Читать книгу Burned - Melissa Ratsch - Страница 7
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ОглавлениеEs lief auf ein Krisentreffen mit den Sieben hinaus, besser bekannt als die sieben Todsünden.
Lu war froh, dass sie alle ohne die üblichen Sperenzchen auftauchten. Wahrscheinlich, weil seine Ansage sehr klar gewesen war: Wenn ihr euren Arsch nicht her bewegt, dann häute ich euch. Die guten alten Drohungen taten doch immer ihre Wirkung. Vor allem, da Lu dafür bekannt war seine wahr zu machen.
„Mach keinen auf dicke Hose, wenn du dich nachher nicht traust sie runter zu lassen“, murmelte er grinsend vor sich hin, als Ace eintraf und sie damit komplett waren. Typisch, dass Faulheit das Schlusslicht bildete. Aber immerhin war er pünktlich.
„Sehr schön.“ Lu schloss die Tür des großen Konferenzraums und ging zum Stirnende des Tisches, an dem alle schon Platz genommen hatten. „Gleich vorweg: Das heute ist kein gewöhnliches Treffen und ich verlange von jedem volle Aufmerksamkeit.“
Er ließ seinen Blick langsam über Lil sowie die vier Frauen und drei Männer wandern. Im Grunde waren die Todsünden geschlechtslos, doch jede von ihnen hatte sich über die Jahrtausende eine bevorzugte Inkarnation zugelegt, in der sie die meiste Zeit verbrachten.
Lu setzte sich und schnippte mit dem Finger, woraufhin die Videoleinwand hinter ihm flackernd zum Leben erwachte. Darauf war der Brief zu sehen, den Michael ihm überbracht hatte. Statt etwas zu sagen wartete er einfach ab, bis seine Sieben die Nachricht gelesen hatten – was ungefähr eine halbe Minute später dadurch klar wurde, dass sie alle in aufgeregte bis aufgebrachte Flüche ausbrachen.
Bia sprang gar von ihrem Stuhl auf und zeterte: „Wie können sie es wagen?! Das ist eine Beleidigung und Frechheit, wie ich es noch nie erlebt habe!“ Ihre goldenen Augen loderten unheilvoll. Als Stolz traf sie diese Schmähung besonders.
Neben ihr stieß Ira, die den Zorn verkörperte, ins selbe Horn: „Wenn ich das nächste Mal einen Engel erwische, dann reiße ich ihm alle Federn einzeln aus.“
Alle anderen Todsünden stimmten zu und sofort begannen sie Rachepläne zu schmieden, überlegten was sie ‚denen da oben‘ als Vergeltung antun könnten. Lu musste zugeben, dass sie dabei sehr kreativ waren und er nahm sich vor einige der Ideen später aufzuschreiben.
„Ruhe!“, verlangte er laut, so dass ein kleines Beben durch den Raum ging. Sofort kehrt Stille ein. Er atmete tief durch und sagte: „Ich weiß zwar zu schätzen, dass ihr unsere Ehre verteidigen wollt und auf Vergeltung aus seit – wirklich, das tue ich – aber das muss im Augenblick warten. Erstmal sollten wir uns etwas überlegen, wie wir die Übernahme durch die gefiederten Kretins verhindern.“
Das Schweigen zwischen ihnen war so ungewöhnlich wie beunruhigend. Lu war es gewohnt in einem brodelnden Hexenkessel zu sitzen, wenn die Sieben alle auf einem Haufen saßen. Vor allem wenn Lil dabei war. Sie hatte zwar an Vidia und Lux einen besonderen Narren gefressen, aber auch alle anderen Todsünden scharten sich gerne um sie.
Vielleicht, weil sie hier die menschlichste unter ihnen war und im Gegensatz zu Lu hin und wieder ein offenes Ohr für ihre kleinen Sorgen und Nöte hatte. Also zumindest die, die nicht das Tagesgeschäft betrafen. Sie waren schon so etwas wie Freunde für ihn… aber bei aller Liebe, Lu hatte nicht die Geduld sich anzuhören, dass Gul schon wieder erfolglos von seiner Suche nach dem perfekten Baklava zurückkam.
Seit über dreihundertachtzig Jahren versuchte er nun schon jemanden zu finden, der das pappsüße Zeug genauso hinbekam wie der Palastbäcker damals in Istanbul. Und jedes Mal, wenn er es wieder erfolglos versuchte kam er quengelig und niedergeschlagen wie ein kleines Kind zurück. Als Völlerei eine Schwäche für Essen zu haben lag auf der Hand, aber das war einfach nur absurd.
„Wann hat das denn angefangen?“ Ava, die Habgier, trommelte nachdenklich mit ihren schlanken Fingern auf den Marmortisch, die blonden Brauen über den Augen zusammengezogen. „Ich meine wann hat das angefangen, dass weniger Seelen zu uns kamen?“
„Mal sehen.“ Lu drehte sich nun ebenfalls zu der Wand, schnippte und statt dem Brief erschien ein Diagramm. Er hatte es nicht sonderlich mit diesem Statistik-Quatsch. Ihm war zwar schon aufgefallen, dass sie weniger zu tun hatten und die meisten Dämonen auf der faulen Haut lagen, aber er war nicht auf den Gedanken gekommen, dass diese Flaute ein solches Ausmaß annehmen würde.
Darüber, dass Michael vielleicht Recht hatte wenn er von Unordnung in ihren Reihen sprach, wollte er im Moment wirklich nicht nachdenken.
„Das sieht doch nicht schlecht aus“, kommentierte Ace. „Die Linie schwankt ein bisschen, aber sonst sehe ich da nichts Gravierendes.“
Tatsächlich bewegte sich die Kurve sanft auf und ab, was Lu irritierte. Ja, gegen Ende driftete sie ein wenig nach unten. Er beugte sich ein Stück nach vorn und stützte die Ellenbogen auf den Knien ab. Warte mal…
„Das ist die Gesamtstatistik“, murmelte er. „Seit Entstehung der Welt und der Menschen.“
Wieder ein Schnippen und die Anzeige verringerte sich auf die letzten zehn Jahre und sah damit komplett anders aus. Ein kollektives Raunen ging durch den Raum, gefolgt von einigen Flüchen.
Liliths Stimme erhob sich über das Murmeln: „Das erklärt schon eher warum uns der Himmel in die Parade fahren will.“
„Scheiße ja“, brummte Lu. Die Linie fiel ab der Hälfte des Diagramms stetig weiter nach unten, bis sie sich einem wahrhaft historischen Tief näherte.
„Was verflucht nochmal ist vor zehn Jahren passiert das wir nicht mitbekommen haben?!“ Lu drehte sich wieder um und musterte die acht anderen am Tisch. „Ich fresse einen verschissenen Besen, wenn die Flachpfeifen von oben nicht irgendwas angestellt haben, dass auf der Welt eine Kettenreaktion ausgelöst hat.“
Ratloses und betretendes Schweigen legte sich über sie, einige senkten sogar den Blick. Lu konnte sich gut vorstellen warum. So wütend wie er war mussten seine Augen wieder die Farbe gewechselt haben: Von grün zu blutrot. Vielleicht gaben aber auch die kleinen Flammen den Hinweis, die an seinen geballten Fäusten züngelten.
„Ich will wissen was sie getan haben“, forderte er. Jedes seiner Worte ließ die Luft vibrieren. „Ich will wissen warum die Menschen aufgehört haben die selbstsüchtigen Kreaturen zu sein, die sie seit tausenden Jahren sind. Jeder von euch wird sich daran machen es herauszufinden.“
Sein Blick ruhte vor allem auf Ace, der als Faulheit immer einen extra Arschtritt benötigte. Doch zur Abwechslung nickte der braunhaarige Mann, die schokoladenfarbenen Augen schreckgeweitet.
„Wir treffen uns morgen wieder und wehe ich erhalte keine Antworten.“
Schnelles Kopfnicken seiner Sieben, selbst Lilith wirkte beunruhigt.
Um ein Haar hätte Lu gelächelt, denn wie jeder andere Unterweltler fand er Gefallen daran andere in Angst und Schrecken zu versetzen. Aber im Moment konnte er sich nicht daran erfreuen, denn die Erzengel saßen ihm sprichwörtlich im Nacken und wollten seinen Laden übernehmen.
Eher friert die Hölle zu, dachte Lu und spürte, wie die Flammen über seine Handgelenke die Arme hochkrochen.
Seine Stimme klang trügerisch weich, als er fragte: „Na los, worauf wartet ihr noch?“
Sofort lösten sich alle in Luft auf. Kleine Rauchschwaden verflogen dort, wo eben noch die Todsünden gewesen waren, während Lil, deren Macht anders geartet war, einfach verblasste. Einen Wimpernschlag später war Lu alleine in dem Konferenzraum.
„Scheiße“, murmelte er und lehnt sich zurück. Mit beiden Händen fuhr er sich durch die Haare und sah sich nochmal das Diagramm an. Wie hatte ihm das nicht auffallen können? Und was bei allen Höllenfeuern war der Grund dafür?
Er wusste, dass seine Sieben gelegentlich nur nach ihren eigenen Wünschen handelten, aber sie hatten ihre Aufgaben dennoch erledigt.
Denn sie wollten doch alle das Gleiche: Ihre Ruhe vor den gefiederten Spaßbremsen und ein wenig Spaß mit den Menschen. Nun, was für sie zumindest Spaß bedeutete. Tausende Jahre hatte das wunderbar funktioniert, die verdorbenen Seelen waren pünktlich wie der Sonnenaufgang bei ihnen eingetrudelt. Denn obwohl der alte Mann sich immer rühmte so perfekt zu sein, seine Schöpfungen waren es definitiv nicht.
Sehnsüchte, Begierden, dunkle Wünsche und Gelüste schlummerten von Anfang an in ihnen und es hatte nur wenig Ermutigung gebraucht, dass sie sich ihnen hingegeben hatten.
Lux, die Begierde, musste nur durch einen Klub gehen, in dem schon genügend Alkohol geflossen war, und die Menschen fielen übereinander her wie bei einer der Orgien im guten alten Rom. Vergessen waren Treue und Keuschheit, da wurde gevögelt was nicht bei drei auf den Bäumen war – und das wurde noch runtergeschüttelt.
Und wenn im Schlussverkauf Ava ein Einkaufszentrum betreten hatte, dann hatte sich der Umsatz der Geschäfte locker verdoppelt, die Leute hatten der Gier nach neuen, schönen Dingen ohne Rücksicht auf ihre Bankkonten nachgegeben.
Bia war jedes Mal ganz aus dem Häuschen, wenn die Fashionweeks der Modewelt stattfanden und die ausgehungerten Models über die Laufstege wankten, unverschämt teure Roben auf ihren knochigen Körpern. Lu war immer wieder erstaunt mit wie wenig Nahrung der menschliche Organismus auskommen konnte und trotzdem noch so tat als würde er optimal funktionieren. Sie alle waren Sklaven von Eitelkeit.
Aber so wie es im Moment aussah war diese unbeschwerte, schöne Zeit vorbei. Und wenn sie nicht wollten, dass die verdammten Engel sich bei ihnen einmischten, dann mussten sie sich etwas einfallen lassen.
Denn Lu war nicht aus dem Himmel geworfen worden, nur um jetzt doch wieder das machen zu müssen, was der alte Mann wollte.