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1 Das Spiel des Lebens

Der Mensch braucht Orientierung

Das Leben ist ein Spiel, wie alle Spiele sind: Wer's nicht versteht, verliert, Und wer's versteht, gewinnt. JOHANN WILHELM LUDWIG GLEIM

Leben ist wie Zeichnen ohne Radiergummi. ECKART VON HIRSCHHAUSEN

Ein Vater spielt mit seiner kleinen Tochter Schach. Beide sitzen einander gegenüber und blicken gebannt auf das Spielbrett mit seinen weißen und schwarzen Feldern. Vater und Tochter wirken sehr konzentriert, während sie abwechselnd ihre Figuren bewegen. Plötzlich springt die Tochter aufgeregt auf, während sie ihren Springer in eine vielversprechende Position bringt. Auch für den Vater scheint dieser Zug unerwartet gewesen zu sein. Verärgert murmelt er etwas von »Anfängerfehler« und einem »verlorenen Turm«. Minutenlang betrachtet er sichtlich angestrengt das Spielfeld, während seine Tochter vor Spannung kaum still sitzen kann. Schließlich bewegt er seinen König ein Feld nach rechts. Ungeduldig schlägt die Tochter den Turm und fährt dadurch ihre Beute ein. Das Spiel setzt sich fort. Mit der Zeit verschwindet die siegesgewisse Mine der Tochter wieder. Nach einigen kleinen Fehlern der Tochter hat der Vater gewonnen und atmet sichtlich auf. Auch die Tochter ist zufrieden, hat sie doch ihren vermeintlich übermächtigen Vater zumindest an den Rand einer Niederlage geführt.

Die Qualität der einzelnen Spielzüge erschließt sich nur demjenigen, der mit dem Schachspielen vertraut ist. Hierzu gehören neben dem Verständnis vom Ziel des Spiels auch die Kenntnis der Spielregeln und Einsatzmöglichkeiten sämtlicher Spielfiguren. Ein solides Grundwissen allein macht allerdings noch keinen guten Spieler aus. Wie wir am obigen Beispiel gesehen haben, spielt bei einem anspruchsvollen Spiel wie Schach auch die Erfahrung eine entscheidende Rolle. Es ist vor allem das Praxiswissen, das den Spieler befähigt, eine geeignete Spielstrategie zu entwickeln und unter einer Vielzahl an möglichen Zügen die jeweils besten auszuwählen. Vermutlich erfreut sich Schach deshalb so großer Beliebtheit, weil es zahlreiche Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten bietet und sich durch einen offenen Spielverlauf auszeichnet. Diese Eigenschaften machen das Spiel interessant, verleihen ihm Spannung und verlangen gleichermaßen denkende wie auch kreative Spieler.

Das menschliche Leben ähnelt in vielerlei Hinsicht einem Spiel. Auch hier haben wir schier zahllose Möglichkeiten zu gestalten und Einfluss zu nehmen. Allerdings haben wir im Unterschied zu einem Spiel, welches wir jederzeit noch einmal von vorne beginnen können, nur ein einziges Leben zur Verfügung. In Bezug auf unser Leben steht daher im wahrsten Sinne des Wortes etwas auf dem Spiel. Möchten wir beim »Spiel des Lebens« erfolgreich sein, sollten wir uns gründlich mit der Natur dieses »Spiels« auseinandersetzen und überlegen, was dies für unserer Lebensweise bedeutet.

— Das Spiel des Lebens

Grundsatzfragen

Unser Leben ist im Vergleich zu einem Spiel nicht nur sehr viel bedeutsamer und großartiger, sondern auch wesentlich vielschichtiger und komplexer. Zudem fehlt für das Leben eine offensichtliche »Spielanleitung«, die bezüglich der herrschenden Rahmenbedingungen und Gestaltungsmöglichkeiten Orientierung bietet. Wollen wir dem Spiel des Lebens auf die Spur kommen, müssen wir uns eingehend mit den wesentlichen Grundsatzfragen des Lebens auseinandersetzen und uns auf diese Weise ein reifes Weltbild erarbeiten.

Betrachten wir nun analog zu den Erfolgsfaktoren eines Spiels wie Schach einige wesentliche Grundsatzfragen zur Lebenskunst, die als Pendant zur Spielanleitung im Rahmen einer tragfähigen Weltsicht zu beantworten sind. Die Abbildung gibt hierzu einen Überblick, der im Folgenden erläutert wird.


Abb.1: Zentrale Fragen zum »Spiel des Lebens«

Was sind Ziel und Sinn des Lebens?

Wer erfolgreich spielen möchte, hat bei jedem Spielzug das Ziel des Spiels fest im Blick und richtet seine Spielzüge bewusst darauf aus. Was aber sind das Ziel und der Sinn unseres Lebens? Gibt es einen übergeordneten, für alle Menschen gleichermaßen gültigen Sinn, oder ist jeder Mensch aufgerufen, seine Bestimmung und seinen Lebenssinn selbst zu definieren? Es ist offenkundig, dass Ziel und Sinn des Lebens nicht wie eine Spielanleitung vorgegeben sind, sondern bewusst erkannt und gewählt werden müssen. Wo aber finden wir geeignete Anhaltspunkte dafür, woran wir diese Entscheidungen festmachen könnten?

Die Beschäftigung mit dem Sinn unseres Daseins ist eng mit der Frage verknüpft, ob das »Spiel des Lebens« mit dem körperlichen Tod endet, oder ob es danach in irgendeiner Weise weitergeht. Diese Frage ist von fundamentaler Bedeutung, weil wir je nach Antwort unser Leben unter einer völlig anderen Prämisse betrachten und gestalten werden. Jeder Mensch, der ein selbstbestimmtes Leben führen möchte, wird früher oder später über diese und ähnliche Fragen stolpern. Solange Ziel und Sinn unseres Lebens nicht näher bestimmt sind, fehlt es uns an Orientierung und Ausrichtung. Unsere »Lebensspielzüge« sind dann in gewisser Weise beliebig.

Bei einem Spiel hat auch die Spielweise anderer Spieler einen Einfluss auf die eigene Spielstrategie und Taktik. Sie zwingt dazu, trotz eigener Pläne Anpassungen vorzunehmen und zuweilen sogar fundamental umzudenken. Im echten Leben ist es nicht anders: Weil wir in die Wirklichkeit einer Gesellschaft eingebunden sind, hängt unser persönlicher Gestaltungsspielraum ganz erheblich von der Beschaffenheit unseres gesellschaftlichen Umfelds und ihrem Einfluss auf uns ab. Die hohe Bedeutung der Gesellschaft für die sie bildenden Mitglieder erfordert es, darüber nachzudenken, ob und inwieweit möglicherweise der Gesellschaft selbst ein übergeordneter, kollektiver Sinn und eine gemeinsame Mission innewohnen. Infolgedessen gilt es nicht nur, die Bestimmung des Menschen, sondern auch die der Menschheit näher zu beleuchten. Hierfür ist es zielführend, sich mit dem Wesen des Menschen und der Beschaffenheit der Welt eingehender auseinanderzusetzen.

Woraus besteht die Welt?

Beim Spiel des Lebens bildet die Welt mit ihren vielfältigen Phänomenen das »Spielfeld«, auf dem wir agieren. Je gründlicher die Wissenschaft unser Universum erforscht, desto deutlicher tritt zutage, wie außerordentlich ästhetisch, aber auch komplex unsere Welt beschaffen ist. Wissenschaftler haben sich längst daran gewöhnt, dass die Erklärung untersuchter Phänomene immer neue Fragestellungen aufwirft, deren Beantwortung zu einem sich stetig vertiefenden Verständnis der Welt des Seins führt. Während das wissenschaftliche Weltbild noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts weitgehend mechanistisch und materialistisch geprägt war, hat vor allem die Erforschung verschiedener Quantenphänomene ein radikales Umdenken erzwungen. Heute zeichnet die moderne Wissenschaft das Bild einer Welt, die weit mehr ist, als uns ihre materielle Oberfläche vorgaukeln will.

Sollte die Beschaffenheit der Welt tatsächlich nicht rein materiell sein, wie verhält es sich dann mit dem Menschen, der Teil dieser Welt ist? Wäre es gemäß dieser Erkenntnis für moderne Menschen nicht geradezu ein Muss, in Erwägung zu ziehen, dass auch der Mensch eine über die Materie hinausgehende Dimension besitzen könnte? Sollten wir tatsächlich eine immaterielle, vom Körper unabhängige Identität – zumeist Seele genannt – besitzen, dann wäre es nur folgerichtig, dass wir uns auch mit der Beschaffenheit dieser besonderen Dimension auseinandersetzen. Wir müssten unser Leben aus einer deutlich erweiterten Perspektive betrachten und überdenken, welche Konsequenzen dies für das Verständnis vom Wesen des Menschen hätte. Unser Menschenbild wäre dann womöglich um relevante Attribute und Aspekte zu ergänzen.

Die Frage nach der Existenz einer Seele ruft unmittelbar die Frage nach der Existenz Gottes auf den Plan. Wer nach einem reifen und vollständigen Weltbild strebt, kommt nicht umhin, zu untersuchen, welche Argumente für und welche gegen eine solche Hypothese sprechen. Denn ähnlich der Annahme einer Seele, verändert auch die Annahme eines Gottes unser Weltbild erheblich und wirft zwangsläufig weitere Fragen auf, wie zum Beispiel: Kann man Gott erkennen? Lassen sich Aussagen zu seinen Attributen treffen und Merkmale der Beziehung zwischen Schöpfer und Geschöpf finden? Hat Gott eine Absicht für den Menschen? Und, um noch einmal auf die Spielanalogie zurückzukommen: Könnten sich aus dieser Quelle möglicherweise zentrale Hinweise im Sinne einer »Spielanleitung« für unser Leben ergeben?

Welche Gesetze herrschen im Universum?

Unser Universum zeichnet sich durch zahlreiche Gesetzmäßigkeiten aus, die sich aus den Beziehungen zwischen den verschiedenen Elementen ergeben. Eine Vielzahl dieser Regeln erleben wir tagtäglich. So unterliegen wir Menschen als Teil der physikalischen Schöpfung zwangsläufig den dort herrschenden Naturgesetzen. Wir müssen regelmäßig Essen und Trinken, uns vor Wind und Wetter schützen sowie weitere physikalische Gegebenheiten beachten, wenn wir überleben wollen. Auch werden wir im Laufe der Zeit nicht jünger, sondern sind einem natürlichen und zwangsläufigen Alterungsprozess ausgesetzt, der schließlich mit dem körperlichen Tod endet.

Interessant und zugleich enorm wichtig ist nun die Frage, ob auch außerhalb der physikalischen Realität gesetzesartige Zusammenhänge existieren. Da bereits die moderne Physik deutliche Hinweise auf immaterielle Daseinsbereiche liefert, sollten wir in Betracht ziehen, dass auch diese Dimensionen Gesetzen unterliegen. Unser Erfolg im »Spiel des Lebens« wird entscheidend davon abhängen, diejenigen Gesetzmäßigkeiten zu begreifen, die für unser Menschsein auf individueller wie auf gesellschaftlicher Ebene von besonderer Bedeutung sind.

Praxiswissen zur individuellen und kollektiven Lebenskunst

Um erfolgreich handeln zu können, reicht die Auseinandersetzung mit zentralen philosophischen Fragestellungen nicht aus. Wie bei einem Spiel, müssen wir zusätzlich über relevantes Praxiswissen verfügen. Das für unser Handeln wichtige praktische Wissen ergibt sich, wenn wir uns fragen, was uns das Verständnis vom Sinn des Lebens und der Beschaffenheit der Welt im Hinblick auf unsere Lebensgestaltung lehrt. Analog zur Spielstrategie und Spieltaktik eines Schachspielers benötigen wir für eine bewusste Gestaltung unseres Lebens sowohl einen übergeordneten Lebensplan als auch ein Verständnis von einer zielführenden Organisation des Alltags.

Einem sinnstiftenden Leben können wir uns dadurch annähern, dass wir wesentliche Lebensaufgaben definieren, die im Einklang mit den gewonnenen ontologischen Erkenntnissen, insbesondere unserem Menschenbild, stehen. Unsere Lebensaufgaben liefern die Grundlage für eine langfristige Lebensplanung. Darauf aufbauend ergibt sich weiteres handlungsorientiertes Wissen, wenn wir der Frage nachgehen, wie sich die im Universum existierenden Gesetze zur Erreichung unserer großen Lebensaufgaben und zur Bewältigung des Alltags effektiv nutzen lassen. Je gründlicher wir materielle und gegebenenfalls auch metaphysische Gesetzmäßigkeiten verstehen, desto besser können wir von ihnen für die Gestaltung des individuellen und gesellschaftlichen Lebens profitieren.

Beispielsweise erlaubt die Kenntnis um das Gesetz der Schwerkraft die Konstruktion von Wasserkraftwerken. Der dadurch produzierte Strom lässt sich in vielfältiger Weise zur Erleichterung und Bereicherung unseres Lebens nutzen. Umgekehrt gerät die Missachtung wesentlicher Gesetze schnell zu unserem Nachteil. So führt, um noch einmal das Beispiel der Schwerkraft zu bemühen, ein Sprung von einem Turm in aller Regel zum Tod.

Alle Gesetze des Universums gelten in unveränderter Weise, ganz gleich, ob wir sie anerkennen oder ignorieren, ob sie uns gefallen oder nicht. Daher sollten sie, Leuchttürmen gleich, beachtet werden. Sind die Prinzipien und Normen menschlichen Handelns sinnvoll definiert, bilden sie in verschiedenen Lebenssituationen den Rahmen, in dem die bestehenden Gesetze in positiver Weise wirken können. Wie bei einem Spiel führt damit auch im wahren Leben erst ein angemessenes Praxiswissen zu wahrer Lebenskunst.

— Kandidaten verlässlicher Orientierung

Wissenschaft oder Glaube?

Auf der Suche nach Antworten

Leider lassen sich weder philosophische Grundsatzfragen noch praktische Fragen zur persönlichen und gesellschaftlichen Lebensgestaltung einfach beantworten. Unsere subjektiven Überlegungen und begrenzten Erfahrungen greifen hier schlichtweg zu kurz. Wie also kommen wir zu tragfähigen und befriedigenden Antworten auf die großen Lebensfragen? Die Suche nach aussichtsreichen Quellen für eine verlässliche Orientierung führt unweigerlich zu Wissenschaft und Religion als mögliche Kandidaten. So sind es neben persönlichen Erfahrungen in erster Linie Erkenntnisse wissenschaftlicher oder religiöser Natur, die Menschen in ihren philosophischen Überlegungen beeinflussen und ihre Weltanschauung bestimmen.

In der Vergangenheit vermittelte vor allem die Religion hinsichtlich der großen Lebensfragen Orientierung. Tatsächlich waren alle großen Weltreligionen in ihrer ursprünglichen und reinen Form sowohl metaphysische Welterklärer als auch Moralgeber und Sinnstifter. Zumeist in einer Zeit sittlichen Verfalls entstanden, war der Glaube stets die treibende Kraft dafür, dass Menschen ihr Leben neu ausrichteten und so zur Entwicklung einer neuen Hochkultur beitrugen. Spätestens mit der Renaissance nahmen allerdings der Einfluss und die Bedeutung der Religion spürbar ab. Im Gegensatz dazu erlebte die Wissenschaft in den letzten Jahrhunderten einen wahren Höhenflug. Sie brachte zahlreiche Erkenntnisse hervor und erweiterte unser Verständnis von der Welt in ungeahnter Weise. Die Tiefe unserer wissenschaftlichen Einsichten und Errungenschaften zeigt sich heute eindrucksvoll in den vielfältigen Wundern der Technik, die das Angesicht der Welt dramatisch veränderten. Darüber hinaus inspirierte die Wissenschaft viele Denker in ihren Überlegungen zu weltanschaulichen Fragen.

Wissenschaft oder Glaube?

Zur Frage, welche Rolle Wissenschaft und Glaube in der heutigen Zeit spielen und welchen Beitrag sie zur Beantwortung der großen Lebensfragen und zur praktischen Lebensgestaltung liefern können, herrschen sehr unterschiedliche Meinungen. Diskussionen zu dieser Frage sind häufig unsachlich und emotional geprägt. Sie belegen, dass vielfach davon ausgegangen wird, dass sich Wissenschaft und Glaube grundsätzlich gegenseitig ausschließen. Das hat zur Folge, dass wissenschaftsgläubige Menschen keinen Anlass dafür sehen, die Grundlage der Religion ernsthaft zu untersuchen. In ähnlicher Weise erachten viele überzeugte Gläubige die Beschäftigung mit wissenschaftlichen Erkenntnissen als nachrangig, wenn nicht gar unnötig.

Daher mag die übergreifende These des vorliegenden Buches, nach der Wissenschaft und Glaube auch heute noch die beiden wesentlichen Erkenntnisquellen darstellen, für viele zunächst überraschend anmuten. Wie sich zeigen wird, sind Wissenschaft und Glaube nicht nur miteinander verträglich, sondern bilden eine schlagkräftige, synergetische Einheit.

Warum das Prinzip der Einheit von Wissenschaft und Glauben noch nicht weitläufig erkannt wird, hängt vorwiegend damit zusammen, dass viele Menschen mit Wissenschaft und Glauben noch Vorstellungen verbinden, die inzwischen überholt sind. Tatsächlich ereigneten sich sowohl in der Wissenschaft als auch in der Religion vor allem in den letzten knapp 200 Jahren, zum Teil völlig unbemerkt, gravierende Paradigmenwechsel, die ein völlig neues Licht auf unser Verständnis der Realität werfen.

Im Falle der Wissenschaft erschütterte insbesondere die Entwicklung von Quantenphysik und Relativitätstheorie zu Beginn des 20. Jahrhunderts das damals etablierte materialistisch-mechanistische Bild des Universums. Seitdem lehren uns Physiker, dass Materie, Zeit und Raum ihrer Natur nach fundamental anders sind, als es sich der gesunde Menschenverstand gemeinhin vorstellt. Wie später noch auf vielfältige Weise erläutert werden wird, zeichnet die heutige Wissenschaft ein Bild von der Welt, in dem auch ein moderner Glaube einen wichtigen und angemessenen Platz hat. Unbemerkter als in der Wissenschaft ereignete sich auch auf dem Gebiet der Religion ein fundamentaler Paradigmenwechsel. So wird der im 19. Jahrhundert entstandene Bahá’í-Glaube zwar inzwischen von der Religionswissenschaft zu den Weltreligionen gezählt, aber seine modernen und zum Teil bahnbrechenden Inhalte sind der breiten Öffentlichkeit bislang noch weitgehend unbekannt.

Die Entwicklungen innerhalb beider Wissensdomänen führen zur Notwendigkeit, die gängigen Meinungen zu Wesen und Bedeutung von Wissenschaft und Glauben gründlich zu überdenken.

Die Einheit von Wissenschaft und Glauben

Das vorliegende Buch möchte aufzeigen, dass es heute – vielleicht erstmalig - möglich ist, objektive Antworten auf die großen weltanschaulichen Fragen zu erhalten. Tatsächlich haben wir heute alle Mittel zur Verfügung, die es uns erlauben, die Spreu vom Weizen zu trennen und wertvolle weltanschauliche Bruchstücke zu einem schlüssigen und der heutigen Zeit angemessenen Gesamtbild zusammenzufügen. Wie sich noch zeigen wird, ergibt sich eine ganzheitliche Orientierung gemäß dem Prinzip der Einheit von Wissenschaft und Glauben allerdings erst dann, wenn wissenschaftliches Verständnis und religiöse Einsicht gleichermaßen ernst genommen und in Betracht gezogen werden. Nur dann, wenn die verschiedenen Teilwahrheiten moderner Wissenschaft und wahren Glaubens geeignet verknüpft werden, offenbaren sich die hinter der Oberfläche liegenden, großartigen Zusammenhänge. Hierbei liegt die Betonung bewusst auf »modern« in Abgrenzung zu einer unnötig verengten oder unseriösen, pseudowissenschaftlichen Sichtweise sowie »wahr« im Sinne eines möglichst objektiven und auf Vernunft gegründeten Zugangs zu metaphysischen und religiösen Fragestellungen.

Die vorliegende Schrift bietet eine umfangreiche Einführung in das fundamentale Prinzip der Einheit von Wissenschaft und Glauben. Dabei begegnen sich moderne Wissenschaft und wahrer Glaube auf drei Erkenntnisebenen: Grundwissen, Praxiswissen und Methodenwissen. Analog zum tiefen Verständnis eines Spiels sind auch im Hinblick auf eine ganzheitliche und reife Weltsicht vor allem die beiden erstgenannten Dimensionen entscheidend. So verhilft uns ein möglichst breites und gleichzeitig tiefes Grundwissen von der Welt zu einem umfassenden Verständnis des Seins, das auch die Rolle und die Natur von Mensch und Menschheit einschließt. Ergänzend dazu bildet das Praxiswissen die handlungsorientierte Seite unserer Weltsicht. Wie sich erweisen wird, tragen Wissenschaft und Glaube zu beiden Wissensdimensionen in erheblichem Maße bei, weil sich ihre jeweiligen Kernkompetenzen wirksam ergänzen und in ihren Überschneidungsbereichen gegenseitig stützen.

Das Muster der überschneidenden Komplementarität zeigt sich nicht nur auf inhaltlicher, sondern auch auf methodischer Ebene, wenn wir uns fragen: »Wie kommen wir zu Erkenntnis?« Wie wir noch sehen werden, bilden Wissenschaft und Glaube auch in diesem Bereich eine Einheit, da sie in ihrer grundlegenden Methodik übereinstimmen und sich gleichzeitig aufgrund ihrer naturgemäßen Unterschiede wirksam ergänzen. Auf welche Weise beide Domänen zu einer ganzheitlichen Weltsicht beitragen, zeigt sich, wenn man das Wesen wissenschaftlicher und religiöser Erkenntnis genauer analysiert.

— Gebrauchsanweisung für den Leser

Wo finde ich was?

Das vorliegende Buch ist entsprechend dieser Zusammenhänge strukturiert. Wie in Abbildung 2 dargestellt, beinhaltet es neben dem Prolog 26 weitere Kapitel, die in die Teile I bis V, ein Intermezzo und einen abschließenden Epilog gegliedert sind.


Abb.2: Eckpfeiler einer reifen Weltsicht: der Aufbau des Buchs

Die behandelten Themenblöcke

Teil I Die Notwendigkeit klarer Orientierung zeigt auf, dass nicht nur die ungeheure Komplexität, die unsere Welt heute kennzeichnet, sondern auch die Grundsatzfrage der Ethik »Was sollen wir tun?« verlässlicher Orientierung bedarf. Der Versuch, die Rolle zu klären, welche die beiden großen Erkenntnissysteme Wissenschaft und Glaube bei der Entwicklung eines reifen Weltbildes spielen können, führt zur Frage nach der Natur menschlicher Erkenntnis.

Teil II Die Grenzen menschlicher Erkenntnis beleuchtet den philosophischen Zweig der Erkenntnistheorie. Am Beispiel der wesentlichen Erkenntnisstrategien des Rationalismus und Empirismus wird die bekannte philosophische Tatsache aufgezeigt, dass es für den Menschen in letzter Konsequenz kein absolut sicheres Wissen geben kann.

Teil III Wie die Wissenschaft Wissen schafft fasst die wesentlichen Ergebnisse der Wissenschaftstheorie zusammen. In einiger Ausführlichkeit werden die grundlegenden Elemente wissenschaftlicher Forschung erläutert, die zur Entwicklung von immer umfassenderen wissenschaftlichen Paradigmen führen. Die wissenschaftliche Methodik erklärt, wie allen erkenntnistheoretischen Grenzen zum Trotz der fulminante Höhenflug der Wissenschaft möglich werden konnte.

Teil IV Die Wissenschaft des Glaubens behandelt die Rolle der Religion als Erklärer metaphysischer Wahrheit. Eine Analyse der Natur religiöser Wahrheit und »wahren« Glaubens anhand der Lehren der jüngsten Weltreligion weist erstaunliche Parallelen zu den Ergebnissen der Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie auf. Insbesondere lässt sich die Evolution religiöser Wahrheit als Werden und Vergehen großer Paradigmen in Form aufeinander folgender Offenbarungen verstehen. Dies macht auch die offenkundige Dekadenz und Kraftlosigkeit der traditionellen Religionssysteme plausibel.

Im Intermezzo werden die Erkenntnisse der Teile III und IV zusammengeführt. Hieraus ergeben sich einige wesentliche Merkmale des Prinzips der Einheit von Wissenschaft und Glauben. Wirken beide Domänen ihrer Natur entsprechend zusammen, werden großartige Synergien frei. Die Folge davon ist ein Weltbild von bisher unerreichter Ganzheitlichkeit und Tiefe.

Teil V Eckpfeiler einer reifen Weltsicht ist bei weitem am umfangreichsten und bildet den inhaltlichen Schwerpunkt des Buches. Dort werden im Lichte der Einheit von Wissenschaft und Glauben eine Reihe von Themen behandelt, die für unser Verständnis der Welt, unser grundlegendes Lebensgefühl und die sinnstiftende Gestaltung unseres Lebens von besonderer Bedeutung sind. Sowohl die Antworten auf die großen Fragen nach Geist, Gott, Menschen- und Menschheitsbild als auch die Kenntnis zentraler Prinzipien, die heutzutage das individuelle und kollektive Leben der Menschen leiten müssen, sollten in keinem reifen und ganzheitlichen Weltbild fehlen.

Der Epilog rundet die Darstellung ab, indem er die Bedeutung der skizzierten Weltsicht zu den turbulenten Zeiten, die wir aktuell erleben, in Beziehung setzt.

Die Nutzung der Kurzfassungen

Mit rund 650 Seiten (in der gedruckten Fassung ohne Anhang) ist das Buch recht umfangreich geworden. Wie der Aufbau deutlich macht, haben die Teile I bis IV in erster Linie eine hinführende Aufgabe. Vor allem im Hinblick auf die Einführungen zu Ethik, Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie hätte daher die Möglichkeit bestanden, die wesentlichen Inhalte lediglich sehr knapp zusammenzufassen oder gar vollständig auf die einschlägige Literatur zu verweisen. Für eine derartig schlanke Darstellung würde auch die Beobachtung sprechen, dass Menschen im Digitalzeitalter immer seltener klassische Sachbücher lesen, geschweige denn sehr umfangreiche Abhandlungen.

Das Buch dennoch in der aktuellen, umfangreichen Form zu belassen, war eine bewusste Entscheidung. So können sich auch Leser mit geringer philosophischer Vorbildung komfortabel in die grundlegenden Konzepte einlesen, ohne weitere Literatur heranziehen zu müssen. Um andererseits zu vermeiden, die mit diesen Grundlagen bereits vertrauten Leser unnötig zu langweilen, wurde jedes Kapitel am Ende mit einer Kurzfassung versehen, in der die wesentlichen Inhalte knapp zusammengefasst sind. Dies erlaubt es dem Leser auch, sich mit speziellen Themen zu beschäftigen, ohne gleich das gesamte Buch lesen zu müssen. So ist es ohne Verlust des roten Fadens möglich, einzelne Kapitel oder sogar ganze Teile auszulassen, sofern zuvor die entsprechenden Kurzfassungen gelesen werden.

Eckpfeiler einer reifen Weltsicht

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