Читать книгу Die Pferdelords 01 - Der Sturm der Orks - Michael Schenk - Страница 10

Kapitel 8

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Das Haus Elodarion zählte zu den ältesten des Elfenvolkes, und man

behauptete sogar, dass es seine Linie bis ganz zu den Anfängen elfischen

Lebens zurückverfolgen konnte. Von Anbeginn an hatte es die Geschichte des

Menschenvolkes begleitet. Manchmal kritisch und skeptisch, manchmal

amüsiert und hoffnungsvoll hatte es das wachsende Geschick der

Menschenwesen beobachtet.


Die Menschenwesen wuchsen unglaublich rasch heran, und ebenso

vermehrten sie sich auf unvorstellbare Weise. Doch zugleich waren sie

schrecklich vergänglich. Elodarion selbst hatte ungezählte Generationen von

Menschenwesen erblühen und vergehen sehen. Manche Menschen hatten

dabei sein besonderes Interesse erweckt, und er hatte ihren Weg so lange

begleitet, bis sie verwelkt waren. Er hatte dies meist aus der Ferne getan, denn

das elfische Volk mied die Nähe der Menschenwesen – nicht aus

Überheblichkeit, sondern aus Trauer darüber, wie rasch ein Lebewesen

verging, das man schätzte. Der Verlust eines Lebens war für das elfische Volk

stets mit tiefer Trauer verbunden, denn alles Leben war ihnen unendlich

kostbar.


Das elfische Volk selbst war unsterblich und unvergänglich, es sammelte

Wissen, widmete sich den geistigen Fähigkeiten und hatte ein tiefes

Empfinden für Harmonie und Schönheit entwickelt. Seine Fertigkeiten in

allen Künsten waren legendär, wenn auch nur wenige Menschenwesen jemals

ihre Werke zu Gesicht bekommen hatten. Denn jene Menschenwesen, mit

denen die Elfen Freundschaft schlossen, empfanden in der Nähe ihres eigenen

Todes Neid angesichts der Unsterblichkeit des Elfenvolkes. Sie begehrten das

ewige Leben, ohne zu wissen, welcher Fluch damit verbunden war.


Die Unsterblichkeit war für die Elfen mit zwei Flüchen belegt, die ihnen

ein hoher Preis für ihr ewiges Leben zu sein schienen: die geringe

Geburtenzahl ihres Volkes und die Erinnerungen, die mit einem unendlichen

Leben verbunden waren.


Nichts wurde wirklich vergessen. Weder die Freuden von Tausenden von

Jahren noch das Leid, das sich während dieser Zeit angesammelt hatte. Ihre

Erinnerungen hätten die Elfen erdrückt, hätten sie im Laufe der Zeit nicht die

Fähigkeit der Schröpfung entwickelt. Denn so hoch die Fähigkeiten eines

elfischen Gehirns auch entwickelt sein mochten, waren seinen Möglichkeiten

dennoch Grenzen gesetzt. In der Zeit seiner Schröpfung brachte ein Elf all

seine Erinnerungen zu Papier, damit nichts Wesentliches verloren ging, und

die fein gebundenen und gemalten Bücher des Elfenvolkes füllten zahllose

Längen von Regalen und Schränken. Eine Schröpfung währte viele

Vollmonde, und sie wurde von anderen Elfen begleitet, damit jede Gefahr

ausgeschlossen war, dass ein schröpfender Elf all sein Wissen einbüßte. Denn

hatte er erst einmal sein Wissen zu Papier gebracht, wurde er erneuert und das

bisherige Wissen zu wesentlichen Teilen aus seinem Gehirn gelöscht. Aus

diesem Grund wusste ein einzelner Elf niemals alles, doch das Volk der Elfen

insgesamt verfügte über das Wissen von Jahrtausenden.


Die Geburt eines elfischen Kindes war ein Geschenk an das ganze Volk,

welches dieses Glücksgefühl jedoch nur selten empfinden konnte, weshalb

ihm auch das Leben jedes Einzelnen so wertvoll war. Trotz des ewigen

Lebens war der Tod eines Elfen etwas Unwiderrufliches, und der Tod konnte

einen Elfen auf vielfache Weise ereilen. Das Volk kannte Unfälle und

Krankheiten wie auch den gewaltsamen Tod im Kampf. Denn die Elfen

waren ein wehrhaftes Volk, auch wenn sie sich scheuten, eigenes oder

fremdes Blut zu vergießen.


Schon oft hatten sie ihre Gründe gegen Feinde schützen müssen, und die

elfischen Männer waren geübt im Umgang mit der blanken Klinge und dem

Bogen, der in Verbindung mit den schnellen Reflexen und guten Augen eines

Elfen zu einer unübertrefflichen Waffe wurde. Es gab kein Wesen, das weiter,

schneller und treffsicherer schoss als ein Elf, und der Ruf der Elfenmänner als

Krieger war legendär. Ja, das Leben eines Elfen war kostbar, doch war das

gesamte Volk bedroht, setzten die Elfen ihr Leben rücksichtslos ein, um das

Überleben ihrer Häuser zu sichern. Der Kampf war die Domäne der elfischen

Männer, während es die Aufgabe der elfischen Frauen war, Leben zu

schenken und zu bewahren.


All diese Tugenden und Fertigkeiten vereinten Lotaras und Leoryn, Bruder

und Schwester aus dem Hause Elodarions, auf vollkommene Art und Weise,

und so waren sie mit einer Botschaft ins Land der Menschenwesen entsandt

worden. Denn Gefahr drohte dem Elfenvolk und den Menschenwesen, eine

Gefahr, die alles freie Leben auf der Welt bedrohte. Und so hatte der weise

Rat der Elfen beschlossen, die Waffen erneut zu erheben und einer Gefahr

entgegenzutreten, der sie vor so langer Zeit schon einmal begegnet waren.


Damals hatte es den Bund zwischen dem elfischen Volk und den Völkern

der Menschenwesen gegeben. Gemeinsam war man gegen die Horden des

Schwarzen Lords marschiert und hatte sie besiegt


Doch schon bald hatten sich die Menschenwesen als schwach erwiesen.

Der Bund war zerfallen, und über die Menschenwesen waren Machtgier und

Verrat gekommen. Ihre Völker hatten sich zu bekriegen begonnen und waren

zerfallen, und das Volk der Elfen hatte sich aus dem Bündnis gelöst. Danach

hatte sich das Bild der Welt unter den Händen der Menschenwesen geändert,

und die Elfen hatten in ihrer Weisheit erkannt, dass sie der wachsenden Macht

der Menschen weichen mussten.


Seit Langem schon war die große Reise an die fernen Küsten vorbereitet

worden, und viele Häuser des Elfenvolkes hatten ihre Heimstätten bereits

verlassen. Nun aber hatte die Dunkle Macht erneut ihr Haupt erhoben. Lange

Zeit hatte der weise Rat mit dem Entschluss gerungen, ob man den

Menschenwesen erneut beistehen oder ob man sie aber der Macht des

Dunklen überlassen und sich in die fernen Lande zurückziehen sollte. Aber

der Rat wusste, dass dies nur einen zeitlichen Aufschub mit sich brachte und

dass irgendwann, in Tausenden von Generationen, die Dunkle Macht auch

über die Meere reichen würde, wenn man sie jetzt nicht endgültig bezwingen

würde. So gab es für die verbliebenen Häuser des elfischen Volkes nur einen

Weg.


Der Bund zwischen Elfen und Menschen musste erneuert werden.


Lotaras und Leoryn aus dem Hause Elodarions hatten dem König der

Pferdelords diese Botschaft überbringen sollen. Doch die Dunkle Macht war

ihnen bereits zuvorgekommen. Die Marken des Pferdekönigs hallten wider

vom Kampfgeschrei der Horden und dem Marschtritt ihrer Legionen und

Kohorten. Gehöfte und Weiler brannten, und eine gewaltige Streitmacht der

Orks bewegte sich zwischen den Elfen und ihrem Ziel, der Stadt des

Pferdekönigs.


Der Anführer der Bogenschützen, welche die Geschwister auf ihrem Weg

begleiteten, hatte sich mit Lotaras und Leoryn beraten, dann stand sein

Entschluss rasch fest. »Der König der Pferdelords ist kein Narr. Schon oft

wurde sein Land bedroht, und jedes Mal hat er sein Volk in der Bergfestung

versammelt und dem Feind dort standgehalten. Auch dieses Mal wird der

Pferdekönig wieder in die Feste marschieren, damit sein Volk überleben

kann. Wir werden uns dorthin begeben, um den Bund mit ihm zu erneuern.

Ihr jedoch habt eine andere Aufgabe. Wendet euch nun nach Norden und

sucht dort das verborgene Haus.«


Alsdann trennten sich die Wege der Geschwister und der elfischen

Bogenschützen.


Die Kolonne der elfischen Schützen kam gut voran, denn sie verfügten alle

über die sprichwörtliche Ausdauer des elfischen Volkes und scheuten den

anstrengenden Marsch nicht, der sie durch das große Gebirge führte. Die

Bergfestung des Pferdekönigs war ihnen gut bekannt, und wer von ihnen sie

nicht persönlich gesehen hatte, kannte sie zumindest anhand der Erinnerungen

seines Volkes. Die Truppe der dreihundert Bogen durchquerte gerade ein

schmales Tal, als der Anführer vor ihnen plötzlich eine Staubwolke

ausmachte, die schnell näher kam. Rasch schätzte er die Breite des kleinen

Tales ein und befahl dann seiner Truppe kehrtzumachen und zu einer

besonders schmalen Stelle zurückzueilen. Die elfischen Schützen hasteten zu

der Engstelle, in der kaum mehr als achtzig Männer nebeneinander Platz

fanden, und stellten sich entsprechend den Anweisungen ihres Führers in vier

hintereinander gestaffelte Reihen auf. Zwei elfische Kundschafter eilten

außerdem die steilen Hänge hinauf, damit die Truppe nicht von hinten

überrascht werden konnte, dann warteten die dreihundert Elfen ab.


Sie führten alle den überlangen Bogen der Elfen mit sich, der eine

besondere Reichweite und Durchschlagskraft hatte. Ihre langen blauen

Umhänge bewegten sich leicht im steten Wind, der durch das Tal strich, und

an ihren hohen Helmen funkelten die goldenen Embleme ihrer Häuser. So

waren neben der aufragenden Lilie des Hauses Elodarion dort auch Farne,

Rosen, Vogelschwingen und andere Zeichen zu sehen, welche die Macht des

Elfenvolkes symbolisierten.


Einer der elfischen Kundschafter legte die Hand vor den Mund. »Ein

orkscher Trupp. Drei Kohorten stark.«


Der Anführer nickte. Er stand mit gezogenem Schwert an der äußersten

linken Flanke seiner Schützen. Über ihm, an einer goldenen Lanze, wehte ein

rundes Banner in der Form eines zartblauen Schildes aus. »Sollen sie nur

kommen.«


Er musste keine gesonderten Anweisungen geben. Seit unendlichen Zeiten

kannten die Elfen den Kampf, und auch wenn sie ihn nicht suchten,

verstanden sie sich doch bestens in der Kunst, ihn mit einer Erfahrung und

Treffsicherheit auszufechten, die keinen Vergleich fand.


Der Staub kam immer näher, bis schließlich die ersten dunklen Gestalten

sichtbar wurden. Die Elfen warteten, den Bogen zu ihrer Rechten auf den

Boden gesetzt, den Pfeilköcher gleich an ihrer rechten Hüfte. Die Kohorten

der Orks erkannten nun, dass die Elfen den Pass vor ihnen versperrten, und

waren dumm genug anzugreifen. Vielleicht fühlten sie sich mit sechshundert

Schädeln dem halb so starken Feind überlegen, auch hatten sie wohl noch

niemals gegen Elfen gestanden. Also stürmten sie los.


In einer Distanz von drei Hundertlängen lösten die Elfen die ersten Pfeile.

Zwei Minuten würde die kleine Horde der Orks benötigen, um die Elfen zu

erreichen, und zwanzig Pfeile konnte jeder der Bogenschützen in der Minute

auslösen. Das waren sechstausend Pfeile, die in der Minute gegen die Orks

gerichtet werden konnten. Die drei Kohorten schafften nicht einmal die Hälfte

der Distanz. Und nach kaum einer Minute stand kein Ork mehr auf seinen

Füßen.


Elfische Schwerter senkten sich durch die Kehlen verwundeter Bestien,

Pfeile wurden aus den Kadavern gezogen, auf ihre Verwendbarkeit geprüft

und gesäubert in die Köcher zurückgesteckt. Dann marschierte die Kolonne

der dreihundert elfischen Bogenschützen unbeirrt weiter, der Bergfestung des

Pferdevolkes entgegen.


Die Geschwister Leoryn und Lotaras waren der elfischen Truppe mit den

Blicken gefolgt, bis diese endgültig in Richtung des großen Gebirges

verschwunden war. Auch Lotaras trug den hohen Helm mit der aufragenden

goldenen Lilie des Hauses Elodarion und den blauen Umhang des elfischen

Volkes. Doch zum ersten Mal fühlte er sich seltsam allein, und seine

Schwester empfand ebenso. Sie legte ihre Hand in die seine, und beide sahen

sich in stillem Einvernehmen an, bevor sie ihre Pferde nach Norden lenkten.


Sie ritten durch ein Land, das vom Krieg heimgesucht worden war. Die

Spuren waren nicht zu übersehen. Rauchsäulen, deren jede ein Gehöft oder

einen Weiler markierte, standen am Himmel und zerfaserten zu dünnen

Fahnen, die im Wind dahintrieben. Nur oben im Norden waren die Marken

des Pferdekönigs noch unberührt, und es schien, als würde ein finsteres Band

den Süden und den Norden voneinander trennen.


Die elfischen Geschwister trieben ihre Reitpferde nicht zur Eile, denn sie

sollten frisch und ausgeruht sein, falls ihre Kraft für eine rasche Flucht

benötigt wurde.


Überall hatten Kämpfe stattgefunden, die einem Gemetzel gleichkamen:

Frauen und Kinder des Pferdevolkes waren auf der Flucht von den Horden

der Orks einfach erschlagen worden. Nur wenige Männer waren unter ihnen,

und nur einmal fanden sie einen Trupp toter Pferdelords zwischen den

Kadavern von Orks liegen.


»Sie leisten Widerstand«, stellte Lotaras befriedigt fest.


»Ja, aber sie sind überwältigt worden.« Leoryn deutete über den

Schauplatz des Gefechtes.


»Ja, hier wurden sie überwältigt.« Lotaras nickte mit ernstem Gesicht und

deutete über das weite Land. »Die Pferdelords leben verstreut in ihren

Marken. Es sind jeweils wenige Männer auf den einzelnen Gehöften und

Weilern, und es gibt nur wenige größere Ortschaften. Doch diese Gruppe hier

zeigt mir ganz deutlich, dass der Pferdekönig sie einberief und dass die

Männer sich zum Widerstand sammeln. Verstehst du, Leoryn, der König zieht

seine Streitmacht zusammen, und diese Streitmacht wird kämpfen. Die

Pferdelords verstehen sich auf den Umgang mit ihren Waffen. Also besteht

eine gute Chance, dass sie bestehen können.«


»In ihrer Bergfestung.«


»Dorthin wird der König sie rufen.« Lotaras nickte unbewusst. »Und

dorthin werden sie kommen, wenn die Horden ihnen nicht den Weg

versperren. Wir sind nun an der Grenze zwischen der Reitermark und der

Nordmark der Pferdelords. Dort im Westen erhebt sich der Turm des Weißen

Zauberers, er wird den Menschenwesen seine Hilfe nicht verwehren. Doch

unser Weg führt nun weiter nach Norden. Jenseits der versteinerten Wälder

muss sich das verborgene Haus befinden.«


»Glaubst du, dass es noch besteht?« Leoryn blickte zweifelnd in nördliche

Richtung. »Schon lange haben wir nichts mehr vom verborgenen Haus

gehört. Vielleicht ist es schon längst von den Dunklen Mächten überwunden

worden.«


»Es gehört zu den ältesten und weisesten Häusern der Elfen.« Lotaras

lächelte. »Und zu seinen stärksten. Deshalb muss es in jedem Fall von der

Erneuerung des Bundes erfahren, wenn es noch besteht.«


»Du hast recht«, seufzte Leoryn. »Doch ich vermisse unsere Wälder. Das

sanfte Wiegen der Blumen und Gräser und das Murmeln der Bäche.«


»Auch ich vermisse unser elfisches Land.« Lotaras sah sie ermutigend an.

»Doch nun lass uns reiten, meine Schwester. Denn je eher wir das verborgene

Haus gefunden und unsere Botschaft übermittelt haben, desto eher werden wir

auch das Haus Elodarions wiedersehen.«


Die Pferde des Elfenvolkes waren edle Tiere, die über Generationen

hinweg zu schnellen und ausdauernden Läufern herangezüchtet worden

waren. Ein wenig höher und langbeiniger als die Pferde der Menschenwesen,

waren sie außerdem ausdauernder, aber nicht so kraftvoll wie die Tiere des

Pferdevolkes. Es gab nicht viele Pferde bei den Elfen, denn die meisten der

Häuser bestanden im Wald und an der Küste, wo es nicht viel Verwendung

für Pferde gab. Das Haus Elodarions hatte sich allerdings schon lange der

Pferdezucht gewidmet, und die beiden Tiere trugen die Geschwister nun rasch

in die Nordmark des Pferdekönigs, in der sie auf die erste Schar von

Pferdelords stießen.


Es war nur ein kleiner Trupp von circa fünfundzwanzig Reitern. Die

Männer trugen die grünen Umhänge mit dem schmalen goldenen Saum der

Königsmark, und der Wimpel des Scharführers zeigte neben dem

galoppierenden weißen Pferd auch die weiße Halbsonne. Den letzten

unzweifelhaften Hinweis lieferten jedoch die Helme der Männer, an deren

jedem der goldene Rosshaarschweif der königlichen Wache wehte. Die Schar

galoppierte zunächst ein Stück weit von den Elfen entfernt, doch als sie die

beiden anderen Reiter bemerkte, schwenkte der Trupp sofort ein und näherte

sich Lotaras und Leoryn in Linie. Kurz vor ihnen zügelten die Pferdelords

ihre Tiere. Die Lanzen der Männer waren halb gesenkt, gleichermaßen wie

zum Gruß wie auch zum Hinweis auf ihre Kampfbereitschaft. Menschen wie

Elfen schwiegen zunächst eine ganze Weile, in der sie einander beobachteten.

Lotaras und Leoryn hatten noch nie zuvor lebende Menschenwesen aus dieser

Nähe gesehen, und die Reiter wiederum noch nie zuvor Angehörige des

Elfenvolkes.


Der Scharführer lenkte sein Pferd näher und betrachtete verwirrt und

gleichermaßen forschend die schlanken Gestalten und die spitzen Ohren

seiner Gegenüber. Zögernd machte er schließlich ein Zeichen mit seiner

Hand, und die anderen Männer hoben die Spitzen ihrer Lanzen senkrecht in

den Himmel. Der Mann musterte die Kleidung der Geschwister, bis Leoryn

ihn sanft anlächelte. Die Anmut ihres Lächelns schien den Anführer endgültig

von der Harmlosigkeit der beiden Reiter zu überzeugen.


Er reckte sich im Sattel und räusperte sich nervös. »Ich bin Beomunt,

Schwertmann der Wache, vom Hofe des Königs des Pferdevolkes.«


»Ich bin Lotaras, aus dem Hause Elodarions«, erwiderte der Elfenmann

und deutete eine Verbeugung an. Dann wies er auf seine Schwester. »Und

dies ist Leoryn, ebenfalls aus dem Hause Elodarions.«


»Ihr seid Elfen, nicht wahr?« Der Mann leckte sich nervös über die

Lippen. »Verzeiht, aber ich habe nie zuvor Elfen gesehen. Ich meine, ich habe

natürlich von Eurem Volk gehört, doch, offen gesagt, erwartete ich nicht,

jemals Angehörigen Eures Volkes zu begegnen. Ihr Elfen kommt zu einem

gefährlichen Augenblick. Der Tod zieht über unser Land, in Form von

Barbaren und orkischen Horden. Was führt Euch ausgerechnet zu dieser Zeit

in die Marken des Pferdekönigs?«


»Ebendiese Gefahr, Pferdelord.« Lotaras machte eine ausholende Geste

über das Land. »Wir fanden Tod und Untergang, und wir wissen um die

Macht, die neu erwacht ist.«


Beomunt beugte sich zur Seite und nahm eine hölzerne Flasche vom Sattel.

Er bot Lotaras und Leoryn Wasser an, das die beiden Elfen gerne annahmen,

wenn auch mehr aus Höflichkeit als aus Durst. Zuletzt trank der Scharführer

selbst, verschloss die Flasche sorgsam und hängte sie zurück. Er schien die

Zeit zu benötigen, um seine Gedanken ordnen und zu einem Entschluss

kommen zu können. Schließlich zuckte der Mann mit den Schultern.


»Wenn es die Gefahr war, die Euch hierherlockte, Hoher Herr Elf, so frage

ich mich nach Eurem Begehr. Sucht Ihr das Abenteuer, um ihm zu begegnen,

oder wollt Ihr einfach nur sehen, was sich ereignen wird?«


Leoryn spürte das Misstrauen in dem Menschenwesen und schüttelte ruhig

ihren Kopf. »Vor vielen Jahren und Menschenaltern bedrohte die Dunkle

Macht des Schwarzen Lords schon einmal die Häuser der Elfen und der

Menschenwesen. Damals standen Menschen und Elfen im Bund zusammen,

um der Gefahr zu begegnen und sie zu besiegen. Nun ziehen erneut die

Dunklen Horden über das Land, und der Rat der Elfen hat beschlossen, den

einstigen Bund zu erneuern.«


Beomunt sah sie überrascht an.


Lotaras nickte bekräftigend zu den Worten seiner Schwester. »Es ist wahr,

Pferdelord. Wenn Ihr von unserem Volke gehört habt, so wisst Ihr auch, dass

eine elfische Zunge stets die Wahrheit spricht.«


»Davon hörte ich in der Tat«, bestätigte der Scharführer und kratzte sich

verwirrt im Nacken. »Verzeiht meine Überraschung. Der Bund, er ist eine

Legende. Das Volk der Pferdelords steht allein.«


»Nun nicht mehr, Freund Pferdelord.« Lotaras wies hinter sich. »Wir

waren auf dem Weg zum König der Pferdelords, um ihm diese Kunde zu

bringen, doch die Horden der Orks drängten uns von unserem Weg ab. Wir

waren in Begleitung unserer Bogenschützen und haben danach beschlossen,

uns zu trennen. Unsere Kämpfer ziehen den Weg zu Eurer Bergfestung,

Pferdelord Beomunt, denn wir vermuten, dass Euer König dort sein Volk

versammeln wird.«


»Ihr kennt die Festung?«


»Unser Volk kennt sie. Viele haben sie einst schon gesehen, Pferdelord

Beomunt.«


Der Schwertmann der königlichen Wache sah seine Männer unschlüssig

an. »Wir sind auf dem Weg, um die Nordmark zu warnen und die Männer

dort zu den Waffen zu rufen. Obwohl ich nicht glaube, dass sie noch einer

gesonderten Warnung bedürfen werden.« Er wies über das Land im Süden.

»Die Rauchsäulen sind schwerlich zu übersehen.« Beomunt seufzte

vernehmlich. »Doch der Norden scheint mir noch nicht betroffen zu sein. Das

gibt mir Hoffnung.« Er sah sie forschend an. »Ich vermag Euch Geleit

anzubieten, sollte Euch Euer Weg nach Norden führen. Doch warum seid Ihr

nicht mit euren elfischen Schützen gegangen?«


»Jenseits des versteinerten Waldes gibt es ein sehr altes Haus unseres

Volkes, Pferdelord. Es könnte eine starke Kraft sein, die dem neuen Bündnis

hilfreich wäre.«


»Aber ihr wisst es nicht«, stellte Beomunt fest. »Ihr habt keinen Kontakt

mehr zu diesem, äh, Haus und befürchtet, dass es nicht mehr existiert, nicht

wahr?«


»Ja, das ist wahr«, bestätigte Lotaras. »Vor einer sehr langen Zeit, lang

auch nach unseren Begriffen, gab es auch im Osten noch eine größere Anzahl

unserer Häuser. Als wir weiter nach Westen wanderten, blieb nur noch eines

von ihnen an seinem alten Ort zurück. Es war einst ein mächtiges Haus, und

es mag noch Bestand haben.« Lotaras machte eine unbestimmte Geste.

»Unsere Häuser sind sehr eigenständig und haben wenig Kontakt

untereinander, müsst Ihr wissen. Nur zu besonderen Zeiten wird der Hohe Rat

der Weisen einberaumt.«


»Nun, wenn Ihr wollt, so mag uns unser Weg nun gemeinsam nach Norden

führen.« Beomunt wandte sich seinen Männern zu. »Wir reiten nach Eodan,

der Stadt der Nordmark. Folgt uns nun, ihr Pferdelords des Königs.«


Augenblicke später galoppierte die Schar der Pferdelords mit Lotaras und

Leoryn nach Norden.


Die Pferdelords 01 - Der Sturm der Orks

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