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Das Ende des Protektorats

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Zu Beginn des Jahres 1822 kam es zum Bruch zwischen dem Protektor und Vizeadmiral Cochrane. Weil die Zahlungen für seine Mannschaft ausblieben und er Meutereien befürchtete, beschlagnahmte Cochrane kurzerhand Gelder, die der peruanischen Regierung und Privatpersonen gehörten, und bezahlte damit seine Seeleute. San Martín erzwang darauf den Abzug des Schotten aus dem Hafen von Callao. Während Cochrane seine Kampagne gegen spanische Schiffe auf eigene Faust weiterführte, musste sich der Protektor um den Aufbau einer gesonderten peruanischen Flotte kümmern. Tatsächlich gelang es ihm, zunächst einige kleine Schiffe und später zwei spanische Fregatten zu erwerben. Unter widrigen Umständen entschloss sich San Martín zur Entsendung eines Befreiungsheeres, das die südlich von Lima gelegene Stadt Ica den Royalisten wieder entreißen sollte. Der Feldzug endete bereits im April 1822 in einem Debakel und beeinträchtigte den ohnehin schon angekratzten Ruf des Protektors weiter. Jedoch hielt sich der militärische Schaden in Grenzen. Denn am 24. Mai 1822 triumphierten »patriotische« Truppen in der Schlacht von Pichincha in der Nähe von Quito, womit sich ganz Ecuador der spanischen Herrschaft entledigte. Den Oberbefehl über die siegreichen Truppen hatte Antonio José de Sucre inne, einer der engsten Vertrauten Simón Bolívars. Am 16. Juni 1822 hielt Bolívar seinen Einzug in Quito, wo er die Eingliederung Ecuadors in die Republik Großkolumbien verkündete. Zugleich forderte der »Libertador« (»Befreier«) den Anschluss von Guayaquil, dem einzigen größeren Hafen für das Hochland von Quito. Die peruanischen Ansprüche auf das südecuadorianische Küstengebiet negierend, dekretierte er am 13. Juli 1822 die formelle Inkorporation Guayaquils in das großkolumbianische Territorium.

Während Bolívars Renommee ständig wuchs, wurde die Lage für San Martín immer prekärer. Seine Armee setzte sich hauptsächlich aus Sklaven und frisch rekrutierten Kräften zusammen. Weil die Soldaten nur unregelmäßig ihren mageren Sold erhielten, verkauften oder verpfändeten manche ihre Uniformen. Die undisziplinierte Soldateska, die sich an Überfällen und kleinkriminellen Delikten beteiligte, stellte eine ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung dar. Mitte 1822 musste Limas Stadtrat die Zahlungen seiner wichtigsten Verpflichtungen einstellen. Im September erhielten die Truppen nur noch zwei Drittel des ihnen zustehenden Soldes. Nicht besser erging es den Beamten, die schon seit Monaten nur die Hälfte ihrer Saläre bezogen. Obschon das Londoner Darlehen kurzfristige Linderung versprach, verblieb ein Schuldenberg. Denn das Protektorat hatte Schulden in der Höhe von 6,5 Millionen Pesos anerkannt, die es von den vizeköniglichen Vorgängerregierungen geerbt hatte. Die Hauptstadt litt unter Lebensmittelknappheit und dem Mangel an Hartgeld. Anfänglich kooperationswillige Adlige und Angehörige des Mittelstandes, die auf eine Karriere im Dienst des Protektorats gehofft hatten, wandten sich enttäuscht von San Martín ab. Da dieser weder von Chile noch von Buenos Aires Truppenverstärkung, Waffenlieferungen oder Finanzhilfe erwarten konnte, wandte er sich Hilfe suchend an Simón Bolívar.

Kurz nach der faktischen Annexion Guayaquils trafen sich die beiden Helden der Unabhängigkeitskämpfe in der südecuadorianischen Hafenstadt. Die Zusammenkünfte vom 26. und 27. Juli fanden im privaten Rahmen und hinter geschlossenen Türen statt. San Martín musste widerwillig akzeptieren, dass Guayaquil nun zu Großkolumbien gehörte. Kein Gehör fand er mit seinem monarchischen Projekt, denn Bolívar strebte eine Föderation zwischen den befreiten Republiken an. Zwar sicherte der »Libertador« San Martín militärische Hilfe zu, allerdings bei weitem nicht genug, um die royalistischen Truppen vernichtend schlagen zu können. Entmutigt reiste San Martín nach Lima zurück, wo ihn neue Schwierigkeiten erwarteten. Während seiner Abwesenheit war der verhasste Kriegs- und Außenminister Monteagudo abgesetzt und aus Lima deportiert worden. Weitgehend isoliert trat der Protektor am 20. September 1822 von seinen Ämtern zurück und übertrug seine Autoritätsbefugnisse dem ersten Kongress des Landes. Unverzüglich reiste er nach Chile und von dort aus weiter ins europäische Exil, wo er bis zu seinem Tod im Jahre 1850 bleiben sollte.

San Martíns 14-monatige Herrschaft trug sowohl konservative als auch fortschrittliche Züge. Im Einklang mit seinem monarchistischen Konzept erkannte er die Adelstitel aus der Kolonialzeit an. Das Protektorat setzte ein neues Handelsreglement und – anstelle einer Verfassung – ein »provisorisches Statut« (Estatuto provisional) in Kraft. Letzteres sah die peruanische Nationalität für alle freien Personen vor. Das bedeutete, dass Sklaven ausgeschlossen blieben, während Europaspanier, die sich dem neuen Regime unterstellten, einbezogen wurden. Trotz der Kriegssituation bemühte sich das Protektorat, die Grundlagen für ein öffentliches Erziehungs- und Bildungssystem zu schaffen. Am 19. September 1822, zwei Tage vor San Martíns Ausreise aus Peru und in dessen Anwesenheit, wurde in Limas Colegio San Tomás die erste peruanische Schule eingeweiht, die nach der Methode Lancaster unterrichtete. Für die Einführung dieser Unterrichtsmethode, benannt nach dem englischen Pädagogen Joseph Lancaster (1778–1838), war der schottische Baptistenpfarrer James (Diego) Thomson in den Jahren 1822 bis 1824 verantwortlich. Neben der ersten Lehrerbildungsanstalt wurden die Nationalbibliothek, die Patriotische Gesellschaft und die Literarische Gesellschaft gegründet. San Martín war persönlich für die Schaffung der Nationalbibliothek (28. August 1821) verantwortlich, der er 600 Bücher aus der eigenen Sammlung vermachte und die sämtlichen Interessierten offenstand. Andererseits stellten Zensurmaßnahmen sicher, dass Schauspieltruppen nur mehr »moralische« und »patriotische« Theaterstücke zur Aufführung brachten. Mit Verboten und harten Strafen gingen die Behörden auch gegen Praktiken der Volkskultur, gegen die ruinöse Wettleidenschaft und gegen die grassierenden Glücksspiele vor. Sie untersagten die ausgelassenen Spiele und Exzesse der Karnevalszeit sowie die beliebten Hahnenkämpfe unter Androhung einer einmonatigen Haftstrafe. Sklaven, die Zusammenkünfte für verbotene Glücksspiele in den Häusern ihrer Herren denunzierten, erhielten die Freiheit geschenkt.

Die Vertreibungen, Konfiskationen und Zwangsabgaben während des Protektorats bedeuteten die faktische Liquidierung der traditionellen kommerziellen und finanziellen Elite. Konfiszierte Gebäude und Liegenschaften gingen an Kommandanten des »Befreiungsheeres« über oder bildeten als Belohnung einen Anreiz für gegnerische Offiziere, die Seite zu wechseln. Solche Umverteilungen zogen eine gewisse Neuordnung innerhalb der Oberschicht nach sich, besonders dann, wenn sich nicht-weiße Militärführer beschlagnahmte Ländereien sicherten. Zu den wichtigsten integrativen Maßnahmen des Protektorats zählten die schrittweise Verbesserung der Situation der Sklaven sowie die Beseitigung sowohl des Indianertributs als auch jeglicher Form von indianischer Zwangsarbeit. Zukünftig sollten Indianer gleichberechtigte Staatsbürger sein und als Peruaner bezeichnet werden, weshalb man die Bezeichnung Indios oder Naturales aus dem offiziellen Sprachgebrauch verbannte. Freilich vermochten diese Dekrete nicht die gewünschte Wirkung zu entfalten und wurden von den peruanischen Eliten konterkariert. Trotz einer Reihe von Verfügungen, die das Los der Unterprivilegierten verbessern sollten, fand San Martín auch in diesen Schichten keine uneingeschränkte Unterstützung. Aus unterschiedlichen Gründen schlossen sich Indianer und Schwarze gleichermaßen den »patriotischen« wie den royalistischen Heeren an.

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