Читать книгу Burned - Melissa Ratsch - Страница 12

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„Alkohol vor vier Uhr, so tief bist du also schon gesunken?“

Lu stieß ein tiefes Knurren aus, das den Mann hinter der Bar zusammenzucken ließ. Mit angstvollem Blick sah er ihn an, ehe er eilends an das andere Ende der Theke lief.

Neben ihn setzte sich jemand und Lu musste sich zwingen, nicht aufzuspringen und diesem Jemand entweder die Scheiße aus dem Leib zu prügeln oder mit dem Stuhlbein des Barhockers zu pfählen. Beide Vorstellungen waren verlockend, auch wenn sein neuer Nebensitzer nicht sterben konnte.

Da er aber über mehr Selbstbeherrschung verfügte, als man ihm vielleicht zutraute, tat Lu nichts dergleichen. Stattdessen erwiderte er: „Ich bin der Teufel, mir gehört schon das Kellergeschoss.“

„Nicht mehr lange“, kicherte Gabriel und klang dabei wie ein verdammtes Schulmädchen. Aber statt einem Kind mit Kleidchen und geflochtenen Zöpfen saß neben Lu ein großgewachsener Mann mit braunen Augen und goldblonden kurzen Haaren, die er sich tatsächlich mit Gel zurückgekämmt hatte. Igitt.

Er sah mit seinem weißen Hemd, den sauberen Jeans und den Arbeitsstiefel so ekelerregend tugendhaft aus, dass Lu der Whisky fast wieder hochgekommen wäre.

„Du bist fast so ein großes Arschloch wie Michael“, erwiderte Lu und zeigte ihm den Finger, ehe er sein Glas leerte und gleich wieder nachfüllte.

„Luzifer“, seufzte der Erzengel und winkte nach dem Barmann, „du warst schon immer eine Enttäuschung. Auch deine Beleidigungen waren einmal origineller.“

„Tut mir leid, für den dritten in der Reihe ist leider nicht mehr viel übrig. Du kannst Rafe schon mal schöne Grüße von mir ausrichten, dass er sich gar nicht bemühen muss, seinen Arsch hier herunter zu schwingen.“

„Ich wusste, dass du das sagen würdest.“

„Ist auch keine Kunst“, knurrte Lu. Gabriel war nicht nur Vorsteher der himmlischen Heerscharen, sondern auch derjenige unter den Erzengeln, der Nachrichten und Visionen übermittelte. Der Drecksack wusste mehr oder weniger alles. Was Lus Magenschmerzen verstärkte, denn wenn Gabriel hier war, konnte das durchaus bedeuten, dass sein Plan aufgeflogen war. Dabei hatten sie nicht einmal richtig angefangen.

Aber er hütete sich davor etwas in diese Richtung zu sagen, denn vielleicht hatte er auch mal Glück und der blonde Erzengel hatte keinen blassen Schimmer.

„Was willst du hier? Außer mich beim Trinken zu stören?“

Gabriel seufzte, als müsse er um Geduld ringen. Gut so.

„Ich bin hier, um dir die Bedingungen für die Übernahme der Hölle zu übermitteln.“

„Ah, also als geflügelter Postbote. Und ich dachte schon, dass es etwas Wichtiges wäre.“

Der Erzengel zog die Mundwinkel nach unten. „Du weißt nicht, wie oft ich mir wünsche, dass Er dich nicht erschaffen hätte.“

„Niemand hat mich geschaffen, ich habe mich selbst geschaffen.“

„Das ist eine Lüge und das solltest du wissen, schließlich bist du der unangefochtene König der Lügner.“

Lu lachte und erwiderte mit einem Grinsen: „Ich bin mir zu 97 % sicher, dass du mich nicht magst. Aber ich weiß zu 100 %, dass es mich nicht interessiert.“

„Ich hoffe, du erstickst eines Tages an der Scheiße, die du die ganze Zeit von dir gibst“, konterte Gabriel hitzig. Ein gefährliches Lodern trat in seine braunen Augen. Himmlisches Feuer, das die Macht hatte, alles und jeden sowohl im Himmel, auf der Erde als auch in der Hölle zu versengen. Er war es gewesen, der Lilith verbrannt hatte, war der Grund für die Narben, die die Königin der Dämonen nach all den Jahrtausenden noch immer quälten, auch wenn sie augenscheinlich verheilt waren.

„Na, wer hätte das gedacht“, schnurrte Lu und lehnte sich ein Stück näher zu dem Erzengel, bis sich ihre Oberarme berührten. Ungeniert erwiderte er seinen starren Blick. „Ein Liebling des Himmels flucht. Mich würde interessieren, woher du diesen Wortschatz hast und was der Alte dazu sagt.“

„Du bist unverschämt“, schnaubte Gabriel und rückte von ihm ab. Es war wirklich lustig, wie peinlich die Federknäule auf körperlichen Abstand beharrten. Lu hatte es schon mehr als einmal geschafft, sie damit los zu werden, dass er ihnen eindeutige Avancen gemacht hatte.

Lu grinste bei der Erinnerung und schenkte sich Whisky nach. „Danke, das sehe ich als Kompliment.“

Der Erzengel knurrte etwas Unverständliches, ehe er sich zur Seite neigte und einen gefalteten Umschlag aus seiner Hosentasche zog. Vor Lu legte er ihn auf das abgestoßene Holz der Theke – und Lu erwartete fast, dass sich das blütenweiße Papier in die Oberfläche fraß. Am liebsten hätte er es in Flammen aufgehen lassen, aber das funktionierte leider nicht. So wie das erste Schreiben auch würde das Papier maximal an den Rändern zu kokeln beginnen.

„Ihr steht wirklich auf diesen Papierkram, oder?“, fragte er rau.

„Ria ist immer sehr bemüht und wir lassen ihr die Freude.“

Lu nahm das verhasste Dokument und schob es in die Gesäßtasche seiner Jeans.

„Schön, du hast deinen Job erledigt. Jetzt hopp-hopp nach Hause, bevor du dir hier vielleicht noch eine schlechte Angewohnheit einfängst.“ Er musterte Gabriel von oben bis unten, als würde er nach sichtbaren Makeln suchen.

Die Miene des Erzengels verdunkelte sich, aber er enthielt sich eines Kommentars. Stattdessen stand er auf und verließ ohne ein weiteres Wort die Bar. Der Hölle sei Dank.

Neben der Erleichterung sich nicht mehr mit dem Waschlappen unterhalten zu müssen war Lu noch aus einem anderen Grund froh, dass der Erzengel wieder gegangen war: Lilith wollte sich hier mit ihm treffen und wenn sie auf Gabriel traf… Sie war keine Gegnerin für ihn, neigte aber dazu, mit besonders widerlichen Zaubern um sich zu werfen und Lu wollte unter keinen Umständen ins Kreuzfeuer geraten.

Nein, er brauchte Lil konzentriert und einsatzbereit.

Zwanzig Minuten und die halbe Whisky-Flasche später betrat eine Frau die Bar. Sie war großgewachsen, hatte kleine Brüste, eine schmale Taille und rundliche Hüften. Ebenholzfarbene Locken ergossen sich über eine ihrer Schultern, sie hatte ein herzförmiges Gesicht und mandelförmigen Augen. Eben diese, Lu würde sagen sie waren grün, sahen sich suchend in der Bar um.

Lu hatte sie noch nie zuvor gesehen und doch erkannte er sie sofort.

Als sie ihn sah, schenkte sie ihm ein müdes Lächeln, kam zu ihm herüber und setzte sich auf den Barhocker, auf dem eben noch der verfluchte Erzengel gesessen hatte.

„Hey“, murmelte sie mit weicher Stimme, drückte einen Kuss auf seinen Hals und schnappte sich dann seinen Drink, um ihn in einem Zug zu leeren. Mit einem Schnippen in Richtung des Barkeepers orderte sie ein zweites Glas.

„Wie war dein Tag, Liebling?“, fragte Lu mit einem Lächeln.

„Ich fühle mich schmutzig“, verkündete Lil und riss dem unsicheren Barkeeper das Glas regelrecht aus der Hand. Während sie sich einschenkte, sagte sie: „In diesem Gebäude war so viel Gutes, dass es wie ätzender Nebel in der Luft hing. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, ich bekomme Asthma.“

Sie kippte den Whisky hinunter und seufzte. Dann lehnte sie sich mit dem Kopf an seine Schulter und murmelte: „Es war verdammt anstrengend.“

„Dafür siehst du unbeschreiblich niedlich aus“, sagte Lu und drückte einen Kuss auf ihren Scheitel. Von der Königin der Dämonen kam nur ein Knurren, während sie an ihrem dritten Drink nippte.

„Es hat mich fast zehn Minuten gekostet mich auf diesen Hammond einzugrooven.“

Irritiert zog Lu eine Augenbraue nach hoben. Für gewöhnlich war Lilith schneller. Sie hatte ein ausgeprägtes Talent dafür, innerhalb von wenigen Augenblicken genau zu wissen, welche visuellen Reize eine Person anzogen. Egal ob diese auf Männer, Frauen oder beides stand.

„Ist er asexuell?“, fragte Lu und konnte nicht verhindern, dass er angeekelt klang. Wie sehr musste Tas, die Tugend der Keuschheit, diesen Mann beeinflusst haben?

„Nein, ist er nicht“, antwortete Lil. Sie richtete sich wieder auf und erwiderte seinen Blick. „Aber ich würde meinen Hintern darauf verwetten, dass er bisher nicht viel herumgekommen ist. Was aber auch kein Wunder ist, wenn man bedenkt, wie tugendhaft er ist.“

„Da hast du wohl recht.“

„Immerhin hat ihn mein neues Aussehen ein wenig in Bedrängnis gebracht“, verkündete Lil und grinste selbstgefällig. „Er ist doch tatsächlich rot geworden.“

„Gut gemacht“, lobte Lu und lachte, als Lil ihm den Finger zeigte.

„Den Honig kannst du dir sparen, ich kaufe dir die Nummer eh nicht ab.“

Lu zuckte mit den Schultern und trank von seinem Whisky. „Gut. Dann lass mal hören.“

Lil setzte sich aufrechter hin und begann zu erzählen: „Die haben sich Auxilium genannt, wie das Lateinische Wort für Hilfe. Ekelhaft.“ Lil schüttelte sich, als würde ihr ein Insekt den Rücken hinunterlaufen. „Aber es passt leider.“

In knappen Worten berichtete sie Lu von all den Kampagnen und Vorgaben, die die Initiative vorantrieb, mit welchen Firmen und Behörden sie kooperierten und wie sie die Punktekonten der Menschen verwalteten. Sie hatten ihre Finger sprichwörtlich überall drin und beeinflussten die Gesellschaft äußerst effizient.

Lu war beeindruckt, wie viel Lil innerhalb von acht Stunden herausgefunden hatte. Sie musste sich wie ausgelaugt fühlen, weil das garantiert nicht ohne den Einsatz von viel Magie möglich gewesen war. Er war froh, dass er den Kühlschrank in seiner Wohnung mit all den Leckereien hatte bestücken lassen, die Lilith besonders gern mochte. Inklusive eines großen Vorrats an To'ak-Schokolade.

„Was ist mit den Flecken auf der Seele von Nicholas Hammond?“, wollte er zum Schluss ihres Berichts wissen.

„Ich konnte noch keine finden.“

„Verarschst du mich?“, platzte es aus Lu heraus, so dass sich einige der anderen Bargäste zu ihnen umdrehten. Sie wandten sich jedoch schnell wieder ab, als würden sie unterbewusst spüren, wer hier unter ihnen saß und dass sie besser nicht seine Aufmerksamkeit auf sich ziehen sollten.

Lil sah genauso unglücklich aus, wie Lu sich fühlte.

„Das heißt nicht, dass er keine hat“, sagte Lil. „Ich werde sie finden, das garantiere ich dir.“

„Das heißt, du gehst morgen wieder hin?“

„Ja – auch wenn ich mich lieber von einem Schwarm Kolibris zu Tode picken lassen würde.“

Lu lachte. „Das steht leider nicht zur Auswahl.“

„Das sollte es aber“, seufzte Lil. Sie trank ein wenig und lehnte sich wieder an seine Schulter. „Die sind da alle so nett.

„Du kannst auch nett sein.“

„Das ist aber jedes Mal verdammt anstrengend. Niemand flucht, niemand macht schmutzige Witze, keiner lästert. Stattdessen lächeln alle und sind immer freundlich.“

Unwillkürlich zog Lu die Mundwinkel nach unten, während er seinen Kopf drehte, um Lil anzusehen. „Sind dir auch wirklich keine Tugenden begegnet? Das hört sich ganz so an, als würden sie da wohnen.“

„Zum Glück nicht. Ich hoffe, dass sie da morgen auch nicht auftauchen.“

Lu lächelte, warf einige Geldscheine auf den Tresen und legte einen Arm um sie. „Du schaffst das. Und jetzt schwing deinen sexy Hintern von diesem Barhocker, damit wir nach Hause gehen können und du wieder dein eigenes Gesicht zeigen kannst.“

Er hörte Lil leise lachen, während sie seiner Aufforderung nachkam.

Burned

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