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3 Krapfenkarspitze & Co.

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Große Gratüberschreitung im Vorkarwendel

Hotspots gibt’s in den Bayerischen Alpen genug, aber auch Leerstellen, Bergregionen, die man als Halbwildnis bezeichnen könnte. Wenige Wege, keine bewirtschafteten Hütten, dafür jede Menge Einsamkeit. Im Vorkarwendel ist der lang gestreckte Bergkamm nordöstlich der Soiernspitze für die meisten Bergsteiger Terra incognita.

Anforderung/Schwierigkeit

Anspruchsvoll

Tourencharakter

Kammüberschreitung im Vorkarwendel mit herrlichen Ausblicken, teilweise auf alten Jagdsteigen, mit weglosen Passagen. Im Neulahnerkar und am Grat kurze Kletterstellen (I). Bergerfahrung und ein sicherer Tritt sind unerlässlich, eine ordentliche Kondition Voraussetzung. Nur bei stabilem Wetter gehen – es gibt keine Zwischenabstiege – und genügend Getränke mitnehmen. Großes Panorama von der Krapfenkarspitze, fast so schön ist die Aussicht vom Dreierspitz.

Ausgangspunkt/Endpunkt

Parkplatz an der Straße ins Rißtal, knapp 1 km vor der Oswaldhütte

Höchster Punkt

Krapfenkarspitze (2109 m) bzw. Dreierspitz (1962 m)

Länge

1650 Hm bzw. 1500 Hm auf und ab (mit bzw. ohne Krapfenkarspitze)/24 bzw. 21 km

Dauer

Rißtal – Abzweig Jagdsteig (1124 m) 2 Std. – Jägersruh (1894 m) 2.30 Std. – Krapfenkarspitze 1 Std. – Galgenstangenjoch 2.30 Std., Abstieg ins Rißtal 2 Std.

Gesamt 10 Std.

Kürzere Variante mit Aufstieg durchs Neulahnerkar 8.30 Std.

Einkehr/Übernachtung

Unterwegs keine Einkehr, Oswaldhütte an der Rißtalstraße

Herbstzeit ist Wanderzeit: Die Bäume verfärben sich, der Himmel prunkt mit tiefem Blau, ein Hauch von Melancholie liegt über der Landschaft. Also nutzt man schöne Wochenendtage für einen Ausflug in die Berge oder besser: davor. Vor dem Karwendel in jene Bergregion, die treffend Vorkarwendel heißt. Schafreiter, denkt da der Münchner Gipfelstürmer! Aber nein. Unser Ziel ist acht Meter höher, dürfte aber heute nicht (geschätzte) 300 Besucher willkommen heißen, sondern möglicherweise bloß zwei: die Krapfenkarspitze. In der 25 000er AV-Karte findet man den Berg leicht. Etwas genauer hinschauen muss allerdings, wer in der Gegend nach Wegen sucht, das beruhigende Rot markierter Wege fehlt komplett. Immerhin, ein paar gestrichelte Linien verzeichnet das Kartenblatt – wohl alte Jagdsteige aus der Zeit der Wittelsbacher. Die frönten gern der Jagd, damit das aber nicht zu mühsam wurde, mussten Wege her, möglichst geeignet für Ross und Reiter.

Wir haben kein Pferd dabei, doch ein schön angelegter Weg erfreut auch uns Zweibeiner. Beim Blick auf die topografische Karte stellt sich bloß noch die Frage: links- oder rechtsherum? Wir entscheiden uns für den Aufstieg durchs Fermerstal, weil ich mir von der langen Gratwanderung im Abstieg unverstellte Aussicht und am späteren Nachmittag gutes Fotolicht verspreche.

Ins Tal des FermersbachsWir starten an der Rißtalstraße, knapp einen Kilometer nördlich der Oswaldhütte, und folgen der Sandstraße, die das breite, meist knochentrockene Geröllbett des Rißbachs quert. Traurig. Was auf Tiroler Boden als ungezähmter Wildbach daherkommt, wird in Bayern umgehend von einem finsteren, fast acht Kilometer langen Stollen geschluckt und zum »Arbeitseinsatz« in den Walchensee geleitet. Technik contra Natur. Bei der Paindlalm biegt unser Weg ins Tal des Fermersbachs ein. Aus der breiten Piste wird bald ein Ziehweg, später ein Pfad, der nur noch sanft ansteigt und schließlich in den ersten von insgesamt fünf Gräben mündet, die in der Folge zu queren sind. Der erste ist der wildeste, der letzte der tiefste. Nach einem Höhenverlust von 80 Metern steigt man dahinter auf zu einer Geländeschulter, wo eine Forstpiste, von der Fereinalm kommend, endet.

Hinauf!Gleich am Wendeplatz der Straße beginnt der alte Jagdsteig. Im Links-rechts-Rhythmus geht’s am bewaldeten Ostrücken des Dreierspitzes bergan, mit gelegentlichen Tiefblicken in den Dreiergraben. Nach etwa einer Stunde mündet die Zickzackspur auf eine größere Lichtung; links am Waldrand steht eine winzige Ein-Raum-Holzhütte. Ein paar Serpentinen höher verzweigt sich der Weg: rechts ist richtig, verrät die topografische Karte. Nach einer längeren Hangquerung kommt man aus dem Wald und steht wenig später am Eingang ins Neulahnerkar. Wir sind schon etwas geschlaucht, und mich zwickt‘s im Wadl. Weil das Gelände nicht unüberwindlich erscheint, entscheiden wir uns für den Abkürzer durch den Karwinkel hinauf zum Grat. Und die Krapfenkarspitze? Ein andermal. Der weglose Anstieg erweist sich dann als steinig und ziemlich mühsam, der finale Felsriegel zum Grat lässt sich aber überraschend leicht bezwingen. Als Orientierungspunkt dient ein Felskopf; links dieser natürlichen Wegmarke gewinnen wir den Grat. Noch ein paar Schritte, und wir stehen auf einem namenlosen, in der Karte mit 1979 Metern eingezeichneten Mugel. Höchste Zeit für eine Schau- und Verpflegungsrast. Schön aufgereiht am südlichen Horizont stehen die Karwendelgipfel, vom Sonnjoch bis zum Wörner.

KammwandernGut einsehbar ist auch unser Weiterweg über gleich mehrere Gipfel: Dreierspitz, Baierkarspitze, Fermerskopf und zuletzt der bewaldete Galgenstangenkopf: zwei Stunden auf und ab über Schrofen, zwischen Krummholz und im Gras. Gleich hinter dem Dreierspitz heißt es aufpassen, damit man nicht ins Latschengestrüpp gerät. Der richtige Weg führt über eine kleine Felsstufe (I, Steinmännchen) hinunter in eine Mini-Scharte, dann kurz aufwärts. Am Grat geht es weiter abwärts in das Joch vor der Baierkarspitze, dann steil über die steinige Grasflanke zum Gipfel mit Kreuz. Der Fermerskopf wird ebenfalls überschritten, der Galgenstangenkopf über die von Erosion gezeichnete Ostflanke umgangen (Abstecher 10 Min.).

Zurück ins TalDieser letzte Hochpunkt erhält öfters Besuch, was man auch dem Abstiegsweg anmerkt: keine undeutliche Spur mehr, sondern ein ordentlicher Weg. Er verläuft zunächst zur Nordostkuppe des Galgenstangenjochs, bevor er – teilweise im Wald – über viele Kehren hinabzieht zur Grafenherberge. Dann geht’s im Zickzack weiter bergab, bis die Spur nach rechts abknickt und am steilen Hang hinunterläuft gegen den Dreiergraben. Unmittelbar vor der Schlucht stößt man auf den Hinweg.

Noch vor der Paindlalm tauchen wir ein in den Talschatten. Am Gipfel des Schafreiters wärmen sich die letzten Gipfelstürmer im Licht der tiefstehenden Sonne, bevor sie zur Tölzer Hütte absteigen. Beim Blick ins Fermerstal lasse ich die schönen Bilder des Tages Revue passieren: ein riesiges Spinnennetz am Weg, der wilde Wandgraben, die Gämsen im Neulahnerkar, die Aussicht vom namenlosen Rastplatz. Übrigens: Begegnet sind wir den ganzen Tag über keiner Menschenseele.

Variante mit SpitzeNatürlich lässt sich die Tour um den Schlenker über die Krapfenkarspitze erweitern: Das bedeutet anderthalb Stunden und 150 Höhenmeter mehr. Man umrundet dabei den Gipfel südseitig und steigt aus dem Sattel mit dem schönen Namen Jägersruh über die Gumpenkarspitze zum höchsten Gipfel im langen Kammrücken auf. Da und dort muss man in dem schrofigen, auch felsigen Gelände (I) die Hände zu Hilfe nehmen. Kein Problem für geübte Berggänger.

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