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San Martíns Protektorat

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Am 28. Juli 1821 rief San Martín auf dem Hauptplatz von Lima die Unabhängigkeit aus. Er organisierte eine Übergangsregierung, deren politische und militärische Führung er selbst unter dem Ehrentitel Protector de la Libertad del Perú (Beschützer der Freiheit Perus) übernahm. Seine Führungsrolle gedachte er bald wieder zugunsten eines europäischen Prinzen abzugeben, entsprechend seines politischen Konzepts, das vorsah, die unabhängig gewordenen amerikanischen Länder in einem Verbund monarchisch regierter Staaten zusammenzufassen.

Zu Beginn des Protektorats befanden sich nur die nördlichen Küstengebiete und die Gegend um Lima unter Kontrolle der »Patrioten«. Über das Hochland, von Quito bis Potosí, geboten nach wie vor die Royalisten. Diese hatten in Hochperu ein starkes Heer stationiert und kontrollierten den Süden des Landes. Die spanischen Truppen im Mantaro-Tal stellten eine unmittelbare Gefahr für die Hauptstadt dar. Direkter Gegenspieler von San Martín blieb La Serna, den die spanische Regierung am 15. August 1821 zum höchsten politischen Kommandanten Perus ernannte. Damit vereinigte sich die politische und militärische Führung der Royalisten auch offiziell in seiner Person. Im Dezember verlegte La Serna den Regierungssitz, das militärische Hauptquartier, die Münzprägeanstalt und die amtliche Druckerei nach Cusco. Das Hauptkontingent seiner Truppen blieb im Mantaro-Tal. Für drei Jahre sollte Cusco die Hauptstadt des schrumpfenden spanischen Imperiums in Südamerika sein. Weit von der Küste entfernt bot die ehemalige Hauptstadt der Inkas Sicherheit vor maritimen Überraschungsangriffen. Zudem verfügte Cusco über die nötigen Einnahmequellen – in erster Linie die indianische Kopfsteuer, Verkaufssteuern und Staatsmonopole –, um sowohl die royalistische Regierungsadministration als auch die Armee zu unterhalten. Den Anordnungen der spanischen Cortes Folge leistend, ließ La Serna Wahlen zu und etablierte Provinzräte in den Zentren Cusco, Huamanga, Arequipa, Puno und La Paz. Die Royalisten kontrollierten ein bevölkerungsreiches Gebiet mit zahlreichen indianischen Bauerngemeinschaften. Diese stellten auch den Großteil der neu rekrutierten Soldaten, was den indianischen Führern die Möglichkeit bot, mehr Machtbefugnisse im Austausch gegen militärische Hilfe auszuhandeln. Zudem wussten viele indianische Gemeinschaften das Wahlrecht zu schätzen, das ihnen die Verfassung von Cádiz garantierte und das ihnen die Selbstbestimmung ihrer Gemeinderäte sowie die Mitbestimmung bei den Provinzräten und den Abgeordneten für die Cortes in Spanien gewährte.

Während La Serna seine Position im Hochland konsolidierte, hatte sein Kontrahent in Lima mit zunehmenden Schwierigkeiten zu kämpfen. In den ersten fünf Monaten seiner Herrschaft unterzeichnete San Martín eine Fülle von Dekreten und drohte sich im administrativen Gewirr zu verlieren. Bezüglich seines Hauptauftrags, den Feind zu stellen und den Krieg siegreich zu beenden, machte er keinerlei Fortschritte. Im Gegenteil: Mitte September schlugen sich royalistische Streitkräfte vom Mantaro-Tal bis zum Hafen Callao durch. Sie evakuierten die Festung Real Felipe, plünderten Limas Stadtkasse und kehrten unbehelligt ins Hochland zurück. Dass San Martín eine offene Konfrontation vermied, trug ihm bei der hauptstädtischen Bevölkerung wenige Sympathien ein. Mit einer Reihe von unpopulären Maßnahmen brachte er breite Sektoren zusätzlich gegen sich auf. Am schwerwiegendsten erwies sich die gegen Europaspanier und spanientreue Kreolen gerichtete Verfolgungskampagne unter Leitung seines Sekretärs, des neu ernannten Kriegs- und Marineministers Bernardo Monteagudo (1790–1825). Monteagudo, der einen schwarzen und einen weißen Elternteil hatte und aus dem argentinischen Tucumán stammte, war ein gewiefter Ideologe, der die politischen Vorstellungen des Protektors teilte. Nicht zuletzt wegen seiner Hautfarbe schlug ihm der offene Hass mancher Limeñer Kreolen entgegen, die ihn als »mulattischen Priapos und Entjungferer weißer Mädchen« verspotteten. San Martín und Monteagudo drängten auf der Schließung der kirchlichen Bußhäuser, in denen adlige Spanier und mutmaßliche Gegner aufgrund des kirchlichen Asylschutzes Zuflucht gefunden hatten. Ihr Druck wurde so stark, dass der Erzbischof von Lima, Bartolomé de Las Heras, der die Unabhängigkeits-


Abb. 5: Cusco, einstige Hauptstadt des inkaischen Großreiches.

urkunde mitunterzeichnet hatte, die Stadt mit dem Ziel Spanien verließ. Gegen Jahresende verschärfte Monteagudo die Ausweisungs- und Konfiszierungskampagnen. Die Schiffe im Hafen Callao füllten sich mit Flüchtlingen und Vertriebenen. Wer emigrierte, verlor zwangsläufig mindestens die Hälfte seiner Güter. Hatten sich die Repressalien anfänglich gegen unverheiratete Europaspanier gerichtet, so wurden sie bald auf alle Personen ausgeweitet, die nicht beweisen konnten, dass sie die Unabhängigkeitsbewegung unterstützt hatten. Selbst bewährte »Patrioten«, deren republikanischer Liberalismus dem monarchistischen Konzept der Machthaber zuwiderlief, wurden bestraft und verbannt. Laut dem Reisetagebuch des schottischen Geschäftsmanns und Pflanzensammlers Alexander Caldcleugh lebten vor Monteagudos Amtsübernahme 10 000 Spanier in Lima. Als dieser am 25. Juli 1822 aus dem Amt gejagt wurde, sollen es kaum mehr 600 gewesen sein. Unter den Exilierten befanden sich nebst dem Erzbischof auch der Bischof von Ayacucho, fünf hohe Audienz-Funktionäre und prominente Mitglieder des Consulado. Die Vertreibung der kommerziellen und finanziellen Elite schädigte die Wirtschaft in starkem Maße. Fachwissen und Investitionskapital gingen unwiederbringlich verloren. Die entstandene Lücke füllten britische Importeure und Exporteure, womit sich neue wirtschaftliche Abhängigkeiten abzeichneten. Die Zwangsmaßnahmen empörten überdies viele Angehörige der kreolischen Mittel- und Oberschichten, die mit den Deportierten durch familiäre, geschäftliche und freundschaftliche Beziehungen verbunden waren.

Gegen Jahresende befand sich das Protektorat in einer kritischen Lage. San Martín reagierte auf die zunehmenden Schwierigkeiten, indem er im Dezember 1821 ein Dekret zur Einberufung des ersten peruanischen Kongresses – eines Verfassungskongresses – unterzeichnete. Nichtsdestotrotz nahmen die allgemeine Unzufriedenheit und die Enttäuschung über seine Regierungsführung weiter zu. Bei der Limeñer Elite stieß die Wirtschafts- und Sozialpolitik auf offene Ablehnung. Die Bevorzugung auswärtiger Vertrauensleute bei der Ämterbesetzung schürte zusätzliche Ressentiments. Verschlimmernd wirkte sich die prekäre Finanzlage aus. San Martíns Regierung sah sich außerstande, die Truppen angemessen zu entlohnen, weshalb viele Soldaten desertierten. Nur mehr 600 Chilenen und eine noch geringere Anzahl an Soldaten aus der La-Plata-Region harrten in Peru aus. Angesichts des drohenden Staatsbankrotts richtete die Regierung eine Bank ein, die Papiergeld herausgab, was die finanzielle Situation aber nur mehr verschärfte. Um den ökonomischen Verpflichtungen nachzukommen, vergab das Protektorat Monopole, prägte Münzen und requirierte die Reichtümer der Kirche. Bald zirkulierten gefälschte Geldscheine, während Zwangseintreibungen und Monopolvergaben die Vermögenden empörten. Weil es trotz aller Bemühungen nach wie vor an finanziellen Mitteln fehlte, entsandte San Martín zwei Vertraute nach Großbritannien, um den ersten Auslandskredit in der Geschichte Perus aufzunehmen. Offiziell hatten die beiden Gesandten den Auftrag, in Europa ein Darlehen von 1,5 Millionen Pfund Sterling (6 Mio. Pesos) aufzunehmen, für die diplomatische Anerkennung Perus zu werben sowie Handels-, Freundschafts- und Bündnisverträge auszuhandeln. Insgeheim sollten sie außerdem eruieren, ob sich ein europäischer Prinz – wenn möglich katholischen Glaubens – bereitfände, als Monarch die Herrschaft in Peru zu übernehmen. Nach ihrer Ankunft in London im September 1822 handelten San Martíns Abgeordnete ein Darlehen über 1,2 Millionen £ mit einem britischen Kaufmann aus.

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