Was ist wohl mit ihren Eltern? Bill hat versprochen nie zu fragen, doch er wüsste zu gern, warum er nicht fragen darf und was vorgefallen ist.
„Ich glaub dir nicht, Bill. Du wirkst nervös.“, sagt Phillip und beobachtet Bill kritisch.
„Ich nervös?! Ach Quatsch!“
„Spuck es schon aus.“
Also gut, überredet.
„Phil du bist mein bester Kumpel. Ich verlass mich drauf, dass du es niemandem sagst.“ Bill erinnert sich, dass Phil von der Brotgeschichte nicht so begeistert war. Ob er bereits einen Fehler begangen hat? Nein. Bill denkt nicht, denn es fühl sich so verdammt richtig an. Allein schon ihnen geholfen zu haben.
„Klaro, Mann.“, versichert Phil.
Bill beschließt Phil alles zu erzählen, soll der doch denken was er will.
„Du erinnerst dich doch bestimmt noch an die Sache mit dem Brot und den zwei Straßenkindern?“
„Ja tu ich. Sag jetzt aber bitte nicht, dass es was mit denen zu tun hat.“, bittet Phil und sinkt auf seinem Platz enttäuscht zusammen.
„Gut und lass mich erzählen. Danach hab ich ja gesagt, ich müsse mit meinem Vater telefonieren. Das hat aber nicht gestimmt. Ich bin zurück gegangen um Ellen und Andrew Geld zu geben, welches sie nicht angenommen haben. Als sie dann weggerannt sind, war für mich damit dann die Sache erledigt. Heute Nacht bin ich dann aber von einem Husten wach geworden. Ellen und Andrew haben sich die Bank vor unserem Haus zum Schlafen ausgesucht. Weder ich noch sie können was dafür.“ Bill erzählt weiter bis zu dem jetzigem Zeitpunkt. Phil bleibt ruhig und schüttelt nur ab und an den Kopf. Nachdem Bill fertig erzählt hat sagt Phil: „Denkst du das war richtig?“
„ Warum sollte es falsch gewesen sein?“
„ Ich mein ja nur. Bis jetzt sind wir an Pennern immer-“
„ Jetzt hör mir mal genau zu. Die zwei, sind ganz bestimmt keine Penner.“, sagt Bill und muss sich bemühen seine Stimme nicht zu laut werden zu lassen.
„ Okay, okay ich mein ja nur wir sind einfach immer an solchen Leuten vorbeigelaufen. Warum gerade sie?“, korrigiert sich Phillip rasch.
„Ellen hat mich nach dem Brot gefragt. Sie hat mir einfach leid getan. Außerdem hat sie doch sonst nix. Getrunken hatte sie fast eineinhalb Tage nichts.“
„Kann dir doch egal sein. Du scheinst diese … Ellen ja schon richtig gut zu kennen. Lass dich nicht irgendwie in dieses Mitleidsding ziehen, Bill. Ich geh jetzt, ich will nix mit,…-“, setzt Phil an, unterbricht sich aber selbst. Was ist jetzt ihn Phil gefahren? Soll er doch verschwinden, geht ihn sowieso nix an. Doch vorher muss Bill noch was klären.
„Sag es doch. Jetzt sag schon. Du willst nichts mit jemanden zu tun haben der zwei Straßenkindern hilft. Nur mal so nebenbei ich habe geholfen. So etwas nennt man hilfsbereit und Sozial. Schon mal davon gehört?“ Bill steht auf und schubst Phillip an den Schultern weg.
„Hab ich so nicht gesagt.“, protestiert Bills Freund und wirkt auch schon um einiges gereizter als vor ein paar Minuten.
„Aber gedacht. Hau ab.“, zischt Bill. Er muss sich zusammenreißen nicht auszurasten. Ohne ein weiteres Wort verlässt Phil das Haus.
War es vielleicht doch ein Fehler? Bill will nicht dass er seine Freunde verliert. Doch er kann jetzt auch schlecht zu Ellen gehen und sagen „bitte geht meine Freunde sind mir wichtiger als ihr“. Wobei irgendwie sind ihm Ellen und Andrew nach dem einen Tag auch schon wichtig geworden. Er möchte nicht dass sie hungern. Bill geht nach unten zu seinen Eltern und sagt: „Phil hat was vergessen. Ich bring es ihm schnell hinterher.“ Natürlich hat Phillip nichts vergesse, weil er auch nichts dabei gehabt hat. Selbst wenn, im Moment würde bill ihm nicht wie ein Schoßhündchen nach rennen. Draußen läuft Bill zum Gartenhaus und geht rein. Andrew schläft auf der Couch, Ellen auf dem Boden. Es scheint alles in Ordnung zu sein, gerade als er wieder gehen möchte flüstert eine leise Stimme: „Bill? Bist du das?“
„Ja tut mir leid ich wollt dich nicht wecken. Ich hab gedacht ich guck mal ob alles okay ist. Schlaf weiter.“, sagt er.
Bill ist schon wieder fast draußen, da flüstert Ellen: „Bill?“
„Ja?“ Mitten in der Bewegung hält er inne.
„Danke“, sagt Ellen. Er kommt auf sie zu und geht neben ihr in die Hocke und sagt: „Kein Problem. Habe ich gern gemacht.“
Ellen sieht richtig lieb aus, wie so dort liegt. Die Decke bis zum Hals hochgezogen und die Arme unter ihr versteckt. Nur ihre Haare sind verstrubbelt und ungepflegt. Genauso wie Andrews. Angenommen er würde morgen wieder nicht in die Schule gehen, könnte er die zwei ins Haus bringen, sobald seine Eltern auf der Arbeit sind. Im Haus könnten sie sich sauber machen. Hilfe! Was denkt er hier. Wenn er das macht, ist die Freundschaft mit Phil komplett kaputt.
„Ellen, hör mir mal zu. Ihr könnt morgen gern noch hier bleiben. Ich kann nur erst morgen Mittag nach der Schule wieder kommen. Es wird schwer werden euch morgen früh schon essen zu bringen, weil meine Mutter hat erst später einen Termin.“, erklärt Bill.
„ Du machst schon genug. Ist in Ordnung“, erwidert sie. Mit einem Schlaf gut verlässt Bill das Gartenhaus und kehrt in sein Zimmer zurück. Bill zieht sich um und schreibt eine SMS an Phil. Sorry wegen vorhin!!! Bitte sag es niemandem!!!
Blöderweise läuft nichts Gescheites im Fernsehen, also bleibt Bill nichts anderes übrig als auf dem Bett zu sitzen, sein Handy anzustarren und auf eine Antwort zu warten. Das Display erleuchtet aber es ist nur eine SMS von Jessica, was los ist. Bill schreibt zurück: Mir ging’s nicht gut. Gott sei Dank kommt keine weitere SMS von ihr, doch zum Glück kommt endlich nach einer gefühlten Ewigkeit die Antwort von Phil. Ok. Er ist immer noch sauer, denn sonst hätte Phillip nie diese nicht Aussage kräftige SMS geschrieben. Zurück schreiben bringt doch eh nichts, denkt sich Bill und versucht anschießend ein zu schlafen.