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Kapitel 6

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Das Schwert am Sattel drückte leicht gegen Meowyns Knie, als sie ihr Pferd

antrieb, um ein ausgerissenes Wolltier zur Herde zurückzutreiben. Sie war es

gewohnt, Waffen zu führen, und wusste sie auch zu gebrauchen. Fast alle

Frauen im Land der Pferdelords hatten sich einst auf den Gebrauch von

Waffen verstanden und zu kämpfen gewusst. Wenn ihre Männer in den Krieg

geritten waren, waren es die Frauen gewesen, die ihre Familien und ihr

Eigentum geschützt hatten. Aber nach über dreißig Jahreswenden Frieden

hatten viele Frauen die alte Gewohnheit abgelegt, sich im Umgang mit

Waffen zu üben. Nicht jedoch Meowyn. Axt und Lanze waren nicht nach

ihrem Geschmack, doch sie verstand sich leidlich auf das Schwert und gut auf

Pfeil und Bogen. Im Schießen hatte sie schon manchen spielerischen

Wettstreit mit Balwin ausgetragen, und keiner von ihnen war sich am Ende

sicher gewesen, wer von ihnen beiden wohl der bessere Schütze war. Mit dem

Schwert allerdings brauchte sie nicht gegen ihren Mann anzutreten. Auch

wenn sie gute Reflexe ihr Eigen nannte, so besaß Balwin doch mehr

Schnelligkeit und Ausdauer, um die schwere Klinge über einen längeren

Zeitraum hinweg handhaben zu können.


Meowyn genoss es, wenn der Reitwind ihr langes blondes Haar auswehen

ließ und ihr Gesicht streichelte. Vergnügt trieb sie das Pferd und das

protestierend vor ihr blökende Wolltier an und trabte zur Herde zurück. Sie

tätschelte den Hals ihres Pferdes und sah sich in dem kleinen Tal um, das der

Herde als Weide diente. Noch zwei oder drei Tage, und sie würde die Herde

in das nächste Tal hinübertreiben müssen, damit sich der Graswuchs hier

erholen konnte. In dieser Region der Hochmark waren die Täler klein und

leicht zu überwachen, und hier wuchsen auch die schmackhaften Wildkräuter,

die die Wolltiere fraßen und die ihrem Fleisch den würzigen Geschmack

verliehen, den man in Eternas so schätzte. Balwins und Meowyns Tiere

brachten stets einen guten Preis.


Die blonde Frau griff in ihre Satteltasche und zog ein Stück Brot hervor,

das sie zerbrach und sich Stück für Stück in den Mund schob. Das Pferd

begann zu äsen, und Meowyn achtete kaum noch darauf, wie es Schritt um

Schritt langsam durch das Tal wanderte. Ihre Blicke schweiften über die

steinigen Hänge. Irgendwo, in einem der benachbarten Täler, streifte Balwin

umher und versuchte die Raubkralle zu töten, die schon mehrere Wolltiere

gerissen hatte. Balwin mochte grobschlächtig erscheinen, aber er war ein

geschickter Jäger. Meowyn hoffte nur, dass er nicht einem ganzen Rudel der

Raubtiere begegnen würde.


Sie schluckte erneut ein Stück Brot hinunter und dachte daran, dass sie

wohl bald ein neues backen musste. Sie zogen selbst ein wenig Getreide

neben dem Haus, aber es war nicht allzu viel. Und so würde Balwin

wahrscheinlich bald Mehl von dem kleinen Weiler erwerben müssen, der auf

halber Strecke nach Eternas lag. Plötzlich hörte Meowyn ein leises Poltern

und blickte instinktiv in die Richtung des Geräusches. Sie konnte nichts

erkennen, und normalerweise hätte sie das Geräusch auch nicht besonders

alarmiert, denn hier lösten sich ständig irgendwelche Steine oder Felsen von

den Hängen und kullerten hinab ins Tal. Wie oft war Meowyn diesen

springenden Brocken schon ausgewichen. Der Gedanke an die Raubkralle,

welche Balwin jagte, ließ die blonde Frau jedoch aufmerksam den

entsprechenden Hang mustern. Dort war nichts zu erkennen. Dennoch glaubte

sie zu spüren, dass etwas sie oder die Herde beobachtete. Es war ein

unbestimmtes Gefühl, aber es veranlasste sie dazu, das Brot in die Tasche

zurückzustecken und sich ein wenig nach vorne zu beugen, um das am Sattel

hängende Schwert in seiner Scheide zu lockern.


Meowyn sah zur Herde hinüber, ihre Augen glitten über die Tiere hinweg,

und sie spürte erneut, dass etwas nicht stimmte. Sie zählte die Wolltiere und

stutzte. Eines der Tiere fehlte. So zählte sie erneut, und als sie zum gleichen

Ergebnis wie zuvor kam, fluchte sie leise. Keines der Tiere hatte geblökt und

damit angezeigt, dass es in Gefahr war. Wahrscheinlich hatte sich das

fehlende Wolltier nur verlaufen. Viele Möglichkeiten hierzu gab es allerdings

nicht. Allenfalls die größeren Felsblöcke am Fuß der umgebenden Hänge

boten genug Sichtschutz, dass sich ein Wolltier hinter ihnen verstecken konnte.


Sie drückte die Schenkel unmerklich zusammen, ihr Pferd reagierte

bereitwillig und trabte im Schritt auf den Hang zu, den Meowyn als ersten

absuchen wollte. Wie die meisten Männer und Frauen im Land der

Pferdelords verstand sie es, ihr Pferd mit den Schenkeln zu lenken, damit die

Hände für den Waffengebrauch frei waren. Meowyn zog den kurzen

Jagdbogen von ihrer Schulter und legte einen Pfeil lose an die Sehne. Besser

einmal zu vorsichtig als tot. Das lernte man schnell in der Hochmark und vor

allem auf den abgelegenen Gehöften.


In der Herde blökte ein Wolltier, doch da es nur ein einzelnes war, ließ

Meowyn sich nicht ablenken. Den Blick über das Umfeld schweifen lassend,

ritt sie auf den Hang zu und begann langsam daran entlangzureiten.

Gelegentlich stieß der Huf ihres Pferdes an einen Stein, doch sonst war nichts

zu hören. Meowyn hörte einen Flugstecher an ihrem Ohr summen und

schüttelte kurz ihre Locken, um ihn zu vertreiben. Ihre Hände ruhten auf Pfeil

und Bogen, als sie hinter sich ein leises Pochen hörte. Instinktiv wirbelte sie

im Sattel herum, den Bogen schussbereit gespannt, und ebenso rasch ließ sie

ihn wieder sinken.


»Ich denke, mein Fell wäre keine rechte Zierde für das Haus«, begrüßte

Balwin sie schmunzelnd, als er wenig später sein Pferd neben dem ihren

zügelte.


»Nein, eher für die Bettstatt«, erwiderte sie, und für einen Moment

lächelten sie einander an. Dann wurden sie sofort wieder ernst, denn Meowyn

drehte sich wieder mit entspanntem Bogen dem Hang zu. »Eines der Wolltiere

fehlt. Es ist höchstens einen halben Zehnteltag her.«


»Und du hast nicht gesehen, wo es hinlief?« Eine leise Kritik schwang in

Balwins Stimme mit. »War denn aus der Herde nichts zu hören?«


Meowyn schüttelte nur den Kopf. Balwin zog den grünen Umhang des

Pferdelords um seine Schultern und befreite dann sein Schwert aus der

Scheide am Gürtel. Sofort hielt Meowyn etwas Abstand zu ihm und deckte

ihren Mann so mit dem Bogen, während Balwin sein Pferd leicht antrieb. So

ritten sie hintereinander den Hang des kleinen Talkessels entlang, bis sie

fanden, wonach sie gesucht hatten.


Balwin starrte grimmig auf das tote Wolltier, das hinter einem größeren

Felsblock lag und dessen Blut den Boden tränkte. Blutspritzer bedeckten die

umliegenden Felsen.


»Verfluchte Raubkralle.« Balwin stieg ab und musterte die umliegenden

Felsen, bevor er sich zu dem Kadaver hinunterbückte. »Der Räuber muss

noch ganz in der Nähe sein. Nun, er wird mir nicht entkommen.«


Balwin schwang sich erneut in den Sattel. »Und es war nichts zu hören?«

Meowyn schüttelte erneut den Kopf, und Balwin fluchte. »Bei all dem Blut

und den tiefen Wunden … Wäre es nur eine Raubkralle gewesen, so hätte

dies eine Zeit gedauert, und du hättest etwas hören müssen. Ich fürchte, es ist

doch kein Einzelgänger.«


»Du kannst es nicht mit einem ganzen Rudel aufnehmen«, sagte Meowyn

besorgt. »Verständige Halfar oder einen der anderen Nachbarn. Jagt sie

gemeinsam.«


»Du weißt, dass Halfar mir nicht helfen kann, und bis die anderen

kommen, werden die Raubkrallen längst woanders sein. Jetzt sind ihre Spuren

noch frisch. Ich werde ihnen also über die Hänge folgen. Ich gehe zu Fuß,

nimm du mein Pferd nachher zurück zum Hof.« Er sah Meowyn eindringlich

an. »Keine Sorge, Weib, ich werde mich nicht mit ihnen anlegen, sondern sie

aus der Ferne jagen. Gegen Abend werde ich bestimmt zurück sein. Es hat

keinen Zweck, die Biester im Dunkeln weiter zu verfolgen.«


Nein, das wussten sie beide. Denn im Dunkeln würde aus dem Jäger bald

der Gejagte werden. Balwin räusperte sich und ergriff für einen kurzen

Augenblick Meowyns Hand. »Achte auf die Herde und sei vorsichtig, mein

Weib.«


Meowyn lächelte gequält. »Und achte du auf dein eigenes Fell, mein

Gebieter.«


Balwin nahm seine Waffen auf und ließ den grünen Rundschild am Sattel

zurück. Meowyn sah ihn den Hang hinaufsteigen, und er winkte ihr noch

einmal kurz zu, bevor er über dem Kamm verschwand. Meowyn nahm sein

Pferd am Zügel, und der leere Sattel wirkte auf sie wie ein schlechtes Omen.


Die Pferdelords 01 - Der Sturm der Orks

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