Читать книгу Burned - Melissa Ratsch - Страница 14
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Оглавление„Jetzt entspann dich“, sagte Lu zu Gul und musterte die Todsünde mit hochgezogener Augenbraue. „Sonst gewinne ich noch den Eindruck, dass das dein erstes Mal ist, dass du einen Menschen verführen willst.“
„Red keinen Unsinn“, schnaubte Völlerei. „Aber bisher ging es nie um so viel.“
Lu seufzte, denn Gul hatte Recht. Er stellte sich vor den Mann und richtete seine Fliege. Nicht weil sie schief saß – Gul war wie immer in makellosem Armani gekleidet – sondern eher, um ihm ein wenig Zuwendung zuteil werden zu lassen.
Manchmal benahmen sich seine Sieben wie Kinder, obwohl sie fast so alt waren wie er selbst. Demnach war keine der Todsünden wirklich kindlich. Aber gelegentlich wandten sie sich an ihn wie zu einer Art Vater. Ihre Beziehung zueinander war kompliziert, geformt durch so viele Zeitalter und Epochen, dass Lu manchmal Kopfschmerzen davon bekam, wenn er darüber nachdachte.
Lu legte die Hände auf Guls Schultern und sagte: „Wer es schafft, selbst während Hungersnöten seinen Einfluss auf die Menschen geltend zu machen, der schafft es auch diesen Spießer zum Trinken zu überreden.“
„Ja, nicht wahr?“, fragte Gul und grinste vor sich hin.
„Ganz genau. Und jetzt los, ich werde nicht jünger.“
Ein Lachen von der Todsünde neben ihm, ehe sie sich in Bewegung setzten. Sie hatten sich in einer uneinsehbaren Nische des Luxushotels materialisiert, in dem an diesem Abend eine Spendengala für die Initiative stattfinden sollte. Nicholas Hammond war natürlich anwesend, ebenso wie zweihundert erlesene, stinkreiche Gäste. Lu rechnete fest damit, dass hier einige Kandidaten für sein Reich herumliefen und es sollte ihn der Schlag treffen, wenn er ihre Seelen verlieren würde.
Obwohl sie keine Einladung hatten, passierten sie den Empfangstresen und die anschließenden Sicherheitsleute ohne Probleme. Es war lächerlich wenig Magie nötig gewesen, um die Menschen davon zu überzeugen, dass sie hierhergehörten.
Lu seufzte, als sie endlich in den Saal gelangt waren, und richtete sein schwarzes Jackett. „Wäre ich kleinlicher, dann hätte ich Geld verlangen müssen für die Grabscherei, die der Sicherheitsmann da eben abgezogen hat.“
Gul lachte neben ihm, ein durchtriebenes Funkeln in den schwarzen Augen.
„Du siehst aber auch zum Anbeißen aus“, schnurrte er und musterte Lu von oben bis unten, als wolle er ihn ausziehen. „Ich wusste nicht, dass du so etwas neben deinen zerrissenen Jeans und den T-Shirts im Schrank versteckst.“
„Beklagst du dich gerade über meinen Kleidungsstil?“
„Niemals, mein Fürst.“ Dieses Mal war es Gul, der sich an Lus Kragen zu schaffen machte. Er hatte im Gegensatz zu Völlerei auf eine Fliege verzichtet, trug zu dem maßgeschneiderten schwarzen Anzug nur ein schwarzes Hemd, ganz ohne zusätzlichen Schmuck am Hals. Eben bei diesem Hemd öffnete Gul die obersten zwei Knöpfe.
„So ist es besser“, verkündete er zufrieden. „Niemand kauft dir den zugeknöpften Milliardär ab.“
„Du und Bia, ihr seid euch manchmal so ähnlich.“
Daraufhin zuckte Gul nur mit den Schultern und ließ die Hände sinken, ehe er sich umsah. Lu tat es ihm gleich und fragte: „Wie willst du es anstellen?“
„Ich?“
„Ja, natürlich du. Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass ich nur als Zaungast hier bin. Ich werde mich hüten, mich in deine Angelegenheiten einzumischen.“
„Ein feiner Fürst bist du“, murrte Gul und schüttelte den Kopf. „Na schön. Setzen wir uns und dann sehen wir weiter.“
Gemeinsam bahnten sie sich einen Weg durch die locker verteilten Tische. An jedem einzelnen war für zehn Personen eingedeckt worden, kleine Karten waren auf den Platzsets verteilt und der Tischschmuck war schlicht, aber stilvoll. Dieses Thema zog sich durch den ganzen Saal des Hotels, bis vor zu dem kleinen Podium. Es war bereits die Hälfte der Gesellschaft anwesend, so dass das Gemurmel ihrer Gespräche zu einem monotonen Hintergrundgeräusch verschmolz.
Mehr als ein Augenpaar folgte den beiden Männern bei ihrem Weg, zu Lus Freude und Erleichterung waren es durchweg menschliche. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn zumindest eine Tugend oder gar ein verschissener Erzengel hier herumlungern würde.
Wie selbstverständlich gingen Gul und er zu einem der vordersten Tische. Vier der anderen Tischgäste waren bereits anwesend: Zwei Frauen in hochgeschlossenen, traurig-unförmigen Etuikleidern und zwei Männer in schlichten Smokings.
Etwas wie Aufregung erfasste Lu, denn einer der Herren war Nicholas Hammond.
Die Gelegenheit sich mit Mr Hammond zu unterhalten, ergab sich vor dem offiziellen Teil der Veranstaltung nicht, doch das störte Lu wenig. Was ihm gewaltig auf den Sack ging, war das elende Geschwafel der Redner, die einer nach dem anderen zu dem Podium gingen und immer wieder denselben Mist mit anderen Worten sagten.
Eine Hälfte versuchte auf das Mitgefühl und das Gewissen der reichen Geldsäcke einzuwirken – schlechte Strategie – während die andere Hälfte sich besser anstellte, denn sie hoben die gute Publicity und die steuerlichen Vorteile hervor, die mit einer großzügigen Spende einhergingen.
Ihnen war Lu fast schon wohlwollend gegenüber gestimmt, doch Dummschwätzer waren sie alle.
„Ich werde von Menschen heimgesucht“, flüsterte Lu in sein Glas, ehe er den teuren Scotch hinunterkippte.
„Nicht nur du“, seufzte Gul neben ihm. „Manchmal sind sie so lästig. Sie reden und reden und reden…“
„Ja“, pflichtete Lu ihm bei. „Darum schauen wir uns auch an, was sie tun, anstatt auf ihr ständiges Geschwätz zu hören.“
„Mr Hammond ist aus einem anderen Holz geschnitzt.“ Gul deutete mit einer kleinen Kopfbewegung zu dem Menschen, der mit ernster Miene weiter souverän seinen Vortrag hielt. Er sah so rechtschaffen aus, mit dem akkuraten Kurzhaarschnitt seiner dunkelblonden Haare und dem schlichten Anzug.
Zum Glück war er der letzte Redner für diesen Abend.
Lu seufzte: „Natürlich, sonst säßen wir nun nicht so tief in der Scheiße.“
Nach einer gefühlten Ewigkeit – und das sollte etwas heißen, so alt wie Lu war – ertönte endlich der Abschlussapplaus und die Veranstaltung ging zum angenehmeren Teil über. Getränke wurden nachgeschenkt und die ersten Horsd'œuvre von den Kellnern herumgereicht.
Und endlich kam der Mann an den Tisch zurück, dessen Untergang Lu und jedes einzelne Höllengeschöpf herbeisehnte.
„Glückwunsch, Mr Hammond“, lobte Lu, prostete dem Mann zu und schenkte ihm ein gewinnendes Lächeln. Gul fiel in sein Lob mit ein.
„Danke die Herren“, erwiderte Mr Hammond, ein echtes Lächeln in den braunen Augen. „Bitte entschuldigen Sie, ich habe ein grauenhaftes Namensgedächtnis. Sie sind Mr…?“
„Morningstar“, erwiderte Lu und nahm die angebotenen Hand von Mr Hammond, wenn auch widerwillig. Er hatte Lil nicht angelogen als er sagte, dass er fürchtete, in der Nähe dieses Mannes Ausschlag zu bekommen. Doch weder eine spontane allergische Reaktion noch Rauch stieg auf, als er die Hand des Mannes schüttelte.
„Eine Freude Sie kennenzulernen“, fügte er hinzu. „Darf ich Sie meinem Begleiter Mr Smith vorstellen?“
Gul schüttelte ebenfalls die Hand von Mr Hammond - und zog wie aus dem Nichts die Weinflasche hervor, die der erste Nagel zum Sarg von Nicholas Hammonds gutem Ruf werden sollte.
„Ich habe mir erlaubt, Ihnen ein besonderes Präsent mitzubringen“, setzte Völlerei an. „Als Zeichen meiner Bewunderung für Ihre Arbeit. Ich bin mir sicher, dass auch dieser Abend wieder ein voller Erfolg werden wird und es wäre mir eine Ehre, wenn Sie mit mir anstoßen würden.“
Gul spielte seine Rolle perfekt und Lu war tatsächlich stolz auf ihn. Denn das wahre Böse war, vor allen anderen Dingen, verführerisch.
Und das Lockmittel war perfekt, denn man konnte deutlich den Kampf in den Augen des Menschen sehen, die mit einer gewissen Begehrlichkeit auf dem Etikett lagen. Lu konnte nicht anders, als ein Quäntchen seiner Macht zu nutzen, um die moralische Waage von Mr Hammond zu seinen Gunsten ausschlagen zu lassen.
„Es wäre unhöflich, dazu Nein zu sagen“, antwortete er schließlich. Gul winkte sofort nach einem Kellner, um den teuren Tropfen dekantieren zu lassen.
Wie Blut floss der Wein in die bauchige Flasche und Gul wurde nicht müde, über die besondere Blume dieses Jahrgangs zu reden, wie meisterlich der Winzer sein Handwerk verstand und was für ein besonderer Genuss es war, etwas so Einzigartiges genießen zu dürfen.
Mit jedem einzelnen Wort zog Gul Mr Hammond weiter in seinen Bann, nährte in ihm das Verlangen nach dieser vermeintlich kleinen Sünde. Selbst Lu, der eher etwas für härtere Alkoholsorten übrig hatte, lief bei der Schwärmerei der Todsünde das Wasser im Mund zusammen.
Als Gul dem Menschen schließlich einschenkte und er an dem Glas roch, stahl sich ein Lächeln auf sein Gesicht. „Nun, in der Bibel heißt es ja schließlich ‚Der Wein erfreut des Menschen Herz‘.“
„Ein schönes Zitat“, sagte Lu und lächelte vor sich hin. „Sind Sie denn bibelsicher, Mr Hammond?“
„Nun, ich kenne sie zumindest so gut, wie jeder Christ sie kennen sollte.“
„Wussten Sie, dass in der Bibel Gott weit mehr Menschen tötet als der Teufel? Ganze fünfundzwanzig Millionen hat Er auf dem Gewissen, wohingegen der Teufel nur für sechzig Tode verantwortlich ist. Was meinen Sie, was das über die Güte des Herrn und die Boshaftigkeit des Teufels aussagt?“
Gul trat ihm unter dem Tisch ans Bein und er hätte ihn für diese Respektlosigkeit direkt in Flammen aufgehen lassen, doch er beherrschte sich. Dafür machte es ihm viel zu viel Spaß, die Schweißperlen zu beobachten, die bei seiner Frage auf der Stirn von Mr Hammond erschienen.
„Ach, tatsächlich?“
„Durchaus“, bestätigte Lu.
Nachdenklich betrachtete Mr Hammond ihn, seine Miene war nur schwer zu lesen. Doch er trank weiter von dem Wein, was Lu fast noch lieber war als der Denkanstoß, den er ihm eben gegeben hatte.
„Wissen Sie, Mr Morningstar“, sagte er schließlich nachdenklich. „Ich denke, der Teufel ist eine tragische Figur.“
Dieses Mal war es an Lu zu fragen: „Ach, tatsächlich?“
„Wie meinen Sie das, Mr Hammond?“, klinkte sich Gul ein, während er dem Menschen nachschenkte. Lu hätte schwören können, dass er ein hämisches Grinsen auf dem Gesicht der Todsünde sah, doch er hatte sich schnell wieder im Griff.
„Heißt es nicht immer, dass wir für die verdorbenen Seelen und die Sünder beten sollen?“, fragte Mr Hammond und musterte Lu eindringlich. „Aber wer betet für den Teufel? Wer in den letzten Jahrtausenden besitzt wirkliches Mitgefühl und betet für den einen Sünder, der es am nötigsten hat?“
„Oh, Mr Hammond“, schnurrte Lu und beugte sich ein Stück zu ihm vor, bis er das dezente Aftershave des Mannes riechen konnte. „Wer sagt, dass er das nötig hat?“