Читать книгу Burned - Melissa Ratsch - Страница 15
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ОглавлениеFünf Tage nach der Spendengala war es an Lilith, die Todsünden zu begleiten.
Dieses Mal würde Bia die Hauptrolle spielen, während Gul gleichzeitig seinen Einfluss auf Nicholas Hammond weiter ausbauen wollte. Lil hingegen würde daran arbeiten, den Auftritt von Lux vorzubereiten. Wenn ihre Inkarnation von Jessy Bell den Leiter der Hilfsorganisation nicht heißes Begehren auslöste, dann wohl sonst nichts auf der Welt.
Aber dafür war es noch zu früh, ihre tugendhafte Zielperson noch zu rein. Aber bald würde sich das ändern. Lu hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass er von dem Erfolg der ganzen Aktion überzeugt war. Nicht nur, weil er wie alle anderen auch nicht unter der Fuchtel des Himmels stehen wollte, sondern weil allein der Spaß an der Sache und natürlich der Wettbewerb unter den Todsünden ihre Chancen extrem gutaussehen ließ.
„Sie sind wie ein Rudel wilder Wölfe“, hatte Lu gesagt, als er nach der Spendengala zu ihr ins Bett gekrochen war. Heiße Haut, warmer Atem und ein so zufriedener Fürst der Unterwelt wie Lil ihn schon lange nicht mehr erlebt hatte.
„Sie fangen schon jetzt an, sich um Hammond zu prügeln wie um einen fleischigen Knochen.“
„Wen willst du als nächstes schicken?“, hatte Lil gefragt, während sie sich bereitwillig an seine Brust geschmiegt hatte. Lu war gefährlich für sie, wenn er so guter Laune war. Noch mehr, als wenn sie sich erbittert stritten.
„Superbia“, war seine Antwort gewesen. Der volle Name der Todsünde Hochmut.
Lil hatte grinsen müssen. „Sie wird sich sowas von ins Zeug legen.“
„Genau“, hatte er gemurmelt. „Und jetzt genug von diesem Möchtegern-Heiligen. Ich bin viel mehr daran interessiert, dich ein wenig zu verderben.“
Bei der Erinnerung wurde es Lil unwillkürlich etwas heißer und sie schmiegte sich näher an Gul. Er war keiner ihrer engeren Freunde unter den Sünden und Dämonen, doch wie mit allen anderen auch verband sie so etwas, das man vielleicht wie Familienbande beschreiben konnte.
So warf er ihr ein gewinnendes Lächeln zu, als er zu ihr hinuntersah.
„Alles gut?“
„Bestens“, erwiderte Lil. Sie warteten im großen Saal der Unterwelt auf Bia, die sich wie immer Zeit ließ, sich ausgehfertig zu machen. Typisch Eitelkeit eben. Sie würden bei einem Geschäftsessen auf Nicholas Hammond treffen, der sich in einem noblen Restaurant mit den Vorständen wichtiger Internet- und Softwarekonzerne treffen wollte.
Lil hatte sich in ihrer Rolle als Praktikantin Jessy Bell eine Einladung mehr oder weniger erschlichen, während Bia und Gul sich als Delegierte einer Streamingplattform ausgeben wollten. Die Menschen zu täuschen und sie glauben zu machen, dass es sich dabei um die echten Vertreter handelte, war ein Kinderspiel. Dafür brauchte es nicht einmal viel dunkle Magie, es reichte oft schon aus überzeugend aufzutreten.
„Mir gefällt dein Kleid“, sagte Gul und riss sie mit seinem Kompliment aus ihren Gedanken. „Ist das Valentino?“
„Ja, danke schön.“ Sie strich über den vermeintlich schlichten schwarzen Stoff, der bei genauerem Hinsehen jedoch mit vielen, winzigen schwarzen Federn besetzt war. Jessys Haare, die einen warmen Ebenholzfarbton hatten, trug sie lockig und lose hochgesteckt, so dass sich einzelne Strähnen um ihr herzförmiges Gesicht ringelten. Die junge Frau war etwas größer als Lils eigentlicher Körper, auch hatte sie kleinere Brüste und rundlichere Hüften. Die Taille war in etwa gleich schmal.
„Ich habe es extra für diesen Körper anfertigen lassen müssen.“
„Das ist perfekt gelungen. Aber lass mich raten: Lu hasst es?“
Lil lachte und erwiderte: „Er hasst alle Formen, die ich annehme außer meiner eigenen.“
Das Geräusch von hohen Absätzen erklang und Bia bog um eine Ecke. Wie immer war sie die Perfektion in Fleisch und Blut: Ein smaragdgrünes Etuikleid aus schimmernder Seide schmiegte sich an ihre perfekte Figur. Der gerade Ausschnitt zeigte genug Dekolleté um verführerisch zu sein, aber nicht billig zu wirken. Farblich perfekt passende High-Heels zierten ihre Füße. Dezentes Make-Up ließ zu, dass sich ihr Haar optimal in Szene setzen konnte. In dessen goldene Pracht waren an diesem Abend winzige Diamanten eingewoben, die das Licht reflektierten.
Bia seufzte, ehe sie sagte: „Lu ist einfach ein verrückter Bastard.“ Dabei lachten ihre Augen, die an diesem Abend einen warmen Honigton hatten statt ihre ansonsten goldene Farbe. Ein winziges Detail, um nicht jeden mit der Nase darauf zu stoßen, dass sie keine gewöhnliche Frau war.
Gul lachte, machte sich von Lil los und ging zu der anderen Todsünde hinüber. Die hielt grinsend still, während er sie einmal umrundete und dabei ein so zufriedenes Brummen ausstieß, als würde er ein Festmahl betrachten.
„Bia, du machst mich sprachlos“, murmelte er und küsste ihre Wange.
„Das war der Plan“, erwiderte sie zufrieden, ehe sie sich bei ihm unterhakte. „Kommt, wir gehen. Ich liebe zwar den großen Auftritt, aber heute sollten wir das lieber lassen.“
Der Oberkellner, gekleidet in schlichtem Schwarz, begleitete sie nach ihrer Ankunft im Restaurant sofort in eines der separaten Speisezimmer. Auf dem Weg atmete Lil tief durch, um komplett in die Rolle zu schlüpfen. Genau rechtzeitig, denn bereits an der Türschwelle wurden sie von Nicholas Hammond erwartet.
„Guten Abend“, begrüßte er sie, ein verbindliches Lächeln im Gesicht, das kleine Fältchen in die Ränder seiner Augen zauberte. Wie immer bot er das perfekte Bild des rechtschaffenen Mannes, der zwar in der vermögenden und genussverwöhnten Gesellschaft gut zurechtkam, aber eigentlich zu den Machern zählte.
„Guten Abend Mr Hammond“, sagte Bia und reichte ihm die Hand. „Vielen Dank für die Einladung.“
„Ms Asazel, es ist mir eine Ehre Sie kennenzulernen“, erwiderte er und deutete einen Handkuss an. Als er sich aufgerichtet hatte, sah er zwischen Bia, Gul und Lil hin und her und sagte: „Ich wusste nicht, dass Sie Ms Bell kennen.“
„Oh doch, schon länger“, antwortete Bia, ein amüsiertes Funkeln in den Augen.
„Jessy, Sie stecken voller Überraschungen“, murmelte Nicholas und lächelte sie an. „Und Sie sehen bezaubernd aus.“
„Danke“, murmelte Lil und errötete pflichtbewusst, als er einen Kuss auf ihre Wange hauchte. Eine oscarreife Leistung, wie sie selbst fand, denn die Dämonenkönigin Lilith hatte schon seit Jahrtausenden nichts mehr zum Erröten gebracht.
„Mr Smith“, sagte Nicholas und wandte sich an Gul. „Schön Sie so schnell wiederzusehen.“
„Die Freude ist ganz meinerseits“, erwiderte Völlerei mit einem charmanten Lächeln. „Ich habe schon viel Gutes über den Weinkeller dieses Restaurants gehört.“
„Führen Sie mich nicht in Versuchung“, lachte Nicholas – und Lil musste die Zähne zusammenbeißen, um nicht breit zu grinsen. Oh, wenn er wüsste…
Ein Blick zu Bia verriet ihr, dass sie dieselben Gedanken hatte, denn sie zwinkerte ihr vergnügt zu.
„Wollen wir uns nicht setzen?“, fragte Nicholas und geleitete sie zum Tisch. Dort hatten bereits fünf weitere Personen Platz genommen. Taxierende und neugierige Blicke glitten über Lil und die beiden Todsünden. Für einen kleinen Moment fragte sich Lil, ob sie auch noch so herablassend wären, wenn sie wüssten mit wem sie es zu tun hatten.
Sie setzten sich und kurz darauf wurden die Getränke serviert und das Menü begann. Die Gespräche flossen leicht hin und her, die anwesenden Geschäftsleute buhlten genauso um Nicholas Aufmerksamkeit wie er um ihre und es war fast komisch, sie alle dabei zu beobachten.
Bia hatte sich strategisch geschickt einen Platz neben dem Leiter der Initiative gesichert. Lil beobachtete, wie sie Nicholas Hammond den ganzen Abend über ein Kompliment nach dem anderen machte. Sie bewunderte ihn, umgarnte ihn mit ihrem Charme und hob seine bisherigen Erfolge hervor. Letzteres bewies, wie gut sich Bia auf diesen Abend vorbereitet hatte.
Und ihre Bemühungen zeigten Wirkung, denn war Nicholas ihrer offenen Bewunderung anfangs noch eher ablehnend begegnet, so zeigte er im Laufe des Abends – und mit steigendem Weinkonsum, den Gul zu verantworten hatte – einen ausgeprägt zufriedenen Eindruck, wenn Bia einmal wieder eine Lobeshymne auf seinen Erfolg anstimmte.
Man hatte den Eindruck, es mit bloßem Auge erkennen zu können, wie die Demut ihn langsam aber sicher verließ. Ganz ganz langsam, aber dennoch.
Fresst das, dachte sie selbstzufrieden und trank von ihrem eigenen Wein, als unvermittelt ein Prickeln über ihren Nacken lief. Widerwärtig wie tausend winziger Insekten und sie zog instinktiv die Schulterblätter zusammen. Gul, der neben ihr saß und genüsslich die Panna Cotta vertilgte, ließ seinen Löffel sinken und warf ihr einen alarmierten Blick zu.
Ach Scheiße, dachte Lil. Sie sah sich unauffällig um – und hätte um ein Haar laut geflucht, als sie in ein Paar schokoladenbrauner Augen sah, die ihren Blick fast hasserfüllt erwiderten.
„Fuck“, murmelte sie und sah wieder zu Gul. „Da drüben ist Cari und ich glaube, sie hat mich erkannt.“
„Mildtätigkeit?“, fragte er leise. Er legte sogar den Löffel weg, als hätte er das Dessert völlig vergessen. Lil nickte nur, während ihr Blick zu Bia huschte. Diese hatte sich sehr vertraut an Nicholas Hammond gelehnt, flüsterte ihm ins Ohr und was auch immer sie sagte, es schien dem Mann äußerst gut zu gefallen.
Gul, der sich möglichst beiläufig umgesehen hatte, beugte sich zu ihr und wisperte: „Es sieht so aus, als wäre sie eine der Kellnerinnen am anderen Tisch.“
„Immerhin ist es nicht Lita oder Ran“, seufzte sie. Die meist weibliche Tugend Demut und der oft männliche Mäßigkeit könnten sonst alles zunichte machen, was sie bisher erreicht hatten. Der Unterschied war noch klein, Mr Hammond strahlte noch immer Tugendhaftigkeit aus wie ein Kernkraftwerk Radioaktivität, doch der Glanz war schon etwas schwächer geworden.
„Wir wussten, dass es früher oder später soweit kommt“, sagte Gul. „Wobei mir später lieber gewesen wäre.“
„Ja.“ Lil atmete tief durch. „Meine Vorstellung von ‚Hilfe von oben‘ ist ein Scharfschütze auf einem Dach.“
„Den könnten wir gut gebrauchen“, lachte Völlerei leise, ehe er ernst fragte: „Was machen wir jetzt?“
„Wir sollten abhauen, bevor Cari zurückkommt und spitzbekommt, was wir hier vorhaben. Bia hat gute Arbeit geleistet.“
Gul nickte und sah Eitelkeit intensiv an, bis diese seinen Blick erwiderte.
Es war nicht wirkliche Telepathie, doch wie alle Geschöpfe der Hölle auch konnten die Todsünden untereinander kommunizieren ohne Worte zu benutzen, selbst über große Distanzen hinweg. Früher war das unumgänglich gewesen, bis die Menschen Telekommunikationstechnik erfunden hatten. Andernfalls wäre es auch Luzifer niemals möglich gewesen, seine Sieben oder sonst einen Dämon zu sich zu rufen oder zu kontrollieren.
Missfallen zeigte sich in Bias hellen Augen, doch sie nickte. Sie verabschiedete sich überschwänglich bei Hammond, küsste ihn vertraut auf die Wange und sorgte so dafür, dass er tatsächlich rote Ohren bekam. Lil hörte ein verräterisches Klicken und als sie sich dieses Mal umdrehte, sah sie einen schlaksigen Mann mit einem Fotoapparat um die Ecke spähen. Wieder klickte es – und Lil musste grinsen. Sie würde den winzigen Rest ihrer Seele darauf verwetten, dass der Paparazzo ein Bild davon hatte, wie Hammond mit einem Weinglas in der Hand von einer schönen Frau geküsst wurde.
Sie nutzte ein bisschen ihrer Macht, um dafür zu sorgen, dass dieser glückliche Zufall auch zu dem von ihnen gewünschten Ergebnis führte. Sie gab dem Mann ein, dass er einen betrunkenen Nicholas Hammond gesehen hatte, der hemmungslos mit einer Frau geflirtet hatte.
Die Zeitungen würden sich auf diesen kleinen Skandal stürzen wie die Geier auf ein frisches Stück Aas.
Kurz darauf verließen Lil, Gul und Bia das Restaurant und schlenderten zu einer Seitengasse. Niemand hielt sie auf, keine Tugend warf sich ihnen in den Weg und wollte wissen, was sie hier getrieben hatten. Immerhin.
„Das hat Spaß gemacht“, verkündete Bia gutgelaunt. Ihre Augen, die nun wieder goldfarben waren, glommen in der Dunkelheit auf. „Schade, dass Cari uns in die Parade gefahren ist.“
„Das war gefährlich“, murmelte Gul. Er hatte einen Arm sowohl um Lil als auch um die andere Frau gelegt und zog sie bei den Worten ein wenig näher zu sich.
„Ja, es ist verdammt gefährlich“, sagte Lil selbstzufrieden, „und genau deswegen macht es so einen Spaß.“