Читать книгу Die Pferdelords 04 - Das verborgene Haus der Elfen - Michael Schenk - Страница 11
Kapitel 9
ОглавлениеDie Straßen der Stadt waren erfüllt von Lachen und Gesang. Das Pferdevolk
feierte, wie es nur Menschen konnten, deren hartes Leben nur wenig Zeit zur
Entspannung ließ. Man hatte Brennsteinbecken und Lampen vor die Häuser
gestellt, in deren Schein sich immer wieder neue Gruppen bildeten, um
miteinander zu feiern und zu tanzen. Viele Männer und Frauen der Hochmark
spielten ein Instrument. Die einen bevorzugten das hufeisenförmige
Zupfinstrument mit seinen gespannten Seiten aus Tierdarm, andere Flöten
oder Hörner, zu denen der Takt mit den Händen oder mit Trommeln
geschlagen wurde. Es gab etliche Gruppen, die zunächst gegeneinander zu
konkurrieren schienen, aber als eine von ihnen den »Ritt zu den Goldenen
Wolken« anstimmte, übernahmen immer mehr Musikanten die Melodie, bis
diese Eternas zu erfüllen schien. Nach der eher heroischen Ballade stimmten
die Männer und Frauen die traditionellen Lieder an, die jedem sofort in Hände
oder Füße fuhren, und obwohl es kurz zuvor geregnet hatte, formierten sich
zahlreiche Kreise zum Rundtanz. Klatschen mit Händen und Stampfen mit
Füßen erfüllte die Luft, dazu die fröhlichen Schreie der Tänzer und
Zuschauer. Mancher Schrei mochte nicht ganz so unbeschwert klingen, denn
die Talente beim Rundtanz waren durchaus unterschiedlich verteilt.
Die blonde Schuhmacherin Esyne hatte sich den stämmigen Nagerjäger
Barus zum Tanzpartner auserkoren und hing nun an ihm wie ein Blutstecher
an seinem Beutetier. Barus mochte perfekt mit seiner Keule umgehen können,
doch seine Füße folgten dem Rhythmus der Melodie eher ungelenk, und
manches Mal stampfte er statt auf den Boden auf Esynes Fuß.
»Ich sage dir, Nedeam, mein Freund«, murmelte Dorkemunt mit
verschwörerischer Miene und betrachtete amüsiert den Tanz, »Esyne macht
unserem Barus das Gehöft.«
»Niemals«, erwiderte Nedeam mit dem ernsten Ausdruck eines jungen
Mannes, der dem Blor der Zwerge zugesprochen hatte und sich nunmehr auf
die Funktion seiner Zunge konzentrieren musste. »Nie…mals.«
»Doch, doch.« Dorkemunt stieß den neben ihm stehenden Olruk
auffordernd an, worauf ihm dieser grinsend die gebrannte Tonflasche mit Blor
reichte. Der kleinwüchsige Pferdelord seufzte entsagungsvoll, als er
feststellte, dass die Flasche nicht mehr viel hergab. »Doch, sie hat ein Auge
auf ihn geworfen.« Dorkemunt stieß kurz auf, und Olruk musterte ihn
anerkennend. »Hast du bemerkt, wie oft Barus der guten Esyne auf die Füße
gestampft ist?«
»Nun, so einige Male wohl.«
»Ich schwöre dir, Nedeam, mein unerfahrener Freund, morgen ist einer
ihrer Füße größer als der andere, aber sie verzieht keine Miene und grinst
Barus immer nur an. Und, mein Junge, sie hat ihn nicht ein einziges Mal
gebissen.«
Nedeam lächelte trunken und grunzte enttäuscht, als er merkte, dass die
Blorflasche leer war. »Ja, das ist wahr. Kein einziges Mal hat sie ihn gebissen.
Überhaupt gar nicht.« Er schüttelte die Flasche. »Leer.«
Dorkemunt blickte Olruk an, der bedauernd die Schultern zuckte. Dann sah
sich der alte Pferdelord nach Beramuk um, doch der andere Zwerg war
irgendwo in der Menge untergetaucht. Dorkemunt glaubte nicht, dass der
Mann seinen Rausch ausschlief, denn so kleinwüchsig die guten Herren
Zwerge auch waren, schienen sie in ihrem Durst doch einem Pferd
Konkurrenz machen zu können. Inzwischen bezweifelte der Pferdelord, dass
Alkohol überhaupt eine Wirkung auf die kleinen Wesen hatte.
Wahrscheinlich wurden ihre Hüpflinge schon direkt nach der Geburt mit Blor
gestillt, und wer das überlebte, dem konnten Blutwein oder Gerstensaft
ohnehin nichts mehr anhaben. Nein, Dorkemunt vermutete eher, dass der
schlaue Zwerg nachsah, ob der gute Herr Malvin nicht irgendwo ein paar
versteckte Vorräte an Blor für die Herstellung seines »Zwergenglanzes« hatte.
»Heiler…stube«, murmelte Nedeam konzentriert.
»Ist Euch übel, mein bartloser Freund?«, erkundigte sich Olruk besorgt.
»Medi… Medi…«
Olruk runzelte ratlos die Stirn, aber Dorkemunt begriff. »Ja.« Er verzog
triumphierend das Gesicht. »Die gute Meowyn muss noch etwas Blor haben.
Für medizinische Zwecke«, fügte er erklärend hinzu. »Einreiben von
gezerrten Gliedern und so ein Zeugs.«
Nedeam erhob sich von den Stufen des »Donnerhufs« und hatte Mühe, auf
den Beinen zu bleiben. Am nächsten Tag würde er sein Verhalten bereuen,
doch im Augenblick kam ihm die Idee mit Meowyns Blorvorräten äußerst
schlau vor. Dorkemunt, der einem guten Trunk ebenfalls nicht abgeneigt war,
packte Olruk am Arm und zog ihn mit sich.
Gemeinsam gingen die drei die Hauptstraße von Eternas entlang in
Richtung Burg. Ihre Schrittgeschwindigkeit wechselte dabei ebenso häufig
wie die Marschrichtung, wobei sie die volle Straßenbreite ausnutzten, aber
schließlich erreichten sie das Tor der Festung. Nedeam winkte der auf dem
Wehrgang stehenden Wache fröhlich zu und wäre dabei fast auf den Rücken
gestürzt, aber Dorkemunt und Olruk bewahrten den jungen Pferdelord vor
dem Schlimmsten. Aus dem offenen Portal des Haupthauses drang dieselbe
Fröhlichkeit zu ihnen herüber, die schon die Stadt erfüllt hatte. Nedeam legte
verschwörerisch einen Finger an seine Lippen und versuchte unbemerkt durch
die mittlere Wehrmauer in den hinteren Burghof zu gelangen, wo sich der
Zugang zur Heilerstube befand.
Unbeachtet gelangten sie die wenigen Stufen hinauf und öffneten die Tür.
Nedeam blinzelte verwirrt, als er eine dunkle Gestalt am Behandlungstisch
des Raumes sitzen sah, aber Dorkemunt schob seinen Freund einfach in die
Heilerstube hinein und nickte dem Mann zu.
»Verzeiht, Hoher Herr, wir wollten Euch nicht stören«, sagte Dorkemunt
höflich und schob Nedeam weiter an den Tisch heran. »Aber mein guter
Freund hier hat es furchtbar mit dem Magen, und wie ich sehe, habt Ihr die
rechte Medizin dafür bereits gefunden.«
Der Mann wandte sich halb um, und nun erkannte auch Nedeam in ihm
den Ersten Schwertmann Tasmund, der sich offensichtlich in einem ähnlichen
Zustand wie der junge Pferdelord befand. Tasmund machte eine einladende
Geste und starrte die Neuankömmlinge mit leicht glasigen Augen an.
»Weiber«, murmelte Dorkemunt und seufzte leise. Er kannte diesen
gequälten Gesichtsausdruck und auch diese Form des Durstes, die kein Blor
jemals würde stillen können. »Glaubt mir, Freunde, ich stelle mich lieber den
Schwertern von hundert Orks als den Launen eines einzigen Weibes.«
Olruk wusste nicht, um was es hier ging, aber den Sinn von Dorkemunts
Worten konnte er nachvollziehen. So saßen schließlich drei Männer des
Pferdevolkes und ein Zwerg gemeinsam an dem Tisch und tranken sich dem
Morgen entgegen.