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Die Ausrufung der Unabhängigkeit

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Der Hafen von Valparaíso bildete das Aufmarschgebiet für die »patriotischen« Invasionstruppen. Chiles Oberster Staatsführer Bernardo O’Higgins (1817–1823) übertrug dem befreundeten San Martín das Chefkommando mit weitgehenden politischen und militärischen Vollmachten. Die Seestreitkräfte befehligte, im Range eines Vizeadmirals, Lord Cochrane. Am 21. August 1820 lichteten 18 Transport- und sieben Kriegsschiffe ihre Anker. Neben 1600 Seeleuten waren die Division der Anden und die Division von Chile mit einer Truppenstärke von rund 4500 Mann sowie 35 Feldgeschütze an Bord. Bei rund 2000 Männern, die als Infanteristen, Kavalleristen, Artilleristen oder Seeleute dienten, handelte es sich um freigelassene Sklaven. Unter den Hauptleuten befanden sich Briten und US-Amerikaner. Buenos Aires beteiligte sich nicht an der Finanzierung der Militärexpedition, sodass der chilenische Staat die hohen Kosten allein zu schultern hatte. Am 7. September 1820 erreichte der Flottenverband die Bucht von Paracas, 250 Kilometer südlich von Lima. Tags darauf besetzten die Truppen die benachbarte Stadt Pisco. Angelockt vom Versprechen auf Freiheit, reihten sich viele geflohene Sklaven als Soldaten ins Invasionsheer ein.

San Martíns Offensive fiel in eine Zeit, in der politische Auseinandersetzungen und Bürgerkriege das spanische Mutterland und die Royalisten in Amerika erheblich schwächten. Die Rebellion der liberalen Kräfte in Spanien verhinderte das Auslaufen von Truppen und löste eine Welle von Desertionen in den spanischen Garnisonen in Übersee aus. Mit Truppen- und Materialnachschub aus Europa war nun nicht mehr zu rechnen. Kurz vor San Martíns Landung verkündete Vizekönig Pezuela das neuerliche Inkrafttreten der Verfassung von Cádiz. Verfassungskonform setzte er Wahlen für die Stadt- und Gemeinderäte, für die Abgeordneten der Cortes und diejenigen der Provinz an. Aus Madrid erhielt er den Befehl, mit San Martín Verhandlungen über einen Waffenstillstand aufzunehmen. Zugleich versprach die neue spanische Regierung, eine Verhandlungsdelegation nach Peru zu entsenden.

San Martín willigte tatsächlich in Verhandlungen ein, die am 25. September in Miraflores in der Nähe von Lima begannen. Schnell wurde klar, dass keine gütliche Einigung möglich war. Als Repräsentant des spanischen Monarchen konnte und wollte Pezuela in keine Form von Unabhängigkeit einwilligen, zumal er davon überzeugt war, dass sich mithilfe der liberalen Verfassung die kreolischen Forderungen nach Gleichstellung und mehr Autonomie auch ohne Abspaltung vom Mutterland verwirklichen ließen. Nach ergebnislosen Verhandlungen und dem Auslaufen des Waffenstillstands am 4. Oktober setzte San Martín seine Streitkräfte wieder in Bewegung. Eine Truppeneinheit marschierte über Ica ins zentrale Hochland ein. Die »Patrioten« stießen bis ins Bergbaugebiet von Cerro de Pasco vor, wo sie den königstreuen Truppen am 6. Dezember 1820 eine empfindliche Niederlage bereiteten. Sie besetzten für kurze Zeit den Minendistrikt und beschlagnahmten das Silber. Außerdem beschädigten sie die englischen Dampfmaschinen, die man vier Jahre zuvor neu installiert hatte. Im Zuge dieser Militärexpedition erklärten sich neben Ica auch Tarma, Pasco und Huánuco für unabhängig.

In der Zwischenzeit schiffte sich das Gros des »patriotischen« Heeres wieder ein mit dem Ziel, einen Belagerungsring um Lima aufzuziehen. Die Hauptstreitkraft ging bei Ancón nördlich der Hauptstadt an Land. Sie richtete etwas später im nahen Huaura-Tal ihr Hauptquartier für sechs Monate ein. San Martín vermied es, seine zahlenmäßig unterlegenen Truppen in eine alles entscheidende Schlacht zu führen. Er konzentrierte seine Anstrengungen auf die Verbreitung antispanischer Propaganda und die logistische Unterstützung aufständischer Einheimischer. Durch die Blockade Limas beabsichtigte er, die Royalisten auszuhungern und sie durch Nadelstichoperationen zu zermürben. Obwohl Vizeadmiral Cochrane und manche Offiziere eine solche Strategie ablehnten, konnte San Martín erste Erfolge verbuchen. Eine wachsende Zahl peruanischer Gemeinden und Ortschaften erklärte sich für unabhängig. Angeführt vom Aristokraten José Bernardo de Tagle y Portocarrero, proklamierte der Stadtrat von Trujillo am 29. Dezember 1820 die Unabhängigkeit und unterstützte die Aufständischen mit Rekruten und Nachschub. Dem Beispiel Trujillos folgten alsbald Piura und weitere nördliche Orte. Bis im Mai 1821 sprach sich der gesamte Norden für die Loslösung von Spanien aus. Zahlreiche royalistische Soldaten und Offiziere liefen zu San Martín über. Im zentralen Hochland verstärkten sich währenddessen die antispanischen Guerillaaktivitäten.

Für die eingeschlossenen royalistischen Truppen in Lima, die unter Versorgungsengpässen und epidemischen Krankheiten litten, wurde die Lage immer schwieriger. Zugleich wuchs von ziviler Seite der Druck auf Vizekönig Pezuela, denn die neu gewählten Limeñer Stadträte forderten Verhandlungen mit San Martín. Auch die spanischen Offiziere haderten mit dem Vizekönig, dem sie Passivität und Tatenlosigkeit vorwarfen. In einer beispiellosen Aktion zwang das Offizierskorps am 29. Januar 1821 Pezuela zum Rücktritt. An seine Stelle trat General José de La Serna, ein in den napoleonischen Kriegen erprobter Kommandant und treibende Kraft unter den meuternden Offizieren. La Serna versicherte, die Verfassung von Cádiz respektieren zu wollen. Der Putsch zog keinerlei disziplinarische Maßnahmen seitens der spanischen Regierung nach sich. Im Gegenteil: La Serna wurde nachträglich offiziell zum Generalkapitän Perus ernannt.

Wie angekündigt traf im April eine Abordnung des spanischen Parlaments in Lima ein, um Verhandlungen mit San Martín aufzunehmen. Die Verhandlungsdelegationen einigten sich auf die Erneuerung des Waffenstillstands und die Einberufung eines Friedensrats. San Martín warb für sein politisches Projekt, das die Etablierung einer konstitutionellen Monarchie unter Beibehaltung der althergebrachten Privilegien vorsah. Spanien sollte die Unabhängigkeit der Río-de-la-Plata-Region, Chiles und Perus anerkennen und einen spanischen Prinzen für den Thron in Lima benennen. Für La Serna waren diese Vorschläge inakzeptabel, ganz gleich was die spanischen Parlamentsabgeordneten davon halten mochten. La Serna hatte schon früh eingesehen, dass ein Ausharren in Lima aussichtslos war. Vizeadmiral Cochrane blockierte den Hafen Callao und damit die Zufahrt von der Seeseite, während die »patriotischen« Truppen eine adäquate Versorgung der Hauptstadt auf dem Landweg unterbanden. Das Brot wurde knapp und unerschwinglich teuer. Pferdefutter war Mangelware; Epidemien und Desertionen dezimierten den Truppenbestand. Darüber hinaus erwiesen sich der Consulado und Limas Elite außerstande, dringend benötigte Gelder für die Fortsetzung der Kämpfe aufzutreiben. Angesichts dieser Schwierigkeiten leitete La Serna den Abzug der royalistischen Truppen aus der Hauptstadt in die Wege. Am 25. Juni verließ die Hälfte der Infanterie und Kavallerie Lima. Der 4000 Mann starke Heeresteil zog via Cañete-Tal ins zentralperuanische Hochland. Anfang Juli 1821 rückten auch die restlichen Truppen unter dem Befehl von La Serna ab. Nur mehr ein kleines Kontingent blieb in der uneinnehmbaren Festungsanlage Real Felipe im Hafen Callao zurück. Eine Spur der Verwüstung nach sich ziehend und die Hälfte seiner Truppen einbüßend, gelangte La Serna ins Mantaro-Tal, wo sich die beiden royalistischen Heeresteile am 4. August erneut vereinigten. Durch die Aufgabe Limas entledigte sich La Serna auf einen Schlag aller Probleme, die bei der Belagerung einer Großstadt anfielen und bürdete die Verteidigung der Stadt seinen Gegnern auf. Im fruchtbaren Mantaro-Tal hingegen waren die Versorgungslage und die Möglichkeiten zur Aushebung neuer Rekruten ungleich viel günstiger als in Lima.

Ohne militärischen Schutz und den unmittelbar bevorstehenden Einmarsch von San Martíns Armee vor Augen, traten am 15. Juli in aller Eile 340 Notabeln im Stadtrat von Lima zusammen. Im Namen sämtlicher Stadtbewohner unterschrieben sie eine Deklaration, die sich für die Unabhängigkeit von Spanien aussprach. Die formelle Proklamation der Unabhängigkeit beziehungsweise der Schwur auf die neue Ordnung wurden auf den 28. und den 29. Juli angesetzt. Unter den Unterzeichnern der Unabhängigkeitserklärung befanden sich viele, die der »patriotischen« Bewegung skeptisch gegenüberstanden. Sie schlossen sich notgedrungen oder aus Opportunitätsgründen, ohne tiefere innere Überzeugung, den »Befreiern« an. Ein ansehnlicher Teil der Limeñer Elite zog die Flucht einem Arrangement mit den neuen Machthabern vor. Mindestens die Hälfte der Adligen, zwei Drittel des Stadtrats, ein Fünftel des Kirchenrats und die Hälfte der Audienz-Mitglieder flohen aus der Stadt.

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