Читать книгу Die Pferdelords 01 - Der Sturm der Orks - Michael Schenk - Страница 9

Kapitel 7

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Die Männer seiner Schar waren ermüdet, und allmählich spürte selbst

Kormund, wie sehr der scharfe Ritt ihn anzustrengen begann. Erst die

Grenzpatrouille und ihre schnelle Rückkehr zurück nach Eternas und nun der

Kontrollritt zu den Signalfeuern, der in noch größerer Eile erfolgte. Obwohl

sie das Leben im Sattel gewohnt waren, spürten sie alle eine steigende

Müdigkeit, und mit der Müdigkeit würde auch ihre Konzentration nachlassen,

das wusste Kormund. Er warf einen Blick zurück auf Parem, der jetzt am

Ende der kurzen Reihe ritt und schon ein wenig im Sattel wankte.


Bereits vor mehreren Zehnteltagen hatten sie in der Ferne den winzigen

Punkt gesehen, der hoch über einem der Gipfel aufragte und der ihr Ziel war.

Das innere Passfeuer der Signalkette.


Nun durchritten sie ein lang gestrecktes und weites Tal mit dichtem

Baumbewuchs am Ostrand. Aber es handelte sich um die üblichen seltsam

verkrüppelt wirkenden Bäume der Hochmark, die nicht zu vergleichen waren

mit den Baumriesen, die in der Ebene Eternas’ heranwuchsen. Trotz des

dichten Bestandes und der vielen Blätter bot der Wald hier keinen wirklichen

Sichtschutz, wollte sich eine Horde übler Gestalten darin verstecken.

Kormund blieb also entspannt, doch er sah, wie die anderen Männer sich im

Sattel reckten und den Sitz ihrer Waffen zum wiederholten Male überprüften.

Ein Stück voraus sah er die Spuren eines älteren Holzeinschlages im Wald,

wo man das Holz für das vorausliegende Signalfeuer gefällt hatte.


»Wir sind bald am inneren Passfeuer, Männer«, wandte er sich den

nachfolgenden Reitern zu. »Dort werden wir eine Rast einlegen.«


»Wird auch höchste Zeit«, knurrte Lukan hinter ihm. »Mein Magen hängt

schon tiefer als der Sattelgurt meines Pferdes. Parem scheint sich übrigens

den Hintern wund geritten zu haben. Habt Ihr noch etwas von der Fettsalbe,

die wir für die Pferde verwenden?«


Kormund grinste. »Es wird ziemlich brennen.«


»Dafür entzündet sich die Wunde nicht«, meinte Lukan feixend. »Und

danach gibt es eine gute, dicke Haut. Unser Zarthintern scheint sie zu

benötigen.«


»Er ist erst ein paar Zehntage bei uns Schwertmännern, Lukan, mein

Freund«, brummte Kormund. Vor ihnen liefen die Hänge des Tales

aufeinander zu, und dazwischen zeigte sich die dunklere Öffnung des breiten

Passes. Über der rechten Steilwand des Passes erhob sich die Spitze des

Signalturms. »Auf, ihr Pferdelords, nur ein kurzer Ritt, dann können sich

Pferd und Mann erholen.«


Einen halben Zehnteltag später erreichten sie den breiten Einschnitt, der in

den Pass führte. Er verband die Hochmark mit der Westmark, und an seinem

Ende führte ein weiterer Weg zu den geheimnisvollen Bergen, wo einer der

Weißen Zauberer in seinem Turm lebte. Der Turm des Signalfeuers ragte nun

direkt über ihnen auf und wirkte dadurch höher, als er in Wirklichkeit war. In

nur wenigen Augenblicken würden sie den schmalen Weg erreichen, der

zwischen steilen Felswänden nach oben führte und den man zu Fuß, die

Pferde hinter sich, emporsteigen musste. Der kurze Weg reichte unmittelbar

bis an den Fuß des Turmes. Das zweite Signalfeuer am anderen Ende des

Passes war dagegen lediglich auf einem kleinen Fundament errichtet worden,

da man, von dem dortigen Felsplateau aus, einen guten Überblick über die

beginnende Westmark hatte und die fernen Berge erkennen konnte.


Kormund bemerkte es als Erster und versteifte sich. »Die Pferde der

Wachen sind fort.«


Er blickte zu dem hohen grauen Turm über sich. Dort war nichts zu sehen,

und weder zwischen den wenigen Schießscharten noch oben auf der Plattform

zeigte sich Bewegung. »Seid auf der Hut. Die Wache wäre niemals, ohne ihre

Ablösung abgewartet zu haben, weggeritten.«


Einer der Männer hüstelte nervös, als sie die Pferde zügelten und absaßen.

Instinktiv duckten sich die Männer zusammen, als sie nacheinander mit den

Pferden in den engen Weg traten, der zum Turm führte. Die Schritte von

Mann und Pferd hallten verstärkt von den engen und steil aufragenden

Felswänden zurück, und sie alle fürchteten in diesem Augenblick nichts

anderes, als dass oben am Rand ein Feind auftauchen und Felsen auf sie

herabstürzen könnte. Doch nichts geschah, und Kormund atmete auf, als er

sein Pferd wieder ins Freie auf das kleine Plateau hinaufführte, auf dem sich

auch der Turm erhob.


Hinter dem Turm stand ein bescheidenes Gehölz aus Büschen und einigen

verkrüppelten Bäumen. Vor unzähligen Jahreswenden musste wohl einer der

Stürme ein Samenkorn bis zu diesem kleinen Plateau getrieben haben, wo es

gekeimt und als zartes Pflänzchen seinen Halt in einer der Spalten am Boden

gefunden hatte. Irgendwie war es dem Pflänzchen gelungen zu überleben, und

aus dem kleinen Gewächs war im Laufe vieler Jahre dieses Gehölz

entstanden. In den Jahren, seitdem es die beiden Signalfeuer des Passes gab,

hatte man kein Holz von hier geschlagen, sondern es aus dem vor dem Pass

liegenden Tal herangeholt. Nur im äußersten Notfall, wenn der Weg ins Tal

versperrt wäre, das Signalfeuer aber brennen musste, würde man dieses Holz

schlagen. Bislang hatte keiner der Pferdelords dieses Gebot jemals verletzt.

Vielleicht, weil jeder von ihnen zu respektieren gewusst hatte, wie es war,

wenn jemand um sein Überleben kämpfen musste.


Der Turm aus dem grauen Stein der Hochmark war gute zwanzig Längen

hoch, maß jedoch kaum vier Längen im Durchmesser und verjüngte sich nach

oben hin. Seine bescheidene Einrichtung bestand aus der Wachstube im

unteren Geschoss, mit den Schlafgelegenheiten und Vorräten für eine

fünfköpfige Wache, sowie der steilen Wendeltreppe, die zur Plattform

hinaufführte. Dort befand sich das gestapelte und mit Öl getränkte Holz,

welches im Gefahrenfall entzündet und zum Signalfeuer wurde.


Noch immer war keine einzige Bewegung oder irgendein Laut

wahrzunehmen, und die Stille wurde den fünf Männern zunehmend

unheimlich.


»Hier steht Kormund, vom ersten Beritt des Pferdefürsten der Hochmark«,

rief Kormund mit lauter Stimme und zog instinktiv sein Schwert aus der

Scheide. Hinter ihm erklang sogleich das leise Zischen anderer Schwerter, die

gezogen wurden, und Lukan nahm seine große Kriegsaxt schlagbereit auf die

Schulter.


»Die Tür steht offen«, knurrte Lukan. »Und sie scheint mir unbeschädigt.«


»Sehen wir nach, was das Schweigen zu bedeuten hat.« Kormund drückte

die massive Eisentür des Turmes auf, in die das Wappen der Hochmark

eingearbeitet war.


Sie waren nun alle darauf gefasst, das ein oder andere Schrecknis zu

Gesicht zu bekommen, doch was sie vorfanden, war nichts als Leere – was

furchtbar genug war. Lukan stieg bis zur Plattform hinauf und kam mit

grimmigem Gesicht wieder herunter. »Die Plattform ist leer. Dort oben ist

nichts, versteht Ihr? Kein Holz, kein Öl, keine Wache.«


Von diesem Turm aus würde es also so rasch kein Signalfeuer geben

können. Doch wo war die Wache? Was war hier vorgefallen? Auch der

Aufenthaltsraum im Turm war gespenstisch leer. Tische und Bänke, sogar die

Bettstätten waren von hier entfernt worden. Nur noch ein paar Abdrücke im

staubigen Boden verrieten, wo sie gestanden hatten. Die Möbel waren ebenso

spurlos verschwunden wie die fünf Wachen.


Kormund nickte langsam. »Man hat alles entfernt, was brennen könnte.«


»Es soll kein Signalfeuer von hier aus geben«, stimmte Lukan zu. »Keine

Warnung.«


Sie suchten nun den Boden und die Wände nach Spuren eines Kampfes ab

und endlich wurden sie fündig. Dort, wo eines der Betten gestanden hatte,

fanden sie ein paar eingetrocknete Flecken.


»Blut«, brummte Lukan und betrachtete die Flecken. »Es sieht so aus, als

habe man eine der Wachen im Bett getötet.« Er sah zu Kormund auf.

»Wahrscheinlich überfiel man sie in der Nacht, überwältigte irgendwie die

Türwache, drang in den Turm ein und tötete, bevor die Schlafenden sich

ernsthaft wehren konnten.« Lukan erhob sich und trat nahe an die Wand

heran, wo er die Decke musterte. Er wies auf weitere kaum sichtbare Streifen

bräunlicher Färbung, die an der Decke entlangführten. »Schwert oder Axt,

und man hat mehrmals zugeschlagen. Nein, Freund Kormund, wir werden

hier keine Wachen mehr finden. Zumindest keine lebenden.«


Die anderen Männer warteten nervös vor dem Turm, und Lukan wollte

gerade wieder zu ihnen hinausgehen, als sein Freund ihn zurückhielt. »Wir

müssen uns vergewissern, ob dies auch für das vordere Feuer am Eingang des

Passes gilt«, sagte Kormund missmutig. »Ich weiß, mein Freund, dass es

wahrscheinlich so sein wird. Aber Garodem braucht Gewissheit.«


»Wenn es hier Brennbares gäbe, Freund Kormund, dann würde ich jetzt

ein Feuer anzünden.« Lukan stützte sich auf seine Axt. »Danach könnten wir

immer noch zum Passeingang reiten. Wenn wir reiten, ohne Eternas gewarnt

zu haben, dann könnten wir in eine Situation kommen, in der uns das später

nicht mehr gelingt.«


Kormund scharrte mit der Fußspitze im Staub des Bodens. »Und wenn dies

nur der Überfall einiger Geächteter war? Die nur ein paar Tage Zeit gewinnen

wollten, um ungestört ein wenig plündern zu können?«


Lukan lachte spöttisch auf. »Ihr wisst selbst, dass dies kein kleiner Trupp

Geächteter war. Eine Handvoll Männer hätte sich nachts einfach

vorbeigeschlichen. Hier steckt mehr dahinter, und das wisst Ihr.«


Kormund schlug seinem Freund auf die Schulter, von der etwas Staub

aufstieg. »Aber gilt es uns, der Hochmark? Oder gilt es der Westmark und

dem Land des Königs? Ihr wisst, was davon abhängt, dies in Erfahrung zu

bringen. Am vorderen Ende des Passes werden wir einen Teil der Westmark

bis hin zu den Feuern des Königs überblicken können. Dann werden wir auch

wissen, wo der unbekannte Feind zuschlagen will.«


»Dann schickt wenigstens einen Boten, der Garodem berichtet, was wir

hier entdeckt haben.« Lukan spuckte auf den Boden und strich Kormunds

Hand von seiner Schulter.


»Wir reiten zuerst zum vorderen Feuer«, entschied Kormund. Er war sich

nicht sicher, ob diese Entscheidung richtig war, und spürte gleichzeitig zum

ersten Mal, dass Lukan bereit war, sich ihm zu widersetzen. Doch er,

Kormund, war der Scharführer und musste daher die Entscheidung treffen.

»Wir werden vorsichtig und kampfbereit sein, und beim ersten Zeichen von

Gefahr kehren wir um, das verspreche ich Euch, mein Freund.«


Lukan rang mit sich und nickte dann zögernd. »Gut. Wenn Ihr es so

entscheidet. Doch dann lasst mich die Spitze einnehmen, meine Instinkte

scheinen mir besser als die Euren zu sein. Und lasst den jungen Parem ganz

hinten reiten. Er ist der Jüngste und Leichteste von uns allen, und sein Pferd

ist noch am frischesten.«


»So machen wir es«, stimmte Kormund in versöhnlichem Tonfall zu. »Und

jetzt lasst uns eilen. Es bleibt noch lange genug hell, um das vordere Feuer zu

erreichen und danach wieder hierher zurückzukehren.«


Der lange dreieckige Wimpel, dessen grüne und weiße Farben an

Kormunds Lanze flatterten, schien etwas Tröstliches auszustrahlen, als die

fünf Männer der Schar sich unten im Pass formierten. Lukan ritt auf seinem

grobknochigen Wallach an der Spitze, die Axt schlagbereit, und zehn Längen

hinter ihm folgte Kormund, flankiert von den beiden anderen Pferdelords.

Abermals zehn Längen zurück folgte Parem, dem man seine Angst

zunehmend anzusehen begann. Ihre Sinne waren angespannt, und sie alle

fühlten sich unbehaglich und waren kampfbereit. Kormund fühlte Schweiß an

seiner Hand, mit der er den Griff des Schwertes umklammerte, und wischte

sie rasch an seinem grünen Umhang ab.


»Haltet euch bereit, Pferdelords«, wiederholte er immer wieder. »Achtet

auf die Ränder des Passes. Wenn uns Gefahr droht, wird sie von dort

kommen.«


Doch der Feind war offenbar um einiges trickreicher, als Kormund dies

bedacht hatte.


Sie hatten die lange Schlucht des Passes schon fast zur Hälfte durchquert,

als sich plötzlich der Boden vor ihnen zu bewegen begann. Selbst der

erfahrene Kämpfer Lukan wurde davon vollkommen überrascht.

Schemenhafte Gestalten erhoben sich, warfen dabei die mit Erde und Staub

bedeckten Decken der ermordeten Turmwachen von sich und stürzten

brüllend auf Lukan zu.


Auch dieser brüllte und schwang im Reflex seine Streitaxt im Kreisbogen

von der Schulter. Dunkles Blut spritzte, und ein bleicher Schädel löste sich

von den Schultern einer stämmigen Gestalt in schwarzer Rüstung. Für einen

kurzen Moment schien die kopflose Gestalt noch weiterzulaufen, bevor sie

schließlich haltlos vornüberfiel. Schon schwang die Axt Lukans herum und

traf die Rüstung eines anderen Gegners, rutschte jedoch ab, weil dieser sich

im gleichen Augenblick drehte. Lukans Pferd war ein erfahrenes Kampfross,

doch ebendies wurde seinem Reiter zum Verhängnis, denn der Wallach, der

merkte, dass der angegriffene Gegner unbeschadet geblieben war, stieg auf

und drehte dabei auf der Hinterhand, damit seine Vorderhufe mit

vernichtender Wucht treffen konnten. Lukan, noch immer von dem

unerwarteten Hinterhalt überrascht, reagierte etwas zu spät und verlor den

Halt. Mit einem wütenden Aufschrei stürzte er aus dem Sattel und entging

dabei nur knapp dem Schwertstreich eines dritten Angreifers.


»Orks«, schrie Kormund nun auf. »Es sind Orks, verdammte Brut.«


Instinktiv trieb er sein Pferd auf den Feind zu, und die anderen Reiter

folgten ihm ebenso instinktiv. Nur der junge Parem zögerte, doch dann folgte

auch er den anderen. Kormund spürte das Schwert in seiner linken Hand, und

es fühlte sich nicht richtig an. Sein altes Schwert war besser ausgewogen

gewesen, während das einfache, das er nun führte, zu jenen Dutzenden

gehörte, welche die Schmiede für den Fall gefertigt hatten, dass der

Pferdefürst die Wehrfähigen unvermittelt einberufen und bewaffnen musste.

Seine rechte Hand hielt die Lanze mit dem knatternden grünen Wimpel der

Pferdelords aufrecht, und das weiße Pferd darauf schien sich dem Feind

entgegenzustrecken. Neben ihm trieben die anderen Männer ihre Reittiere an

und legten die Waffen zum ersten Schlag an ihre Schultern. Die Schilde

schlugen im Takt gegen die Schenkel der Reiter. Würde es zum Kampf zu

Fuß kommen, würden die Männer die Schilde benutzen, doch beim Kampf zu

Pferd waren sie nur hinderlich. Man brauchte Kraft und Bewegungsfreiheit,

um vom Pferderücken aus zu kämpfen und Mann und Pferd zur tödlichen

Waffe werden zu lassen.


Kormund und die anderen Pferdelords hatten den gestürzten Lukan fast

erreicht, der sich schon wieder vom Boden erhob und dabei zugleich den

Schlag eines Angreifers mit der eigenen Klinge blockierte. Die Wucht des

Hiebes warf den rothaarigen Veteranen erneut auf den Rücken, doch er

konnte seine Klinge drehen und sie von unten in den Leib des Orks rammen.

Der Ork erstarrte, aufgespießt auf dem Schwert, und sein dunkelgrünes Blut

lief die Klinge entlang auf Lukans Hand zu. Dann stürzte die leblose Gestalt

vornüber. Erneut bewegte sich Lukan, drehte sein Schwert in dem toten

Kadaver, damit die Klinge freikam, und rollte sich zur Seite. Neben ihm stieß

eine Lanzenspitze in den Boden und prallte mit hellem Klingen auf einen

Stein, als ein paar Dutzend Längen hinter den ersten Angreifern weitere

dunkle Gestalten auftauchten und brüllend heranrannten.


Kormund wusste instinktiv, dass ihnen nur wenig Zeit bleiben würde, der

nun mehrfachen Übermacht zu entkommen. Er klemmte die Lanze mit dem

Wimpel zwischen Arm und Leib, hob sich leicht im Sattel und beugte sich

vor. Mit voller Wucht traf die Lanzenspitze die Rüstung eines Orks,

durchschlug sie mit hellem Ton und drang bis zum Wimpel in den Leib des

Feindes ein. Schon war Kormunds Pferd an dem Getroffenen vorbei, und

Kormund drehte unbewusst den Arm, befreite die Lanze, während er zugleich

mit dem linken Arm einen Schwertstreich gegen den nächsten Gegner führte.

Rechts und links von ihm befanden sich die anderen beiden Pferdelords, und

die Wucht ihrer Attacke trieb die überraschten Orks für einen Moment

auseinander.


Äxte, Schwerter und Lanzen prallten aufeinander, schlugen gegen

Rüstungen oder drangen in Leiber. Einer von Kormunds Männern wurde vom

Fanghaken eines orkischen Schlagschwertes getroffen und vom Pferd gezerrt.

Der aufbrüllende Pferdelord verschwand unter den Leibern mehrerer Feinde,

und Kormund selbst wurde zu stark bedrängt, um ihm Hilfe leisten zu

können. Er zog sein Pferd herum und sah den anderen Reiter an. »Zu Lukan«,

schrie er über das Getümmel des Kampfes hinweg, »und dann zurück.«


Der Reiter nickte, und seine Axt spaltete Schädel und Brust eines Orks.

Der Pferdelord bekam sie jedoch nicht schnell genug wieder frei und stieß

deshalb wütend mit einem Fuß gegen den Getöteten. Endlich löste sich die

Klinge. Da traf ein Schlagschwert den Schenkel des Mannes, trennte ihm das

Bein fast ab und verwundete auch sein Reittier, das grell wiehernd aufstieg.

Doch irgendwie gelang es dem Schwerverletzten, dennoch im Sattel zu

bleiben und seine Axt in den nächsten Feind zu treiben.


Lukan hatte bereits seinen vierten Feind gefällt, als ihn ein Lanzenstoß von

hinten traf. Der Schock warf ihn erneut auf die Knie, und er hörte das

Splittern von Holz, als er sich drehte und dabei den Lanzenschaft abbrach.

Der Schmerz war überwältigend, doch es strömte noch genug Adrenalin

durch Lukans Adern, dass er zornig aufbrüllen und nach dem Ork schlagen

konnte, der noch immer verwirrt auf die zerbrochene Lanze starrte. Die

rötlichen Augen des Orks wurden leblos, und er sackte tot zusammen, als

Lukan sein Leben beendete. Keuchend kniete der rothaarige Veteran am

Boden und fand nicht mehr die Kraft dazu, sich zu erheben. Seine Hand

ertastete die Klinge der Lanze, die vorne aus seinem Leib herausragte. Da fiel

schon der Schatten des nächsten Orks auf ihn, und Lukan fand kaum noch die

Kraft, sein Schwert zu heben. Ungläubig starrte er auf das Schwert, das der

Ork in seiner Hand hielt. Es war Kormunds Klinge, die dieser dem toten

Boten des Königs bei der Bestattung eigenhändig in die Hand gegeben hatte.

Die Bestie hatte also die Ruhe des Toten gestört und ihm die Waffe geraubt.

Der aufsteigende Hass verlieh Lukan zum letzten Mal Kraft, und er stieß sein

Schwert nach oben, doch der Ork grunzte nur, wich zur Seite aus und schlug

selbst von oben zu. Kormunds Schwert traf Lukans Nacken, trennte ihm den

Kopf vom Rumpf, und für ein paar Sekunden sah der alte Veteran noch, wie

die Welt um ihn herum zu kreisen begann, bevor seine Sinne für immer

schwanden.


Kormund kämpfte sich aus der Gruppe der Orks frei, die ihn und den

anderen verwundeten Pferdelord umzingelt hatten, und schlug mit der flachen

Klinge auf die Kruppe des verletzten Pferdes des anderen Reiters. Der Mann

hielt sich nur noch mühsam in seinem von Blut getränkten Sattel. Auch die

Flanke des Pferdes war mit dessen eigenem Blut und dem des Pferdelords

bedeckt, aber noch weigerten sich Ross und Reiter zu sterben, und so

galoppierten sie neben Kormund aus dem Kampfgetümmel heraus.


Kormund schrie wütend auf, als er seinen toten Freund Lukan am Boden

liegen sah, und schlug im Vorbeireiten nach dem Ork, der neben der Leiche

stand und ihn triumphierend anschrie, doch er verfehlte die Bestie. Ein Stück

voraus sah der Scharführer Parem. Der junge Reiter hatte sein Pferd gewendet

und war vor der Übermacht geflohen. Kormund spürte Zorn in sich, obwohl

der junge Mann vielleicht richtig entschieden hatte, denn Parem ritt schnell

genug und würde von den Orks nicht eingeholt werden können. So würde der

Pferdefürst Garodem wenigstens Nachricht darüber erhalten, was am Pass

geschehen war.


Der Scharführer blickte zurück und sah, dass die Bestien zurückfielen.

Neben ihm ertönte ein protestierendes Wiehern, und Kormund sah gerade

noch, wie das verletzte Tier des anderen Reiters im vollen Galopp strauchelte

und dann zusammenbrach. Der verwundete Pferdelord konnte sich nicht

halten, wurde nach vorne geworfen und schlug schwer zu Boden. Kormund

zügelte sein Pferd, warf einen Blick zu den wieder näher kommenden Orks

und saß ab. Doch dem Schwerverletzten war nicht mehr zu helfen.


»Schneller Ritt und scharfer Tod, Pferdelord, mein Freund«, murmelte

Kormund zum Abschied, dann saß er wieder auf, schrie die Orks wütend an

und folgte dann Parem, der ihm ein gutes Stück voraus war.


Sein Pferd war erschöpft, und die Orks würden, obwohl sie nur zu Fuß

waren, bald zu ihm aufschließen. Das Ende war nur noch eine Frage der Zeit.

Aber Kormund würde als Pferdelord sterben und Parem dadurch die Zeit

verschaffen, welche dieser benötigte, um zu Garodem zu gelangen und ihn zu

warnen.


Orks!


Die Bestien aus der Vergangenheit waren wieder in der Hochmark. Was

war nur geschehen? Vor langer Zeit waren die rotäugigen Ungeheuer

vernichtet worden, wie hatten sie nun in die Hochmark zurückgelangen

können? Die Orks kamen weit aus dem Osten, aus dem Dunklen Land des

Schwarzen Lords. Es gab nur zwei Wege, über die die Orks in die Mark

eindringen konnten: den südöstlichen Gebirgspfad von der Nordmark des

Königs her oder die alte südliche Straße, die an den westlichen Grenzen des

Pferdelandes und am Hammerturm vorbei ins Hochgebirge führte. Doch in

Hammerturm lebte der große Weiße Zauberer, der ein Freund der Menschen

und ein Feind der Orks war und außerdem zu mächtig, als dass die orkische

Horde sich mit ihm eingelassen hätte. Nein, der Feind musste aus der

Nordmark und von Südosten hergekommen sein. Das Land des Pferdekönigs

war somit in Gefahr und vielleicht sogar schon überrannt worden.


Kormunds Reittier wurde immer langsamer. Vor ihm war Parem nur noch

als kleine Staubwolke zu erkennen. Der Flüchtende würde Garodem warnen,

und doch hätte Kormund dem feigen Reiter am liebsten die Klinge in den

Leib gerammt. Parem war es nicht wert, den grünen Umhang eines

Pferdelords zu tragen. Erneut blickte Kormund über seine Schulter zurück.

Nur eine Handvoll Orks war noch auf seiner Fährte. Sie liefen in ihrem

kräfteschonenden Trab, der sie langsam, aber stetig näher kommen ließ. Nicht

mehr lange, und sie würden ihn eingeholt haben. Wahrscheinlich genau dort,

wo der verlassene Signalturm stand. Vielleicht konnte Kormund sich in dem

schmalen Pfad, der zum Turm hinaufführte, gegen die Verfolger verteidigen.


Über seinem Kopf knatterte der lange dreieckige Wimpel an seiner Lanze,

und ein Teil des grünen Tuchs und des weißen Pferdes darauf war von

trocknendem Orkblut bedeckt. Die Schatten wurden länger, und die Schlucht

des Passes wurde zunehmend dunkel. Nicht mehr lange, und die Sonne würde

untergehen. Kormund wusste, dass die Dunkelheit ihm nur wenig Schutz

bieten würde. Denn im Gegensatz zu den Menschen liebten die Orks den

Schutz der Nacht. Ihre rötlichen und lichtempfindlichen Augen sahen im

Dunkel weitaus besser als die eines Menschen. Besser, er brachte es jetzt zu

Ende und stellte sich den Verfolgern, bevor das schwindende Licht seine

Chancen noch weiter verschlechtern würde. Vor sich konnte er bereits den

Einschnitt in der Felswand unterhalb des Signalturms erkennen, der den

kleinen Pfad markierte. Er trieb sein müdes Pferd an, um sich dort dem Feind

ein letztes Mal zu stellen.


Die Handvoll Orks hinter ihm merkte, dass sie aufholte, und die Bestien

stießen ein triumphierendes Gebrüll aus. Langsam kamen sie näher. Kaum ein

Dutzend Längen vor dem Pfad erkannte Kormund, dass er ihn nicht mehr

rechtzeitig erreichen würde. Also hielt er an, tätschelte kurz den Hals seines

Reittieres und saß dann ab. Mit einem Ruck stieß er die Lanze mit dem

Wimpel in den steinigen Boden des Passes, zog den grünen Rundschild vom

Sattel, schob ihn auf den linken Arm und nahm das Schwert mit festem Griff

in seine rechte Hand. Mochten sie ihn auch niederringen, er würde ihnen

einen guten Kampf liefern. Den Kampf eines Pferdelords. Die Orks vor ihm

brüllten erneut und begannen zu rennen.


»So sei es also«, murmelte Kormund und dachte flüchtig an seinen toten

Freund Lukan. Bald würden sie gemeinsam zwischen den Goldenen Wolken

stürmen. »Auf bald, mein Freund. Schneller Ritt und scharfer Tod.«


Da hörte er auf einmal ein leises Zischen hinter sich, das sich zu den

heranstürmenden Orks hin ausbreitete. Ein seltsam flirrender Schatten flog

vorüber, traf eine der Bestien im vollen Lauf und fällte sie auf einen Schlag.

Als ein weiterer Pfeil heranzischte und die Kehle einer Bestie durchschlug,

stutzten die Orks noch für einen Augenblick, doch dann brüllten sie wütend

auf und stürzten nach vorne.


Kormunds Schwert prallte mit der Lanze eines Feindes zusammen,

zerschlug den hölzernen Schaft, um dann mit einer Drehung in den

ungeschützten Hals der Bestie zu fahren. Er duckte sich unter einem

Schwertstreich und hörte wiederum ein metallisches Klingen, als ein weiterer

Pfeil gegen den Brustpanzer eines Orks schlug, ihn jedoch nicht durchdrang.

Die rundohrige Bestie brüllte noch einmal wütend in die Richtung, in der sich

der fremde Schütze befinden musste, bevor ihr ein weiterer Pfeil in den weit

aufgerissenen Mund drang, ein paar Zähne zerschlug und zuletzt das Gehirn

traf. Den letzten der Angreifer spießte Kormund mit seinem Schwert auf, und

er genoss es zu spüren, wie die Klinge in den Leib der Bestie glitt. Langsam

stieß er sie noch weiter nach oben, während der Ork ihn nurmehr hilflos

anbrüllte und sein fauliger Atem Kormund ins Gesicht traf.


Dann war es vorbei.


Schwer atmend ließ Kormund sein von Orkblut bedecktes Schwert sinken

und wandte sich dem Dunkel des Pfades zu, von wo aus die Rettung

gekommen war. Dort tauchte nun ein stämmiger Mann auf, dessen langes

schwarzes Haar staubbedeckt und nass geschwitzt war. Der Mann war ohne

Schild und Helm, aber er trug sein Schwert am Gurt und einen kurzen

Jagdbogen in der Hand. Der grüne Umhang des Reiters verriet den

Pferdelord.


»Ihr habt ein gutes Gefühl dafür, im rechten Augenblick aufzutauchen«,

sagte Kormund und lächelte erschöpft.


»Ich bin Balwin aus dem Hesara-Tal, Sohn des Windemir, und ich war

eigentlich auf ein anderes Wild aus«, erwiderte der stämmige Mann und legte

Kormund zum Gruß die Hand auf die Schulter.


»Ein wohlbekannter Name. Ich ritt einst mit Eurem Vater, Balwin. Er war

ein guter Mann und ein vorzüglicher Pferdelord.« Kormund suchte sich eine

weiche Stelle im Boden, in die er sein Schwert ein paarmal hineinstieß, um es

vom Blut zu säubern. »Ich bin Kormund, Scharführer des ersten Beritts.«


Balwin ging zu den Toten hinüber und zog seine Pfeile aus ihren Kadavern

heraus. Gutes Holz für gute Pfeile war rar in der Hochmark, und ein guter

Pferdelord verschwendete es nicht. »Was haben Rundohren in der Hochmark

zu suchen, Scharführer? Ich dachte, die Bestien wären vor langer Zeit für

immer besiegt worden.«


»Das dachten wir wohl alle«, knurrte Kormund grimmig. »Doch als Erstes

muss jetzt der Pferdefürst erfahren, dass die Bestien zurückgekehrt sind.«


»Das wird wohl der Reiter besorgen, den Ihr zurückgeschickt habt.«

Balwin, der seine Pfeile mit angewidertem Gesichtsausdruck säuberte, schien

ganz offensichtlich anzunehmen, dass Kormund den fliehenden Parem als

Boten nach Eternas geschickt hatte. »Aber auch die Höfe müssen gewarnt

werden.« Er lachte trocken. »Seit Wochen werden uns Wolltiere gerissen. Ich

dachte, es seien Raubkrallen, aber nun fürchte ich, dass es die Späher der

Orks gewesen sind. Ich verfolgte ein paar frische Spuren, die mir so gar nicht

nach einer Raubkralle aussahen, und die Spuren führten mich hierher. Wurde

die Besatzung denn vom Turm abgezogen? Der Turm ist leer, wie ich sah.«


»Erschlagen«, brummte Kormund widerwillig.


»Dann sollte ich mich wohl auf den Weg machen und die Höfe warnen«,

sagte Balwin nachdenklich. »Ich fürchte, wenn die Orks schon die

Signalfeuer zerstört haben, dann werden sie mehr als nur einen kleinen

Plünderungszug vorhaben und auch mehr sein als diese Handvoll hier.«


Kormund blickte in die Schlucht zurück, deren Grund kaum noch zu

erkennen war. Bei diesen Schatten würde es schwer sein, einen Feind zu

erkennen, der sich ihnen näherte. »Ich würde Euch gern mein Pferd geben,

Balwin, damit Ihr schneller seid. Doch es ist zu erschöpft, um Euch noch

nutzen zu können.«


Der Pferdelord und Wolltierzüchter schüttelte den Kopf. »Ich nehme

den Weg über die Berge. Ich kenne Pfade, auf denen ich schneller bin, als wenn

ich durch den Talgrund reite. Nehmt Ihr nur Euer Pferd, Kormund. Ich werde

die Höfe warnen und dann mit den Meinen nach Eternas kommen, denn

Garodem wird nun wohl die Pferdelords einberufen.«


Kormund nickte. »Ja, das wird er. Die Orks sind auf Blut aus, und Blut

werden wir ihnen geben.«


Der Scharführer schob sein Schwert in die Scheide zurück, nahm die

Lanze mit dem Wimpel auf und ergriff die Zügel seines Pferdes. »Gebt auf

Euch acht, Balwin, Windemirs Sohn.«


»Schneller Ritt und scharfer Tod«, erwiderte dieser und lächelte kurz.


Der rasche Lauf, mit dem Balwin sich entfernte, erinnerte Kormund an den

ausdauernden Trab der Orks. Dann blickte er erneut in die Schlucht zurück,

die nun vollkommen von Dunkelheit erfüllt war. Aber es gab keine

Alternative, und er konnte hier nicht länger verweilen. So begann er sein

erschöpftes Reittier am Zügel aus dem Pass hinaus- und in das Land der

Hochmark hineinzuführen, und er wusste, dass ihm die Orks bald folgen

würden.


Die Pferdelords 01 - Der Sturm der Orks

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