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Kapitel 9

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Die Straßen der Stadt waren erfüllt von Lachen und Gesang. Das Pferdevolk

feierte, wie es nur Menschen konnten, deren hartes Leben nur wenig Zeit zur

Entspannung ließ. Man hatte Brennsteinbecken und Lampen vor die Häuser

gestellt, in deren Schein sich immer wieder neue Gruppen bildeten, um

miteinander zu feiern und zu tanzen. Viele Männer und Frauen der Hochmark

spielten ein Instrument. Die einen bevorzugten das hufeisenförmige

Zupfinstrument mit seinen gespannten Seiten aus Tierdarm, andere Flöten

oder Hörner, zu denen der Takt mit den Händen oder mit Trommeln

geschlagen wurde. Es gab etliche Gruppen, die zunächst gegeneinander zu

konkurrieren schienen, aber als eine von ihnen den »Ritt zu den Goldenen

Wolken« anstimmte, übernahmen immer mehr Musikanten die Melodie, bis

diese Eternas zu erfüllen schien. Nach der eher heroischen Ballade stimmten

die Männer und Frauen die traditionellen Lieder an, die jedem sofort in Hände

oder Füße fuhren, und obwohl es kurz zuvor geregnet hatte, formierten sich

zahlreiche Kreise zum Rundtanz. Klatschen mit Händen und Stampfen mit

Füßen erfüllte die Luft, dazu die fröhlichen Schreie der Tänzer und

Zuschauer. Mancher Schrei mochte nicht ganz so unbeschwert klingen, denn

die Talente beim Rundtanz waren durchaus unterschiedlich verteilt.

Die blonde Schuhmacherin Esyne hatte sich den stämmigen Nagerjäger

Barus zum Tanzpartner auserkoren und hing nun an ihm wie ein Blutstecher

an seinem Beutetier. Barus mochte perfekt mit seiner Keule umgehen können,

doch seine Füße folgten dem Rhythmus der Melodie eher ungelenk, und

manches Mal stampfte er statt auf den Boden auf Esynes Fuß.


»Ich sage dir, Nedeam, mein Freund«, murmelte Dorkemunt mit

verschwörerischer Miene und betrachtete amüsiert den Tanz, »Esyne macht

unserem Barus das Gehöft.«


»Niemals«, erwiderte Nedeam mit dem ernsten Ausdruck eines jungen

Mannes, der dem Blor der Zwerge zugesprochen hatte und sich nunmehr auf

die Funktion seiner Zunge konzentrieren musste. »Nie…mals.«


»Doch, doch.« Dorkemunt stieß den neben ihm stehenden Olruk

auffordernd an, worauf ihm dieser grinsend die gebrannte Tonflasche mit Blor

reichte. Der kleinwüchsige Pferdelord seufzte entsagungsvoll, als er

feststellte, dass die Flasche nicht mehr viel hergab. »Doch, sie hat ein Auge

auf ihn geworfen.« Dorkemunt stieß kurz auf, und Olruk musterte ihn

anerkennend. »Hast du bemerkt, wie oft Barus der guten Esyne auf die Füße

gestampft ist?«


»Nun, so einige Male wohl.«


»Ich schwöre dir, Nedeam, mein unerfahrener Freund, morgen ist einer

ihrer Füße größer als der andere, aber sie verzieht keine Miene und grinst

Barus immer nur an. Und, mein Junge, sie hat ihn nicht ein einziges Mal

gebissen.«


Nedeam lächelte trunken und grunzte enttäuscht, als er merkte, dass die

Blorflasche leer war. »Ja, das ist wahr. Kein einziges Mal hat sie ihn gebissen.

Überhaupt gar nicht.« Er schüttelte die Flasche. »Leer.«


Dorkemunt blickte Olruk an, der bedauernd die Schultern zuckte. Dann sah

sich der alte Pferdelord nach Beramuk um, doch der andere Zwerg war

irgendwo in der Menge untergetaucht. Dorkemunt glaubte nicht, dass der

Mann seinen Rausch ausschlief, denn so kleinwüchsig die guten Herren

Zwerge auch waren, schienen sie in ihrem Durst doch einem Pferd

Konkurrenz machen zu können. Inzwischen bezweifelte der Pferdelord, dass

Alkohol überhaupt eine Wirkung auf die kleinen Wesen hatte.

Wahrscheinlich wurden ihre Hüpflinge schon direkt nach der Geburt mit Blor

gestillt, und wer das überlebte, dem konnten Blutwein oder Gerstensaft

ohnehin nichts mehr anhaben. Nein, Dorkemunt vermutete eher, dass der

schlaue Zwerg nachsah, ob der gute Herr Malvin nicht irgendwo ein paar

versteckte Vorräte an Blor für die Herstellung seines »Zwergenglanzes« hatte.


»Heiler…stube«, murmelte Nedeam konzentriert.


»Ist Euch übel, mein bartloser Freund?«, erkundigte sich Olruk besorgt.


»Medi… Medi…«


Olruk runzelte ratlos die Stirn, aber Dorkemunt begriff. »Ja.« Er verzog

triumphierend das Gesicht. »Die gute Meowyn muss noch etwas Blor haben.

Für medizinische Zwecke«, fügte er erklärend hinzu. »Einreiben von

gezerrten Gliedern und so ein Zeugs.«


Nedeam erhob sich von den Stufen des »Donnerhufs« und hatte Mühe, auf

den Beinen zu bleiben. Am nächsten Tag würde er sein Verhalten bereuen,

doch im Augenblick kam ihm die Idee mit Meowyns Blorvorräten äußerst

schlau vor. Dorkemunt, der einem guten Trunk ebenfalls nicht abgeneigt war,

packte Olruk am Arm und zog ihn mit sich.


Gemeinsam gingen die drei die Hauptstraße von Eternas entlang in

Richtung Burg. Ihre Schrittgeschwindigkeit wechselte dabei ebenso häufig

wie die Marschrichtung, wobei sie die volle Straßenbreite ausnutzten, aber

schließlich erreichten sie das Tor der Festung. Nedeam winkte der auf dem

Wehrgang stehenden Wache fröhlich zu und wäre dabei fast auf den Rücken

gestürzt, aber Dorkemunt und Olruk bewahrten den jungen Pferdelord vor

dem Schlimmsten. Aus dem offenen Portal des Haupthauses drang dieselbe

Fröhlichkeit zu ihnen herüber, die schon die Stadt erfüllt hatte. Nedeam legte

verschwörerisch einen Finger an seine Lippen und versuchte unbemerkt durch

die mittlere Wehrmauer in den hinteren Burghof zu gelangen, wo sich der

Zugang zur Heilerstube befand.


Unbeachtet gelangten sie die wenigen Stufen hinauf und öffneten die Tür.

Nedeam blinzelte verwirrt, als er eine dunkle Gestalt am Behandlungstisch

des Raumes sitzen sah, aber Dorkemunt schob seinen Freund einfach in die

Heilerstube hinein und nickte dem Mann zu.


»Verzeiht, Hoher Herr, wir wollten Euch nicht stören«, sagte Dorkemunt

höflich und schob Nedeam weiter an den Tisch heran. »Aber mein guter

Freund hier hat es furchtbar mit dem Magen, und wie ich sehe, habt Ihr die

rechte Medizin dafür bereits gefunden.«


Der Mann wandte sich halb um, und nun erkannte auch Nedeam in ihm

den Ersten Schwertmann Tasmund, der sich offensichtlich in einem ähnlichen

Zustand wie der junge Pferdelord befand. Tasmund machte eine einladende

Geste und starrte die Neuankömmlinge mit leicht glasigen Augen an.


»Weiber«, murmelte Dorkemunt und seufzte leise. Er kannte diesen

gequälten Gesichtsausdruck und auch diese Form des Durstes, die kein Blor

jemals würde stillen können. »Glaubt mir, Freunde, ich stelle mich lieber den

Schwertern von hundert Orks als den Launen eines einzigen Weibes.«


Olruk wusste nicht, um was es hier ging, aber den Sinn von Dorkemunts

Worten konnte er nachvollziehen. So saßen schließlich drei Männer des

Pferdevolkes und ein Zwerg gemeinsam an dem Tisch und tranken sich dem

Morgen entgegen.


Die Pferdelords 04 - Das verborgene Haus der Elfen

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