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Sklaven, schwarze Soldaten und Sklavengesetze

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Dem Zensus von 1812 ist zu entnehmen, dass in Peru rund 1,37 Millionen Personen lebten. Davon waren etwas mehr als 40 000 Sklaven. Knapp drei Viertel konzentrierte sich an der Zentralküste. Allein die Hauptstadt Lima zählte fast 18 000 Sklaven. Für die Sklaven in den ländlichen Gebieten waren die Lebensbedingungen zumeist bedeutend härter als für ihre städtischen Schicksalsgenossen, die nicht selten als Dienstpersonal in einem Privathaushalt unterkamen. Auf den weitläufigen Zuckerrohrplantagen oder in den Weinbaugebieten begann der Arbeitstag um 7 Uhr und dauerte mit einer zweistündigen Unterbrechung am Mittag bis 16 Uhr. Nach der Arbeit und an Sonntagen war es den Sklaven erlaubt, auf zugewiesenen Parzellen Nahrungs- und Nutzpflanzen anzubauen. Jeden Abend wurden sie von den Aufsehern in barackenartigen Unterkünften eingeschlossen. Körperstrafen wie Auspeitschungen waren gang und gäbe. Vom Sklavenhalter angeordnet und vor versammelter Menge durchgeführt, dienten die Züchtigungen der Abschreckung. Aufgegriffene Sklaven mussten genauso viele Tage in Ketten arbeiten, wie sie gefehlt hatten. Dennoch suchten Sklaven immer wieder ihr Glück in der Flucht. Sie rotteten sich in Räuberbanden zusammen und machten die Überlandstraßen und die ländlichen Gebiete unsicher. Andererseits erwiesen sich viele Schwarze als treue Gefolgsleute des spanischen Königs und verlässliche Verteidiger der herrschenden Ordnung. Sie dienten in den vizeköniglichen Milizen und zogen gegen Juntas ins Feld, die für mehr Autonomie kämpften. Einem Bericht des Vizekönigs Pezuela von 1818 zufolge waren fünf Sechstel der in Lima stationierten Soldaten Schwarze beziehungsweise Personen gemischter Abstammung.

Während der Unabhängigkeitskriege setzten »Patrioten« wie Royalisten Schwarze in großer Zahl ein. Beide Seiten forderten die Sklavenbesitzer auf, ihnen Sklaven als Soldaten und Hilfskräfte zu überlassen. Sklaven kämpften aktiv als Soldaten oder leisteten Hilfsdienste als Zimmerleute, Kalfaterer, Schmiede, Köche, Waffenschmiede oder als Transporteure von Proviant, Feuerholz, Kohle, Munition und so weiter Schwarze Knaben marschierten trommelnd und Pfeife spielend im Musikkorps mit. Neben der Freiheit bot der Kriegsdienst die Aussicht auf einen sozialen Aufstieg dank Beförderung in einen höheren Dienstgrad.

Bereits vor der Ausrufung der Unabhängigkeit zeichnete sich das absehbare Ende einer auf Sklavenarbeit basierenden Wirtschaft ab. Einerseits waren die Anschaffungskosten verhältnisweise hoch, andererseits drängte Großbritannien auf eine internationale Ächtung und ein Verbot des Sklavenhandels. Im September 1817 einigten sich Spanien und Großbritannien vertraglich auf die vollständige Abschaffung des Sklavenhandels. Eine Verfügung des spanischen Königs vom 1. Dezember 1820 diktierte die Rahmenbedingungen zur Beendigung des Menschenhandels. Mit verschiedenen Dekreten versuchte auch San Martín, die Situation der Sklaven zu verbessern. Beispielsweise erließ er im August 1821 das Gesetz der freien Geburt, das besagte, dass alle neu geborenen Sklavenkinder frei seien. San Martíns Gesetze wie auch spätere Verordnungen schufen lange Übergangszeiten, die es sämtlichen Betroffenen ermöglichen sollten, sich frühzeitig auf das mittel- bis langfristige Ende der Sklaverei einzustellen. Sie waren als Belohnung gedacht für die Tausenden von Sklaven, die ihr Leben für die Unabhängigkeit aufs Spiel gesetzt hatten.

Die Unabhängigkeitskämpfe zogen die Verwüstung vieler Plantagen, den Zusammenbruch der herrschenden Ordnung und damit die Schwächung und Verarmung mancher Grundbesitzer nach sich. Dadurch öffneten sich für die Sklaven Freiräume, und es boten sich mannigfaltige Fluchtmöglichkeiten. Jedoch blieb die durch Flucht erlangte Freiheit prekär. Denn die Sklavenhalter setzten alle Hebel in Bewegung, um Flüchtige aufzuspüren und die Einberufung ihrer Sklaven zum Wehrdienst zu verhindern. Ihr Widerstand war so stark, dass San Martín mit scharfen Gesetzen drohte. Wer die Rekrutierung seiner Sklaven verweigerte, musste mit der Konfiskation seiner Güter und im Wiederholungsfall mit der Exilierung rechnen. Unter den Sklaven selbst war die Einstellung zum Militärdienst ambivalent. Einige ergriffen begeistert die sich bietende Gelegenheit zur Selbstbefreiung. Sklavenmütter sprachen aus eigenem Antrieb bei den Rekrutierungsagenten vor und baten diese, ihre Söhne einzuberufen. Indessen teilten nicht alle diesen Enthusiasmus. Auf einigen Landgütern erklärte sich nur eine verschwindende Minderheit zum Militärdienst bereit. Diejenigen, die sich der Aushebung widersetzten, begründeten ihren Entscheid mitunter damit, dass sie ihren Patron nicht im Stich lassen wollten.

Ob solche Loyalitätsbekundungen echt waren oder nur gespielt, sei dahingestellt. Sicherlich war allen Sklaven bewusst, dass die Freiheit via Kriegsdienst einen hohen Preis forderte. Nur wer den langen Militärdienst vollständig absolvierte, war ein freier Mann. In der Río-de-la-Plata-Region betrug die Dienstdauer fünf Jahre – falls sich der Soldat disziplinarischer oder sonstiger Vergehen schuldig machte, sogar noch länger. Zudem war das Risiko sehr hoch, bei Gefechten und Kämpfen schwer verletzt oder getötet zu werden. Von den 2000 bis 3000 Schwarzen, die 1817 in San Martíns Andenarmee die Gebirgskette überquert hatten, kehrten nach sechs Jahren der Kämpfe in Chile, Peru und Ecuador keine 150 in ihre Heimat zurück. Bis in die 1840er- und 1850er-Jahre begegnete man in Städten wie Lima, Buenos Aires oder Caracas verkrüppelten schwarzen Kriegsveteranen, die sich um Almosen bettelnd durch ein elendes Leben schlugen.

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