Читать книгу Kishou IV - Michael Kornas-Danisch - Страница 5
~ Erste Kontaktaufnahme
ОглавлениеD
ie Sonne stand schon hoch am Himmel, als sie endlich auf die ersten Anzeichen der Bewohner dieses Droms stießen. Ein größeres Feld tat sich vor ihnen auf, dass offenbar bearbeitet war. In regelmäßigen Abständen ragten kleine Sprösslinge aus dem Boden. An seinem Rande führte ein ausgetretener Weg entlang, der einem Wagen Platz bot.
Mit erhöhter Aufmerksamkeit nutzen sie die gewonnene Bequemlichkeit des Weges, der sich am Ende der großen Parzelle in verschiedene Richtung aufspaltete. Für Madame KA gab es hier offensichtlich keine Qual der Wahl. Wie selbstverständlich ritt sie in einen der Wege hinein, der halbrechts gelegen, in einen dichten Wald hinein führte, und sich alsbald verbreiterte. Die Fülle der Natur schien von nun an etwas geordneter. Es konnte aber auch täuschen, und nur dem Pfad geschuldet sein, der sich gradlinig durch das Gehölz schnitt. Tiefe Eindrücke von Wagenspuren zu beiden Seiten zeigten an, dass er häufig genutzt wurde.
Nach einem längeren Anstieg und folgendem kürzeren Abstieg des Weges, stießen sie auf ein weiteres Feld, das dem Ersteren nicht unähnlich war. Es war allerdings um einiges größer – und es war hier gerade ein geschäftiges Treiben auf ihm zu erkennen. In einiger Entfernung waren mehrere Gestalten zu sehen, die sich in gebückter Haltung am Boden zu schaffen machten – ein höchst friedvoller Anblick, der auch in Kishou nicht die Spur einer Gefahr signalisierte. Sie hielten inne und blickten gespannt zu den dort Arbeitenden hinüber.
„Boorh entscheidet: Breenen verdrängen dort das Allsein!“
„Wieder ein Geistesblitz von dem Muskelträger!“, quäkt das Untere Squatsch leise. Er war aber selbst so sehr gespannt, dass er sogar die nun üblicherweise folgende Entschuldigung gegenüber Kishou vergaß.
„Und jetzt?“, fragte Kishou.
„Wir werden zu ihnen gehen, und sie befragen, was sich verhält in diesem Drom!“, stellte Habadam nüchtern fest.
„So ist es entschieden!“, meinte Mo und stieg bereits von ihrem Biesel.
Die anderen folgten ihrem Beispiel. Sie gingen noch ein Stück weit den Weg entlang, bis sie geradewegs zwischen den Reihen der Setzlinge auf die Breenen zumarschierten. Es waren sechs von ihnen, die dort mit irgend etwas in der Erde beschäftigt waren. Jetzt erhoben sie sich einer nach dem anderen – sie hatten wohl die Fremden bemerkt. Zunächst verhielten sie sich abwartend, und schauten den Ankömmlingen entgegen – dann aber machten sie auf der Stelle kehrt, und rannten unter lauten, unverständlichen Rufen quer über das Feld. Sie sprangen auf einen Wagen mit zwei Zugtieren davor, dass auf der anderen Seite des Feldes abgestellt war, und fuhren eilig davon.
Kishou schaute ihnen enttäuscht nach. „Mist!“, ließ sie sich vernehmen.
„Eine gewisse Wahrscheinlichkeit stand durchaus für ein solches Verhalten!“, meinte Habadam.
„Ja!“, schloss sich ihm Madame KA an. „In unseren Erscheinungen verhält sich zuviel des Fremden!"
„Du meinst, weil ihr so groß seid!“, verstand Kishou. Die Breenen waren wohl etwas größer von Gestalt als sie selbst – zumindest diejenigen, die sie hier vorfanden – aber doch Zwerge gegen Boorh und Mo. Selbst Madame KA überragte sie noch um einiges. „Ich hab’ auch ganz vergessen den Mantel wieder anzuziehen!“, stellte sie nun auch erschrocken fest.
„Kein Problem!“, winkte das Untere Squatsch ab. „Die Blaurockstange und der Brusthaarträger wären ihnen dadurch nicht sympathischer erschienen. Nicht sympathischer! Kein Problem das!“
Sie kehrten zurück zu ihren Bieseln, und setzten ihren Marsch fort.
„In der kleinen Begegnung mit den Breenen verhält sich noch ein weiteres Rätsel zu uns!“, meinte Habadam, während sich eine seiner Hände in seinem dichten Bart verlor.
„Du sprichst von der Braanin unter ihnen!“, erriet Madame KA sofort.
„Ja!“, bestätigte Habadam.
„So ist entschieden, das die Grenze nicht verschlossen ist, zum Vierten Tal der Vierten Ebene des Vierten Droms!“. Bemerkte Mo.
„Erstaunlich! Höchst erstaunlich!“, grübelte Habadam.
„Ihr meint …“, horchte Kishou auf. „… wir kommen ganz einfach und ohne Probleme in das Vierte Tal der Vierten Ebene des Vierten Droms?“
„Eine Grenze muss immer erst überschritten werden!“, reagierte Madame KA. „Was dem einen zugestanden ist, kann dem anderen verwehrt sein!“
Kishou empfand die Vorstellung einer grundsätzlich begehbaren Grenze dennoch als hoffnungsvoll. „Na gut, aber es klingt allemal besser als das, was wir bisher immer erlebt haben!“.
Das Land erwies sich in seinem weiteren Verlauf als sehr hügelig und durchwachsen von Felsformationen, die hin und wieder die verschwenderische Natur kurz unterbrachen. Immer wieder trafen sie auf Wegverzweigungen, und wo sie auf größere ebene Fläche stießen, waren diese zumeist mit allerlei Anpflanzungen bewirtschaftet. Sie durften der Stadt Trital auf den befestigten Wegen schon ein gutes Stück nahe gekommen sein, als sie erneut auf Breenen trafen, die gerade ein Feld bearbeiteten. Von einer Bepflanzung war noch nichts zu sehen, aber soviel man bereits erkennen konnte, reihten sich kleine, spitze Erdhügelchen über das weite Felde aneinander. Es mochten mehr als zwanzig Breenen sein, die dort auf dem Feld waren. Auch Braanen schienen wieder unter ihnen sein, wie die dunklere Farbe ihrer Mäntel anzeigte.
„Wollen wir’s nochmal versuchen?“, frage Kishou zweifelnd!“
„Boorh entscheidet: Wartet!“ Er warf Mo einen kurzen Blick zu, wendete sein Biesel, und stürmte in die Richtung davon, aus der sie gekommen waren. Kurz darauf war klar, was er vorhatte. Er umrundete das Feld, um auf dessen andere Seite zu gelangen. Wozu das gut sein sollte, war zumindest Kishou noch nicht so recht klar …
„Es ist entschieden!“, meint Mo plötzlich und stieg von ihrem Biesel.
Diesmal vergaß Kishou die Verkleidung nicht – war aber nun unsicher, welche sie wählen sollte. „Wenn es hier auch Braanen gab – also Bewohner des Tals des Vierten Droms ... „Welchen der beiden Mäntel soll ich dann anziehen?“
„Wählt den helleren – den des Breenen!“, empfahl Madame KA. „Aber bedeckt euer Gesicht. Wir wissen noch zu wenig über die hiesigen Verhältnismäßigkeiten und dem Hiersein der Braanen!“
Eilig zog sie das Gewand über die Schultern, knöpfte es zu, und schlug die große Kapuze über ihren Kopf. Die Sinnhaftigkeit ihrer Verkleidung durfte zwar im Anbetracht ihrer Begleitung in Zweifel gezogen werden, aber vielleicht war es ja doch vor allem ihr Anblick, die eine solche Reaktion der Bewohner des Droms hervorrief. Immerhin hatte bislang noch niemand im Großen Belfelland auf ihre Erscheinung normal reagiert. So gerüstet marschierten sie geradewegs auf die Arbeitenden zu.
Schon bald erhoben sich die ersten der grau berockten Gestalten. Rufe waren zu hören, und bald hatten sich alle erhoben, und starrten zu ihnen hinüber. Kishou hatte sich an die Spitze gesetzt – wohl in der Hoffnung, dass ihre Erscheinung als scheinbarer Breene etwas vertrauenerweckender wäre.
Tatsächlich gelang es ihnen, sich ein wenig mehr zu nähern, als beim ersten Mal, bevor die Breenen – zunächst etwas zögerlich – dann jedoch nicht weniger panisch und unter lauten Rufen Reißaus nahmen. Sie liefen zu beiden Seiten des Feldes verstreut auseinander, um ihre Wagen zu erreichen. Augenblicke später stoben die Zugtiere mit den Fuhrwerken davon – bis auf Einen …
Mo nahm sofort Kurs auf ihn, und wusste wohl auch, warum. Sie fanden einen breit grinsenden Boorh bei ihm, dessen riesige Pranken die Arme zweier Breenen wie Schraubstöcke umschloss. „Boorh entscheidet: Nach der Tat könnt ihr nun Worte vom Allsein trennen!“
Die beiden Breenen starrten mit offenen Kapuzen und weit aufgerissenen Augen von einem zum anderen, als fürchteten sie ihr jähes Ende.
„Ihr müsst keine Angst haben!“, meinte Kishou sofort, die sich mit weit vorgezogener Kapuze bemühte, ihr Gesicht zu verbergen. „Ihr könnt ja nicht wissen, wer wir sind, aber …“
„Wir … wir wissen, wer ihr seid!“ stotterte der eine sofort in Kishous Worte hinein. „Alle wissen es!“
„Ihr wisst, wer wir sind?“, staunte Kishou.
„Wir haben uns lange schon vorbereitet. Bald werden die Teller hier sein – und die Gleim!“, übernahm der andere mit erstickter Stimme, während seine Augen hektisch den Himmel absuchten.
„‚Teller’ … und die ‚Gleim’?“ fragte Kishou, und versuchte den Blicken der beiden in den Himmel zu folgen.
„Boorh entscheidet: Im Gleim verdrängt ein Streiter der Horden der Gleichen das Allsein!“
„Na toll!“, erschrak Kishou, und blickte suchend über das Feld.
„Weshalb fürchtet ihr uns, wenn ihr doch wisst, wer sich in uns zu euch verhält?, fragte Habadam.
„Wir … wir fürchten uns nicht!“, stieß der Eine sofort hervor. Es mochte wohl die schlechteste Lüge gewesen sein, die je ausgesprochen wurde.
„Was glaubt ihr denn, wer wir sind?“, fragte Kishou nach. Die Reaktion der Breenen sprach nach ihrem Befinden nicht gerade für das bekundete Wissen der Beiden.
„Ihr kommt von der ‚Sterbenden Welt’, und wollt unser Wasser und unser Land!“
„Und es stimmt also auch, das die ONO mit euch unter einer Decke steckt!“, übernahm der andere mit hassvollen Blick, und streckte seinen freien Arm in Richtung Kishou!“
„,ONO'? – was ist das?“, wunderte die sich, sie war hier offenbar direkt angesprochen. Eine Antwort blieb allerdings aus.
„Sie halten euch für einen Breenen!“, gab Madame KA leise zu bedenken. „Ihr solltet es also wissen und so werden sie eure Frage nicht verstehen!“
„Tatsächlich verhält es sich gewissermaßen so, dass wir aus sterbenden Welten kommen. sprach nun Habadam zu den Beiden. „Doch warum ist euer Drom davon verschont? Wir finden hier das Verhalten von Wasser in den Wolken wie auf der Erde, und eine reiche Natur?“
„Was soll die Frage?", war die Reaktion des Einen mit Blick auf Kishou. „Wir haben noch von allem genug, und Ihr werde es uns nicht nehmen – auch wenn es Verräter unter uns gibt!“, sprudelte er aggressiv hervor und verzog gleich darauf in Schmerzen sein Gesicht. Er hatte sich wohl dabei zu ungestüm bewegt, und Boorhs Griff zog sich noch fester zu.
„Lass sie los, Boorh!“, befahl Kishou. Der gab die Beiden nach einem bedenklichen Blick zu beiden Seiten frei und trat einen Schritt hinter sie zurück. „Wir wollen euch nichts tun!“, erklärte Kishou nun beschwichtigend. „Wir wollen nur wissen, was so los ist hier im vierten Drom. Zum Beispiel wie man in das Vierte Tal der Vierten Ebene des Vierten Droms kommt. Ist die Grenze tatsächlich offen?“
Die beiden Breenen sahen sich verständnislos an, ohne zu antworten.
Kishou musste einsehen, dass sie als vermeintlicher Breene solche Fragen nicht stellen konnte. Sie war für einen Augenblick geneigt, sich einfach die Kapuze vom Gesicht zu ziehen, und sich zu offenbaren, das hatte noch nie seine Wirkung verfehlt – aber sie war unsicher, ob dies jetzt der richtige Moment war. „Ich bin kein Breene!“, versuchte sie es wenigstens auf die einfache Art. „Ich würde nicht fragen, wenn ich die Antwort kennen würde!“
Die beiden schauten tatsächlich einen Moment etwas verdutzt zu ihr hinüber. „Was soll das Verleugnen deiner Herkunft!?“, meinte der Eine von ihnen.
Ein unwilliger Laut hinter Kishou deutete an, dass das Untere Squatsch dabei war, die Geduld zu verlieren. Er watschelte auch prompt nach vorn und stellte sich vor den Beiden auf. „Also nun hört mal zu, ihr beiden Intelligenzträger … ihr Beiden … Bevor ich euch frage, was unter eurem Grauröcken das Allsein verdrängt, was wohl eine ziemlich unangenehme Frage wäre, … eine sehr unangenehme. Als bevor ich euch …“
Das kurze Aufleuchten Mos unterbrach jäh die Worte des Unteren Squatsch. Bevor die anderen realisieren konnten, was gerade geschehen war, stieg bereits die schwere Axt Boorhs unter seinem Brüllen in den Himmel auf und krachte dem Klange nach in etwas metallisches hinein. Unweit hinter ihnen fiel das Getroffene wie ein Stein mit dumpfen Aufschlag in das Feld. Der kleine Moment der Ablenkung genügte allerdings den beiden Breenen als Gelegenheit, um mit riesigen Schritten im Unterholz des angrenzenden Waldes zu verschwinden.
„Was war das?“, fragte Kishou erschrocken.
„Ein ganz besonderer Vogel verdrängte am Himmel das Allsein!“, reagierte das Untere Squatsch lakonisch.
„Nein!“, war hierzu der eindeutige Kommentar Luis, während er sich von Habadams Schulter erhob, und in die Richtung flog, wo das unbekannte Ding niedergegangen war. Die anderen folgten.
Sie fanden ein seltsames, scheibenförmiges, zur Mitte sich verstärkendes Gegenstand, der nicht ganz zwei Schritte von einer Seite zur anderen maß. Seine Farbe war von mattem Schwarz und seine Form nach allen Seiten unterschiedslos – abgesehen von der starken Delle im oberen Gehäuse. Boorhs Axt musste das Ding von unten durchschlagen, und die kantige Delle dort oben hinterlassen haben.
Kishou beugte sich nach unten. Splitter von dickem Glas lagen dort vereinzelt herum. Sie meinte auch, ein grünliches Licht etwas unterhalb und im Schatten des Objekts zu sehen – aber es war nur einen Moment lang, und wohl nur eine Reflexion des Grases.
Vollkommen unterschiedslos Ebenmäßig war es dann aber doch nicht. Eine Stelle seiner Kante wies ein fingerdickes, quadratisches Loch auf, wie Kishou nun bemerkte.
„Ein Besonderer Apparat!“, stellte Habadam stirnrunzelnd fest.
„So wie’s aussieht, …“ überlegte Kishou … „Der Eine hat doch von ‚Teller’ gesprochen, die kommen werden. Ist das vielleicht so ein Teller?“
„Eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht wohl schon wegen dem Verhalten seiner Form dafür!“, meinte Habadam.
„Kennt ihr die nicht?“, frage Kishou. „Ich meine, gab’s die damals nicht, als im Großen Belfelland noch alles in Ordnung war?“
„Eine menge Schrott verdrängte seinerzeit das Allsein hier!“ Das Untere Squatsch wiegte seinen viel zu großen Kopf hin und her. „… Eine menge Schrott. Das Allsein ist noch heute voll davon. Übervoll. Aber sowas hier … sowas … Nein. Eine Kreation kranker Hirne verdrängt hier das Allsein!“
„Hat es dich angegriffen, Mo!“, fragte Kishou. „Ich meine, weil du plötzlich so Hell aufgeleuchtet bist!“
„So ist es entschieden!“, bestätigte die nur.
„Hier!“ Habadam wies auf das kleine, viereckige Loch am Wulst der Scheibe, das Kishou auch schon bemerkt hatte. „Die Horden der Gleichen – also der Gleim – verschießt kleine, würfelförmige Metallquader. Diese Öffnung verhält sich vollkommen zu ihnen!“
„Na toll!“, seufzte Kishou, und suchte besorgt mit den Augen den Himmel ab. „Wenn uns einer von den Dingern gefunden hat, werden wahrscheinlich bald noch mehr hier sein!“
„Dann sollten wir hier nicht auf sie Warten!“, meinte Madame KA, und wandte sich in die Richtung der Biesel.