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Naturgewalten

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Seit Urzeiten haben Naturkatastrophen die Andenländer schwer getroffen. Vor der Westküste Perus liegt die sogenannte Nazca-Platte – eine ozeanische Platte, aus der die Erdkruste und der oberste Teil des Erdmantels aufgebaut sind. Sie bewegt sich ostwärts, wo sie mit der Südamerikanischen Platte kollidiert und wo ein Vulkangürtel entstanden ist. Von den über 400 peruanischen Vulkanen gelten zwölf als Sicherheitsrisiko. Bei einem etwaigen Ausbruch bedrohen Gase, Asche, Staub und Lavaströme Großstädte wie Arequipa oder ländliche Siedlungen. Den jüngsten Vulkanausbruch registrierte das Geophysikalische Institut Perus im Juli 2019. Es handelte sich um den 5672 Meter hohen Ubinas, den aktivsten Vulkan des Landes. 30 000 Personen mussten aus der Gefahrenzone evakuiert werden. Die bislang verheerendste Eruption ereignete sich im Jahr 1600, als der Vulkan Huayna Putina explosionsartig ausbrach. Ein Regen aus Lava und Asche ging über Felder und mehrere Indianerdörfer nieder. Im Umkreis von etwa 90 Kilometern bedeckte eine bis zu einem halben Meter dicke Ascheschicht Äcker, Weiden und Weingärten. Die austretende Lava versperrte dem Río Tambo den Weg, sodass sich der Fluss zu einem fast 40 Kilometer langen See staute. Als der natürliche Staudamm brach, schossen die Wassermassen durch das Tal in Richtung Meer. Auf einer Strecke von über 100 Kilometern verwüstete die Flut sämtliche Gärten und Äcker, sie entwurzelte die Fruchtbäume, fegte die Zuckerrohrfelder hinweg und riss das weidende Vieh mit in den Tod. Im Gefolge der Katastrophe verhungerte drei Viertel des Viehs, fast sämtliche Reben sowie die Frucht- und Olivenbäume starben ab. Die Aschewolke verdunkelte das Sonnenlicht und ließ weltweit die Temperaturen sinken. Während der nächsten zweieinhalb Jahre setzten kühle Sommer und bitterkalte Winter Mensch und Tier schwer zu. Es kam zu Hungersnöten, die unzählige Tote forderten.

Seit dem Jahre 1568 haben über 70 schwere Erd- oder Seebeben Peru erschüttert. Lima, Arequipa und Cusco, um nur die wichtigsten Städte zu nennen, sind im Verlauf ihrer Geschichte mehrmals zerstört oder schwer beschädigt worden. Immer wieder lösten Seebeben auch gefährliche Flutwellen (Tsunamis) aus. Am 28. Oktober 1746 brandeten mehrere Flutwellen über Limas Hafen Callao. Ein mit 34 Kanonen ausgerüstetes Kriegsschiff wurde über die Hafenstadt hinweggespült und blieb eineinhalb Kilometer von der Küste entfernt auf dem Festland liegen. Im Hafen Callao selbst blieben nur mehr Reste des Schutzwalles und einzelne Gebäudemauern stehen. Von der auf 5000 bis 6000 Personen geschätzten Einwohnerschaft überlebten keine 200 Menschen. Von 1970 bis heute suchten sieben schwere Erdbeben Teile Perus heim. Sie erreichten Stärken von 6,7 bis 8,4 auf der Richterskala. Das letzte schwere Erdbeben, gefolgt von einem Tsunami, fand im August 2007 statt.

Im Verbund mit den Erdbeben stellen überhängende Felsen und Gletscher eine unberechenbare Gefahrenquelle dar. Ein schweres Beben verursachte am 31. Mai 1970 einen fatalen Gletscherabbruch. Vom höchsten Berg des Landes stürzten gewaltige Eismassen in zwei Seen. Sie lösten eine Flutwelle und in ihrem Gefolge eine 800 Meter breite Schlamm- und Gerölllawine aus, welche die Provinzhauptstadt Yungay vollständig begrub. Insgesamt starben 70 000 Menschen und 500 000 wurden obdachlos.

Neben dem Vulkanismus und den Erdbeben drohen weitere Naturgefahren. Insbesondere in der Landwirtschaft richten Starkregen, Dürren, Hagel, Kälteeinbrüche und Nachtfrost sowie Knollenfäule, Schädlingsbefall, Ratten- und Mäuseplagen große Schäden an. Während der Regenzeit können sich sintflutartige Regenfälle im Hochland und im Dschungel ergießen. Sie lösen Erdrutsche und Muren aus, die Bewässerungskanäle, Straßen und Bahnlinien verschütten, Weiler, Dörfer oder Stadtteile zerstören und Gemeinden von ihrer Verbindung zur Außenwelt abschneiden. Im Amazonasgebiet schwellen die Flüsse alljährlich stark an und setzen riesige Waldgebiete unter Wasser.

Alle paar Jahre tritt im tropischen Pazifikraum eine Störung der ozeanischen und atmosphärischen Zirkulationsverhältnisse auf mit Auswirkungen auf weite Teile der Welt. Das Zirkulationsphänomen ist unter der Bezeichnung El Niño Southern Oscillation (kurz: ENSO) bekannt, wobei El Niño im Pazifischen Ozean, die Southern Oscillation in der Atmosphäre abläuft. An Perus Küste treten die Auswirkungen üblicherweise im Dezember auf, weshalb die Fischer das Phänomen als El Niño (das Christkind) bezeichneten. In Zyklen von früher fünf bis acht, in neuerer Zeit von drei bis fünf Jahren dringen Warmwasserströmun-


Abb. 3: Zur Zeit des Hochwassers werden Teile des Quartiers Puerto Belén in Iquitos überflutet.

gen bis an Perus nördliche oder sogar zentrale Küstenregion vor. Im kühlen Humboldtstrom steigt weniger kaltes, nährstoffreiches Wasser an die Oberfläche. Der Anstieg der Wassertemperaturen in Kombination mit dem Rückgang des Sauerstoff- und Kohlenstoffgehalts im Meereswasser wirken sich negativ auf die Reproduktionsfähigkeit der Mikroorganismen aus und stören die maritimen Nahrungsketten massiv. Die Kaltwasserfische sterben oder wandern ab, was für die riesigen Vogelkolonien, die Meeressäuger (Robben, Wale, Otter) und die Fischindustrie verheerende Auswirkungen hat.

Die wärmeren Wassertemperaturen wirken sich auch auf das Wettergeschehen aus: Wasser kann leichter verdunsten, die Luft wird feuchter und es bilden sich Wolken. Heftige Regenfälle und Überschwemmungen ziehen die ansonsten trockene Küstenregion in Mitleidenschaft, verwüsten Felder und Plantagen, zerstören Häuser, Brücken, Straßen und Trinkwasseranlagen. Die Überschwemmungen führen zur Verseuchung des Trinkwassers, sodass in den El-Niño-Jahren 1972–1973, 1982–1983 und 1997–1998 in den Flussoasen von Nordperu Typhus, Ruhr, Hepatitis sowie Magen- und Darminfektionen grassierten. Zugleich entstehen in El-Niño-Jahren im Wüstengebiet Sümpfe und Seen. Ödland verwandelt sich dann in grüne Weiden, die für einige wenige Wochen Tausenden von Ziegen zusätzliche Nahrung geben. Während Starkregen und Überschwemmungen die Küstenregionen heimsuchen, treten im zentralen und im südandinen Hochland Dürren auf.


Abb. 4: Das imposante Huayhuash-Gebirge im nördlichen Zentralperu.

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