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Kapitel 8

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Es behagte Fangschlag nicht, eine demutsvolle Haltung einzunehmen, auch

wenn er sich eingestand, dass dies in Gegenwart eines Brutmeisters durchaus

angemessen war. Wahrscheinlich lag sein Unbehagen in der Anwesenheit von

Einohr begründet. Fangschlag war stolz, ein Rundohr zu sein, und konnte sich

nicht wirklich damit abfinden, dass ein Spitzohr zum Führer einer Legion

aufgestiegen war. Die großen und körperlich sehr starken Rundohren

empfanden sich als die eigentlichen Krieger der Orks und hatten für die

kleineren Spitzohren nur Verachtung übrig. Spitzohren kämpften lieber aus

der Deckung heraus, und statt des Schlagschwertes nutzten sie eher Bogen

oder Querbogen, Waffen also, die aus der Distanz töteten. Fangschlag mochte

Distanzwaffen nicht, auch wenn er ihren Nutzen durchaus anerkannte. Aber

er liebte es, dem Feind offen gegenüberzutreten, zu spüren, wie sein

Schlagschwert sich in des anderen Eingeweide bohrte und mit dem Blut auch

das Leben aus dem Körper des Gegners wich. Er liebte den Geschmack von

frischem Fleisch, das er selbst erbeutet hatte, und verglichen damit erschienen

ihm die Spitzohren als schmarotzende Aasfresser. Doch ausgerechnet eines

dieser verachteten Spitzohren war der Führer der Legion. Einohr nannte es

sich, und sein pompöses Gehabe ging Fangschlag mächtig auf die Nerven.


Er bleckte ein wenig seine Fänge, als er den neben ihm stehenden Einohr

ansah. Wenigstens hatte auch der eine ehrerbietige Haltung eingenommen,

und Fangschlag hätte darauf wetten können, dass der hinterlistigen Made

längst der Urin durch das Beinkleid sickerte, auch wenn man davon wegen

der Rüstung nichts erkennen konnte. Doch Fangschlag würde ja bald sehen,

ob Feuchtigkeit zurückblieb, wo Einohr jetzt stand, um den Worten des

Allerhöchsten Lords zu lauschen.


Der Brutmeister in seiner roten Kutte hielt einen flammenden Sprechstein

in Händen. Ein irisierendes Glühen und wallendes Orange gingen von dem

sonst schwarzen Stein aus, und in dem Glühen und Wallen war das Antlitz

des Schwarzen Lords zu erkennen. Egal, welche Position die Umstehenden zu

dem Stein auch einnahmen, schien der Allerhöchste jeden von ihnen direkt

anzusehen, während seine Stimme ein seltsames Vibrieren in den Schädeln

der Anwesenden hervorrief.


»… ihr kennt meinen Willen«, erklang die seltsam wesenlose Stimme.

»Nun geht und erfüllt ihn.«


Das Wallen des Steins erlosch, das Licht trübte sich, und der Sprechstein

wurde wieder schwarz. Der Brutmeister stand einen Moment schweigend da,

bevor er das Medium in den Tiefen seines Gewandes verbarg und die vor ihm

stehenden Rund- und Spitzohren fixierte.


»Ihr habt es gehört, ihr nutzlosen Maden.« Der Brutmeister musterte jeden

Einzelnen von ihnen. »Der Allerhöchste Lord verlässt sich darauf, dass ihr

seinen Willen erfüllt.« Er stieß ein leises Zischen aus. »Obwohl ich nicht

glaube, dass ihr dem Allerhöchsten von irgendeinem Wert seid. Schon einmal

habt ihr kläglich versagt.«


Fangschlag unterdrückte ein zufriedenes Bellen und bleckte nur erneut die

Fänge, wobei etwas Speichel auf seinen Brustpanzer tropfte. Ja, spätestens

jetzt würde Einohr wirklich unter sich machen. Fangschlag konnte es beinahe

schon riechen. Auch damals, als die Legion ins Dünenland marschiert war,

hatte Einohr sie geführt und war gescheitert. Nicht die Legion, nicht die

starken Rundohren hatten versagt, sondern die kleine Made neben ihm, die in

diesem Augenblick den Fels unter ihren Füßen nässte.


»Ein knapper Zehntag noch bis zu Pass und Grenze.« Der Brutmeister sah

sie drohend an. »Geht nun zu euren Legionen und gebt den Befehl zum

Abmarsch. Ich erwarte, dass wir die Grenze in acht Tageswechseln erreicht

haben.«


Der Brutmeister machte eine lässige Bewegung mit der Hand, und die

anwesenden Orks beeilten sich, zu ihren Legionen zu gelangen. Fangschlag

blickte auf die Stelle, an der Einohr gestanden hatte, aber der Fels war

trocken. Nun, sicher war noch nicht genug Flüssigkeit in der Blase des

Spitzohrs gewesen.


Fangschlag musterte den Rücken des vor ihm laufenden Spitzohrs. Einohr

fühlte sich offenbar sicher, jetzt, im Licht der Dämmerung. Aber wenn sie

lagerten, würde sich das ändern. Dann würde er sich, von einer Anzahl

Getreuer umgeben, abseits der Kohorten zur Ruhe begeben, damit er den

kommenden Morgen noch erlebte. Oh ja, Einohr hatte Feinde, und so

manches Rundohr hätte ihm gerne das Schlagschwert durch die Eingeweide

geschoben.


Unter ihnen, in einer lang gestreckten Schlucht, schimmerten Rüstungen

und Leder im Widerschein des schwachen Lichts. Hier standen die vier

Legionen des Allerhöchsten Lords, formiert in ihren Kohorten. Achttausend

Orks waren bereit, den Willen ihres Herrschers zu erfüllen. Doch wenn der

Plan des Schwarzen Lords aufging, würde dies nur die Vorhut einer

gewaltigen Armee sein, die das Land der Menschen überschwemmen und den

Tod bis zu den Elfen und Zwergen tragen würde.


Fangschlag war stolz auf die Rundohren seiner Legion; sie waren die

stärksten und besten. Als Waffen führten sie Spieß und Schlagschwert mit

sich, und als Rüstung trugen sie schwere Körperpanzer – nicht umsonst

nannte man sie Eisenbrüste. Die Spitzohren waren für solche Waffen und

Rüstungen viel zu schwach und mussten sich mit einem ledernen Harnisch

begnügen. Fangschlag bleckte nun offen seine Fänge, und seine Finger

zuckten nervös, als er Einohr vor die Legion treten sah. Diese nutzlose Made

hatte sich ebenfalls eine Rüstung besorgt, da sie offenbar fand, dies gehöre

sich bei einem Legionsführer. Rüstung, bah, dünnes Blech war das, damit die

Made unter dem Gewicht nicht zusammenbrach.


Auf dem Helm Einohrs erhoben sich die beiden metallenen Kämme eines

Legionsführers, und Fangschlag dachte missmutig an den einzelnen Kamm

des Kohortenführers, der seinen eigenen Helm zierte. Er, Fangschlag, war es

gewesen, der nach dem Wüstenabenteuer die Reste der Legion vor der

Vernichtung bewahrt hatte, und nicht das feige Spitzohr, das sich nun vor der

Legion so aufblähte. Ihm hätte der doppelte Kamm zugestanden und nicht

dieser nutzlosen Made, diesem Auswurf, diesem Dung der Bruthöhlen.


Einohr beschränkte sich in seiner Ansprache auf die notwendigsten

Kommandos, und Fangschlag trat an die Spitze seiner Kohorte, die aus der

typischen Mischung von Rund- und Spitzohren bestand. Er genoss es immer

wieder, wie die Legion, einem einzigen Wesen gleich, auf die Kommandos

reagierte. Dies waren vorzüglich ausgebildete und disziplinierte Truppen,

kein wild um sich schlagender Pöbel. Die Legion war eine gut geschmiedete

und gehärtete Waffe, die jeden Feind bezwingen würde. Bezwingen konnte,

wenn man sie richtig führte, schränkte Fangschlag ein, als er sich automatisch

in Bewegung setzte. Einohr würde Fehler machen. Spitzohren waren

hinterlistig und feige und für den ehrenhaften Kampf, Stahl gegen Stahl, nicht

zu gebrauchen. Ja, Einohr würde Fehler machen, und dann würde

Fangschlags Zeit gekommen sein.


Der felsige Boden war uneben, doch aus dem gleichförmigen Stampfen der

marschierenden Kolonne wurde ein stetes Geräusch, unter dem die Orks ihren

Weg suchten. Während die Spitzohren Lederstiefel trugen, die ihre Füße

rundum schützten, hatten die Rundohren gepanzerte Fußschienen, die mit

dickem Leder besohlt waren, Fersen und Zehen jedoch frei ließen. Immer

wieder gelangten Steine ins Schuhwerk, aber die Rundohren ertrugen es mit

stoischer Miene und verharrten allenfalls kurz, wenn die Pein zu groß wurde.

Über den Legionen wehten deren riesige schwarze Banner aus, jedes mit den

individuellen Zeichen versehen. Die Kämpfer schworen auf den

Allerhöchsten Lord, und sie schworen auf das Banner ihrer Legion, das ihnen

in der Schlacht als Sammelpunkt diente.


Zehnteltag um Zehnteltag marschierten sie und folgten der alten Straße, die

schon so viele Legionen dem Feind entgegengeführt hatte. Sie waren

ausgeruht und kamen schnell voran, obwohl der Weg sehr mühsam wurde, wo

Steinrutsche ihn blockierten. Sie verzichteten auf eine sichernde Vorhut, denn

sie bewegten sich im Land des Schwarzen Lords, und hier widersetzte sich

kein lebendes Wesen seinem Willen.


Das Land war karg und felsig und bot nur wenig Vegetation. Einst hatten

mächtige Wälder den Rand des Gebirges gesäumt, und es hieß, diese Wälder

hätten sich bis in die Ebene hinein erstreckt, aber die Schmieden der

Waffenmeister waren immer hungrig nach Eisenerz und Feuer. Die

Lavatümpel in den Bruthöhlen konnten den Bedarf nicht decken, und so

hatten Fangschlag und die Legion viele Zehntage lang Eisenerz und

Brennholz zu den Schmieden getragen, damit die Legionen ausgerüstet

werden konnten.


Gerade marschierten sie an einer Stelle vorbei, an der eine große Grube

ausgehoben worden war. Eine gemischte Gruppe aus Rund- und Spitzohren

wurde sichtbar, die dort nach Brennstein grub. Aufseher trieben die

Neugierigen mit Stachelpeitschen an die Arbeit zurück, und Fangschlag

bemerkte zufrieden, dass diese Aufseher Rundohren waren. Ein Spitzohr hätte

die schweren Peitschen auch kaum so elegant und wirkungsvoll schwingen

können.


Sie marschierten nun schon fast zwei Tageswenden ohne Pause, und der

Brutmeister machte noch immer keine Anstalten, den Marsch zu

unterbrechen. So tranken die Truppen ihr Wasser während des Marsches aus

den Feldflaschen und kauten dazwischen auf dem körnigen Brot herum. Noch

war der Hunger nicht groß genug, um die getrockneten Streifen ranzigen

Fleisches zu essen. Fangschlag dachte missmutig daran, dass eine große

Armee auch großen Hunger hatte und wie gering die Vorräte waren. Es war

höchste Zeit, dass sie das Menschenland erreichten und einen ordentlichen

Bissen zwischen die Fänge bekamen.


Ein Stück vor ihnen, dort, wo die vorderste Legion marschierte, ertönte ein

krachendes Poltern. Die Erosion hatte eine der Felswände ausgewaschen, und

in erschreckender Geschwindigkeit lösten sich nun etliche große Felsbrocken,

rissen dabei weitere mit sich und stürzten in die Tiefe.


Die an der Spitze befindlichen Orks versuchten den Felsen auszuweichen,

aber die Straße an dieser Stelle war eng, und so wurde eine der Kohorten von

den herabstürzenden Massen erschlagen. Die Schreie der Verwundeten

verstummten rasch, als Schlagschwerter und Spieße dem Leiden ein Ende

setzten.


»Wir hätten weiter vorne marschieren sollen«, knurrte ein Rundohr neben

Fangschlag. »Dann bekämen wir jetzt ein ordentliches Stück frisches Fleisch

ab.«


»Ja, uns wird man nur die mageren Knochen lassen«, stimmte ein anderes

zu. »He«, rief der Ork mit erhobener Stimme, »lasst uns was übrig. Wir alle

haben Hunger.«


»Ruhe in den Gliedern«, keifte Einohrs Stimme.


Die Proteste verstummten, und in den wartenden Kohorten war das Reißen

und Schmatzen zu hören, mit dem die Verunglückten portioniert und

größtenteils vor Ort verspeist wurden.


»Schade, dass es Einohr nicht erwischt hat«, zischte Fangschlag

missmutig.


»An dem ist ohnehin nichts dran.« Dem Rundohr neben dem

Kohortenführer kleckerte Geifer auf den Brustpanzer, während er hungrig

nach vorne starrte. »Immerhin, bald bekommen wir Menschenfleisch

zwischen die Reißer.«


»Ja, endlich was Ordentliches in den Magen«, seufzte ein Spitzohr.


Gelegentlich hatte Fangschlag den Verdacht, nicht der Wille des

Allerhöchsten Lords, sondern der Hunger triebe die Legionen so rasch dem

Menschenland entgegen. Dabei brauchte kein Ork wirklich zu hungern. Die

Verpflegung war nicht immer frisch und wohlschmeckend, aber ausreichend,

und es gab stets ein paar nutzlose Maden, die man notfalls als kleinen

Leckerbissen schlachten konnte.


»Ich schätze die Weiber der Menschen«, sagte das sabbernde Rundohr und

leckte sich die Fänge. »Oder die Kinder. Sind nicht so zäh und sehnig wie die

Männer.«


Das Spitzohr hinter Fangschlag reckte sich. »Weiber?«


»Das sind die Menschenwesen mit den Drüsen an der Brust«, erklärte

Fangschlag. »Diejenigen, die die Jungen werfen.«


»Die werfen ihre Jungen?« Das Spitzohr kratzte sich verwirrt. »Du meinst

wirkliche Frischlinge?«


»Menschen schlüpfen nicht aus Brutbeuteln«, sagte Fangschlag heiser.

»Die wachsen im Bauch ihrer Weiber. Eben denen mit den Drüsen«, fügte er

hinzu, als er das Unverständnis im Blick des Spitzohrs bemerkte. »Und sie

sind ganz klein, wenn sie schlüpfen.«


»Dann will ich keine frisch Geschlüpften«, sagte das Spitzohr entschieden.

»Da ist ja nichts dran zum Sattwerden.«


»Ich habe gesagt, ihr sollt ruhig sein, ihr nutzlosen Maden«, tönte Einohr.

»Ruhe im Glied. Es geht weiter.«


Der Aufenthalt war nur kurz gewesen, und als die Legion endlich an der

Unglücksstelle vorbeimarschierte, stellte Fangschlag betrübt fest, dass man

tatsächlich keinen einzigen ordentlichen Bissen übrig gelassen hatte.


Die Pferdelords 04 - Das verborgene Haus der Elfen

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