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Die NSDAP verbot viele Zeitungen und erwarb viele, sicherte aber ihren eigenen Blättern eine bevorzugte Position. Die drei wichtigsten waren der Völkische Beobachter, Der Angriff und Das Schwarze Korps. Nach dem Modell des Völkischen Beobachters gab es überdies regionale Ableger wie den Westdeutschen Beobachter in Köln. Der Völkische Beobachter, gegründet in der Frühzeit der Bewegung mit erst Dietrich Eckart und dann Alfred Rosenberg als Hauptschriftleitern, wurde als das offizielle Parteiorgan der NSDAP schließlich von Hitler herausgegeben.134 Er erschien täglich in zwei Hauptausgaben – Berlin und München – und druckte Parteikommuniqués sowie Berichte aus dem Alltag aus nationalsozialistischer Perspektive. Er war ein totalitäres Instrument zur Deutung der Welt nach totalitären Kriterien und zugeschnitten auf die totalitäre Herrschaft. Jedes Parteimitglied sollte die Zeitung abonnieren, und auch Nicht-Mitglieder taten gut daran, um keinen Verdacht zu erregen. Der Inhalt war einfach und massenwirksam aufbereitet, ebenso die Sprache. Auch im Feuilleton wurde die NS-Ideologie verbreitet: Die Aufklärung war, als französische Erfindung, verabscheuungswürdig, die schönste Musik war die romantische – und hier war Deutschland meisterlich –, der Expressionismus dagegen war »entartet«. Insgesamt schlug sich im Völkischen Beobachter die Phantasielosigkeit des Chefideologen Alfred Rosenberg nieder, der das Blatt bis zum Ende 1945 verantwortete.135 Im Februar 1932 betrug die verkaufte Tagesauflage 41 000 Exemplare und stieg danach immens.136

Die Wochenzeitung Der Angriff hatte Goebbels 1927 in seiner Funktion als Gauleiter Berlins gegründet. 1929 erschien Der Angriff zwei Mal wöchentlich, danach wieder im Wochentakt. In der Weimarer Zeit war das Blatt häufig verboten; es brachte, inhaltlich und formal auf die SA ausgerichtet, vorwiegend Lokalnachrichten. »Knapp, klar, scharf und radikal redigiert und dem Berliner Geist angepasst«, so Goebbels, richte es sich an die arbeitende Bevölkerung. 1928 wurden 30 000 Exemplare verkauft, 1934 mehr als das Doppelte. Der Ton war sehr viel rüder als im Völkischen Beobachter, und das Blatt konzentrierte sich stärker auf die angeblich von den Juden ausgehenden Übel.137 Das Schwarze Korps war die Zeitung der SS und unterstand nicht Goebbels, sondern Himmler. Propagandistisch war sie folgenreicher als der Angriff, weil die Journalisten dort gebildeter waren und das Blatt daher besser gemacht. Außerhalb der SS war es nicht so verbreitet wie der Angriff, aber man konnte es ohne Schwierigkeiten abonnieren oder am Kiosk kaufen. Die Artikel waren häufig geistreich und die Fotografien ansprechend. Es war ein Blatt für die Gebildeteren unter den überzeugten Nazis. Was im Reiche Himmlers vor sich ging, kam nicht zur Sprache, denn das unterlag für gewöhnlich strengster Geheimhaltung. Nur sehr selten ging es um Wesen und Ziele der nationalsozialistischen Herrschaft hinsichtlich der totalitären Beschränkungen und imperialistischen Ambitionen, und wenn, dann nur verbrämt.138 Ein gutes Beispiel dafür ist eine Reportage über KZs. Offensichtlich machte man sich Sorgen wegen Berichten jüdischer Exilanten, und so versuchte Das Schwarze Korps, die Dinge geradezurücken. So hieß es dann 1936 in Heft Nr. 7 über die Insassen eines KZ: »Es ist dies eine Kollektion von Rasseschändern, Notzüchtern, sexuell Entarteten, Gewohnheitsverbrechern, die den größten Teil ihres Lebens hinter Zuchthausmauern verbrachten, und anderen Individuen, die sich durch ihr Verhalten außerhalb der Volksgemeinschaft gestellt haben.« Die Zeitung bot jedem interessierten Land diese »reichhaltige Kollektion von notorischen Verbrechern und erklärten Feinden jeder Ordnung« als Gabe an.139 Zu den letzterwähnten »Feinden« gehörten auch politische Gefangene, die das Blatt allerdings nicht eigens erwähnte.

Obwohl die Presse den politischen Zielen des NS-Staats insgesamt gleichgeschaltet diente, blieb sie strukturell dezentralisiert. Im Gegensatz dazu wurde der Rundfunk bereits 1933 zentralisiert, ein Vorgang, der sich mit fortschreitender Dauer des Regimes noch verschärfte. Denn der Rundfunk galt als noch wirksameres Propagandainstrument als die Presse, ließen sich damit doch auch wenig gebildete Bevölkerungskreise erreichen. Das hatte schon die autoritäre Regierung unter Franz von Papens erkannt und den Rundfunk 1932 verstaatlicht. Sobald die NS-Führung das Potenzial des Rundfunks als »kulturelle SS des Dritten Reiches« erfasste, übernahm die ihrerseits 1933 in das Propagandaministerium integrierte Reichs-Rundfunk-Gesellschaft sämtliche vorhandenen Radiostationen. Die beim Rundfunk Beschäftigten wurden noch im Herbst 1933 der Rundfunkkammer der RKK eingegliedert.140 Seine propagandistische Feuertaufe erlebte der Rundfunk Anfang Februar 1933, als Hitler und Goebbels im Berliner Sportpalast um Stimmen für die Reichstagswahl vom 5. März warben, die dem Ermächtigungsgesetz vom 23. März den Weg ebnen sollte. Zu zwanzig bis dreißig Millionen Deutschen zu sprechen, die an den Lautsprechern lauschten, sei »zweifellos ein großer Erfolg für Hitler. Welch ein Instrument der Massenpropaganda ist heute der Rundfunk!«, schwärmte der Schriftsteller Erich Ebermayer.141

Zur sinnvollen Verbreitung des Rundfunks musste Goebbels ein Gleichgewicht zwischen Risiken und Chancen ermitteln. In einem totalitären System hieß das abzuschätzen, wie viele Hörer ein Interesse an ausländischen Sendern haben könnten und wie viele nicht. Solange die Ruhe im Innern trotz negativer Berichte über Deutschland von jüdischen Emigranten und Auslandsjournalisten gewahrt werden konnte, hielt Goebbels den Empfang ausländischer Sender nicht für bedrohlich. Um auf Nummer sicher zu gehen, ließ er indes schon bald nach der Machtergreifung einen Volksempfänger (VE) entwickeln, der zwar leistungsfähig genug war, um zentral ausgestrahlte deutsche Sender und deren politische Botschaften zu empfangen, aber zu schwach für den Empfang ausländischer Sender. Der Volksempfänger trug schon bald die Bezeichnung VE 301 und erinnerte die Hörer so an den Tag von Hitlers Machtergreifung (den 30. Januar). Er war für den vergleichsweise moderaten Preis von 76 Reichsmark zu erwerben und damit für die breite Bevölkerung erschwinglich. Da auch die wirtschaftlich schwächeren Gesellschaftsschichten sich so ein Gerät leisten konnten, stieg die Zahl der Rundfunkhörer von knapp über vier Millionen Anfang 1933 auf fast vierzehn Millionen Ende 1939. Somit besaßen zu Beginn des Zweiten Weltkriegs 70 Prozent der deutschen Haushalte ein Radiogerät – international ein Spitzenwert.142

Trotzdem waren immer genügend leistungsstärkere Geräte in Umlauf, dass sich irgendwo eine Gelegenheit fand, Auslandssender zu hören. Bereits 1937 waren über 30 Prozent aller Geräte Mehrfach-Überlagerungsempfänger (multi-circuit superhets),143 mit denen man nicht nur den regionalen deutschen Mittelwellensendern und, auf der Langwelle, dem Deutschlandsender, sondern auch der BBC mit ihrem großartigen Nachrichtendienst, Radio Beromünster aus Zürich mit seinen neutral gehaltenen, nüchternen Sendungen und Radio Luxemburg mit seinem modernen Jazzprogramm lauschen konnte. Goebbels, der sich im April 1937 darüber beklagte, dass die deutschen Rundfunkprogramme an Beliebtheit verloren hätten, sah sein sorgfältig ausbalanciertes Gleichgewicht zwischen technischem Zugang zu deutschen Nachrichtenkanälen und dem Aussperren von sogenannter Feindpropaganda in Gefahr, denn »die Hörer hören ausländische Sender«.144

Goebbels jonglierte mit vielen Bällen, ohne jemals das intendierte Ziel zu erreichen: die Hörerschaft geneigt zu machen, der schärfsten Propaganda ebenso zuzuhören wie der gut dosierten beruhigenden Unterhaltung. Unterhalb dieser umfassenden Zielsetzung ging es pragmatischer zu: Es musste ein Ausgleich geschaffen werden zwischen Wort- und Musikbeiträgen und im Weiteren zwischen ernster und leichter Musik sowie zwischen Nachrichten und Reportagen einerseits, Hörspielen, Kinder- und Quizsendungen andererseits.

Goebbels’ Jonglierkünste entwickelten sich erst mit der Zeit; die Anfänge seit 1934 waren von tastenden Versuchen mit zweifelhafter Gesamtwirkung gekennzeichnet. Im Jahr der Machtergreifung wurde das Radio noch so begeistert wie grobschlächtig eingesetzt, zur Übertragung politischer Nachrichten, öffentlicher Reden – vor allem von Hitler und Goebbels – sowie öffentlicher Ereignisse. Um dies und mehr zu hören, mussten sich die Menschen dort, wo Radiogeräte in Privatbesitz noch rar waren, in Rathäusern oder Parteilokalen zusammenfinden und regungslos lauschen. Wichtige Tage im Parteikalender, an denen eine hohe Beteiligung der Bevölkerung erwartet wurde, waren die Machtergreifung (30. Januar), »Führers« Geburtstag (20. April), der Tag der Arbeit (1. Mai), die Reichsparteitage (jeden September) und der Gedenktag an den Putschversuch von 1923 (9. November). 1933 wurde durchgängig Militärmusik gespielt, vor allem Hitlers Lieblingsstück, der Badenweiler Marsch. Auch war das Stiefelknallen marschierender SA-Truppen zu hören – ein Tribut an Hitlers paramilitärische Gruppierungen, die anfänglich die regulären Polizeikräfte beim Einkassieren von »Volksfeinden« unterstützten.145

Nach einem Jahr an der Macht sah die NS-Führung ein, dass zu viel Politik in einem Medium wie dem Rundfunk das Besitz- und Bildungsbürgertum abstieß, das für die neue Politik häufig erst noch gewonnen werden musste, von dessen Fähigkeiten in Verwaltung und akademischen Berufen man jedoch abhing. Auch konnte nur ein einigermaßen anspruchsvolles Programm bei potenziell freundlichen Nachbarn wie Frankreich und Großbritannien, die vor den Kopf zu stoßen Hitler zunächst keinen Grund hatte, einen guten Eindruck hinterlassen. Um also die Qualität des Rundfunks insgesamt zu verbessern, machte sich Goebbels zu Beginn des Jahres 1934 an eine Reform. Er schränkte die ungeschlachten politischen Beiträge ein und begann stattdessen einen Feldzug für die klassische Musik. Im Februar fing es mit einem Beethoven-Zyklus an; dem folgten Werke von Bach, Händel, Mozart und Bruckner. Im Sommer gab es einen besonderen Zyklus zu Wagner, verwoben mit Wortbeiträgen von dessen Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain.146 Es half, dass gerade zu dieser Zeit Richard Strauss Präsident der Reichsmusikkammer war. Auch seine Werke wurden großzügig im Rundfunk aufgeführt, dazu die Arbeiten der nächsten beiden herausragenden zeitgenössischen Komponisten: Hans Pfitzner und, mit einigem Abstand, Paul Graener.147

Allerdings war Goebbels’ Programmpolitik alles andere als aus einem Guss, weil er Schwierigkeiten hatte, das ideale Gleichgewicht zu finden. Zum einen wandelte sich die Politik ständig, zum anderen war er sich nicht immer ganz sicher, was die Menschen wirklich hören wollten. Folglich mangelte es seinen Direktiven an Schlüssigkeit. So wollte er 1934 das Programm lockerer gestalten und zugleich seine Qualität verbessern, was zu den erwähnten Musik-Zyklen führte, aber auch, im Dezember 1934, zur Etablierung einer Studio-Jazzband namens »Die Goldene Sieben«. Während London und Paris beeindruckt gewesen sein dürften, gab es in Deutschland Proteste, sowohl aus der Bevölkerung als auch von NS-Hardlinern, und so verschwand im Herbst 1935 mit der Goldenen Sieben der Jazz wieder aus dem Programm.148 Goebbels, weiterhin davon überzeugt, dass auch die Musik eine politische Funktion hatte, ordnete nun an, dass auf Kosten der ernsten mehr leichte Musik gesendet werden sollte, während er zugleich den Anteil der Wortbeiträge zurückfuhr.149 Aber Mitte 1938 – Radio München sendete stundenlang leichte Unterhaltungs- und nur 40 Minuten Kammermusik –, änderte Goebbels wiederum plötzlich die Richtung und forderte »mehr ernste, weniger reine Unterhaltungsmusik. Übertragungen von Symphonien«, ein »seriöses Programm«.150 Grund dafür dürften der »Anschluss« Österreichs sowie die greifbaren Spannungen anlässlich der Sudetenkrise gewesen sein. Etwas später bestand das Programm aus über 68 Prozent Musik und 16 Prozent Wortbeiträgen zum Tagesgeschehen.151 Dann schlug Goebbels wieder einen neuen Kurs ein und forderte im Juli 1939, als die Aufrüstung in vollem Gange war, die Ausweitung des Unterhaltungsprogramms.152 Die Nationalsozialisten, lässt sich vermuten, spürten, dass ein weiterer Weltkrieg in der Bevölkerung auf wenig Gegenliebe stoßen würde, weshalb sie die Menschen schon im Vorwege zu beruhigen suchten.

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