Читать книгу Die Pferdelords 01 - Der Sturm der Orks - Michael Schenk - Страница 7
Kapitel 5
ОглавлениеNedeam war rasch geritten und freute sich ebenso wie Stirnfleck über den
gestreckten Galopp, den der Hengst auf freien Flächen hielt, denn nur allzu
oft mussten sie sich ihren Weg auch über steinige Flächen suchen, und
Nedeam wusste, wie rasch ein Pferd auf losen Steinen ausrutschen und sich
verletzen konnte. Kamen sie an eine solche Stelle, saß er ab und führte
Stirnfleck, obwohl der Zwölfjährige sich manchmal unsicher war, wer von
ihnen wen wirklich führte. Der Hengst schien den Weg nach Eternas
instinktiv zu kennen, doch er war, im Gegensatz zu dem Knaben, auch schon
öfter in der Stadt gewesen. Zwei Tage nahm die Reise zur Stadt und wieder
zurück gewöhnlich in Anspruch. Zwei Tage, in denen Balwin seine Frau und
seinen Sohn allein auf dem Gehöft allen möglichen Gefahren ausgesetzt
wusste. Nein, Balwin war nicht oft nach Eternas geritten, und noch seltener
war dies bei Meowyn oder ihrem Sohn der Fall gewesen. So freute sich der
Zwölfjährige auf seinen ersten Besuch, bei dem er die Stadt zudem auch noch
allein besichtigen und erkunden konnte. Sicher würde es viel für ihn zu
entdecken geben.
Auf seinem Ritt in die Hauptstadt der Hochmark kam er an einzelnen
Gehöften und einer kleineren Ansiedlung, einem Weiler, vorbei, hielt sich
dort aber nicht länger auf, sondern übernachtete lieber kurz im Freien, um
Eternas schon beim ersten Tageslicht vor sich liegen sehen zu können. Als er
von einem Hang über der Stadt in die Ebene hinunterblickte, war er fasziniert
von dem, was sich seinen Augen bot. Begeistert trieb er Stirnfleck über die
grüne Ebene, und seine Augen leuchteten vor Erwartung, als er in die
Hauptstraße einritt.
Der erste Eindruck der Stadt war für Nedeam einfach überwältigend.
Ihm wurde bewusst, wie groß und hoch die Häuser hier waren, und er
konnte sich nicht sattsehen an all den Eindrücken, die auf ihn einströmten.
Und so ließ er das ungewohnt quirlige Leben und stete Geschrei der
Bewohner, die bunten Farben ihrer Kleidung und die zahllosen Gerüche auf
sich einwirken. Vieles davon war für ihn neu und aufregend, doch anderes
wurde ihm rasch lästig. Vor allem die Häuser, die ihn auf den ersten Blick so
beeindruckt hatten, begannen mit der Zeit seltsam bedrohlich auf ihn zu
wirken. Ihre Wände waren so hoch und so steil, dass er das Gefühl bekam, als
wollten sie sofort auf ihn niederstürzen. Sicher, er war Höhen gewohnt. Aber
Berge fielen in der Regel nicht so steil ab. Zudem standen die Häuser dicht
aneinander, und die Straßen und Gassen zwischen ihnen verstärkten nochmals
Nedeams Empfinden, eingeengt zu werden. Instinktiv spürte er, dass ihm das
Leben in der Stadt wohl nicht sonderlich gefallen würde, und er war
erleichtert, als er schließlich den Außenbezirk mit seinen Handwerksbetrieben
und dem Geruch, der dieses Viertel wie eine Dunstwolke umgab, erreichte.
Er brauchte sich nicht erst an den Wappenschildern der Handwerker zu
orientieren, um die Eisenschmieden zu finden. Das helle Klingen der
Schmiedehämmer war weithin zu hören, und jetzt, so kurz vor der
Wolltierschur, stand ohnehin kaum eine Esse still. Nedeam folgte den
Geräuschen und fragte sich, wie ein Mensch diesen Lärm nur den ganzen Tag
über aushalten konnte. Doch womöglich hatten die Schmiede ja halb taube
Ohren, oder aber sie stopften sich Gras in sie hinein, um den Krach dadurch
zu dämpfen. Aber als er Stirnfleck endlich vor Guntrams Schmiede zügelte,
sah er, dass keine seiner Vermutungen zutraf. Guntram hatte weder Gras noch
übermäßig Haare in seinen Ohren, und sie schienen auch ebenso wenig
verkümmert zu sein wie seine allseits bekannte scharfe Zunge. Der alte
Schmied hatte die Arme in die Hüften gestemmt, und der Schweiß rann ihm
über seinen nackten Oberkörper, während vor ihm eine ältere Frau mit einem
Schurmesser herumfuchtelte.
»Scharf nennt Ihr das«, keifte sie wütend. »Soll ich meinen armen Tieren
damit vielleicht die Haare rupfen?«
»Mir ist egal, ob Ihr Eure Wolltiere rupfen wollt«, murrte der alte Schmied.
»Andere Leute nehmen ein Messer, wie Ihr es in der Hand haltet, und scheren
die Wolltiere damit.«
»Scheren?« Die Frau beäugte das Schurmesser wie ein seltsames Tier.
»Vielleicht kann ich damit meinen Garten umgraben. Zu mehr taugt es
jedenfalls nicht.«
»Ihr habt keinen Garten, Weib«, knurrte Guntram. »Und wenn Ihr weiter
so keift, hören Euch Eure Wolltiere und laufen auch noch fort. Dann habt Ihr
keine Tiere mehr zum Scheren. Zudem fertige ich die besten Schurmesser in
der Hochmark. Jeder weiß das.« Guntram erblickte Nedeam, der grinsend auf
Stirnfleck saß und dem lautstarken Disput zuhörte. »Selbst dieser junge Herr
weiß meine Schurmesser zu schätzen und kommt extra von weit her angereist,
um meine Ware zu erhalten.« Guntram sah Nedeam grimmig an. »Ist es nicht
so?«
»Äh«, machte der Junge unsicher, und Guntram nickte.
»Da hört Ihr es. Auch er weiß meine Handwerkskunst zu schätzen. Trollt
Euch also, Weib, denn ich habe ernsthaft zu arbeiten. Quält Eure Wolltiere,
doch nicht mich.« Guntram nahm der Frau das Messer aus der Hand und hielt
es Nedeam entgegen. »Nun, junger Mann, ist die Klinge scharf? Natürlich ist
sie scharf.« Der Schmied drehte sich wieder zu der Frau um. »Förmlich
hindurchsehen kann man durch die Schneide«, brüllte er, »so scharf ist sie.«
Er sah Nedeam durchdringend an. »Nicht wahr, das ist sie?«
»Nun«, begann Nedeam wiederum zögernd, doch Guntram hob die Hand.
Der Schmied atmete mehrmals tief durch und schien sich zur Ruhe zu
zwingen. »Da hört Ihr es, Weib.« Er nahm das Messer und führte es flach
über seinen Arm. Nedeam sah staunend, wie dabei die grauen Haare von der
Haut abgetrennt wurden. Guntram blickte das Messer zufrieden an und
wandte sich erneut der Frau zu. »Ich werde es selbst behalten. Die Klinge ist
zu scharf für Euch, Ihr könntet Euch verletzen.«
»Das Messer ist gut«, meinte sie rasch. »Ich nehme es.«
»Unsinn. In Eurem Alter ist es zu gefährlich, eine solche Klinge zu führen.
Für Euch und andere Leute.«
»Ich nehme es«, wiederholte die ältere Frau hastig und zog das
Schurmesser wieder aus Guntrams Hand. Dann warf sie dem Schmied und
Nedeam einen giftigen Blick zu und hastete davon.
Guntram lachte leise. »Eine wahre Seele, nicht wahr?«
Nedeam zuckte die Schultern. »Ihr seid sicher froh, sie nicht zum Weib zu
haben.«
Guntram lachte brüllend auf und schlug Nedeam so heftig auf den
Schenkel, dass dieser fast aus dem Sattel stürzte. »Aber sie ist mein Weib, der
Dunkle Turm möge sie verschlingen.« Er grinste breit. »Und ich sage Euch,
junger Herr, es gibt kein besseres Weib in ganz Eternas. Sie hat Feuer wie
eine Esse.«
Guntram sah Nedeam nicht unfreundlich an. »Leider ist sie manchmal
auch ebenso laut. Doch nun zu Euch, junger Herr. Ihr kommt mir bekannt vor.
Lasst mich nachdenken. Das Pferd kenne ich. Stirnlocke … nein, Stirnfleck.
Ihr müsst Balwins Sohn sein, nicht wahr?« Als Nedeam nickte, wies der alte
Schmied zu seiner Werkstatt. »Hier gibt es nur das beste Eisen, und ich
mache es zu bestem Stahl. Ihr wollt sicher ordentliche Klingen für die
Wolltierschur haben, richtig? Dann steigt ab, junger Freund.«
Nedeam schwang sich aus dem Sattel, und der Schmied lachte erneut, als
der Junge sich in seinem langen braunen Umhang verfing. Errötend schlug
Nedeam das Kleidungsstück über die Schulter zurück. »Ich habe Felle, Wolle
und Häute.«
Guntram schlug leicht gegen eine der Tragetaschen an Stirnflecks
Hinterhand. »Ja, und offensichtlich hat Euer Vater eine gute Aufzucht und
eine gute Jagd gehabt. Nun, zwei der Felle werden reichen, um meine Kosten
abzudecken.«
»Zwei Felle?« Nedeam dachte an die Worte seines Vaters und schüttelte
dann den Kopf. »Mein Vater warnte mich schon davor, dass Ihr solches
fordern würdet. Doch ein Fell ist genug. Es sind gute Felle.«
»Und ich habe gute Klingen«, wandte Guntram ein. Sein Gesichtsausdruck
wurde geschäftsmäßig, und er zog nach Nedeams Nicken das obere Fell
hervor. Kritisch begutachtete er es. »Nun gut, netter Wuchs, dichtes Fell …
Aber hier, junger Freund, man kann den Einstich des Pfeils sehen. Beim
Dunklen Turm und seinem Schwarzen Lord, es sieht eher aus, als habe Euer
Vater eine Schlachterlanze in das arme Tier gerammt. Mit einem solchen
Riesenriss ist das Fell nahezu ruiniert.« Er schüttelte bedauernd den Kopf.
»Mindestens zwei Felle, junger Freund. Und nur aus Freundschaft, da Ihr mir
eben bei meinem Weibe so tapfer beigestanden habt.«
»Mein Vater sagte mir aber, er habe den Wildläufer einst mit einer Eurer
Pfeilspitzen erlegt und die seien die schärfsten und schmalsten Klingen.«
Guntram knurrte, da diese Bemerkung ihn gleichermaßen rügte wie lobte.
Würde er nun weiterhin auf einem zu großen Riss im Fell des Tieres
beharren, würde er damit auch die Qualität seiner eigenen Arbeit schmälern.
Missmutig kratzte er sich im Nacken. »Ihr seid unzweifelhaft Balwins Sohn,
junger Herr.« Er seufzte entsagungsvoll. »Nun, mein Weib könnte den Riss
nähen und das Schlimmste verdecken. Dann soll es also sein, ein Fell für eine
neue Schurklinge.«
Nedeam griff in die andere Tragetasche und zog das alte Schurmesser
hervor. »Und diese könntet Ihr gleich neu schärfen.« Er sah Guntram
treuherzig an. »Da ich Euch bei Eurem Weibe so beistand.«
Guntram begann erneut zu lachen. »Ich hoffe, junger Freund, Ihr werdet
nicht zu oft zu mir kommen. Sonst wird meine Großzügigkeit mich noch in
den Ruin treiben.« Er winkte Nedeam zu. »Dann kommt, junger Freund. So
sei es.«
Nedeam befestigte Stirnflecks Zügel an einem der eisernen Ringe, die ein
Stück seitlich in die Hauswand eingelassen waren, wo Lärm und Funkenflug
der Schmiede die Tiere nicht belästigen konnten. Neugierig sah er zu, wie
Guntram den großen Blasebalg aus vernähten Tierhäuten betätigte und frische
Luft in das Feuer der Esse trieb. Der alte Schmied hielt das von Nedeam
mitgebrachte Schurmesser in die Flammen, dicht über die Glut, und wartete,
bis sich das Metall erhitzte.
»Eine gute Klinge«, sprach Guntram mehr zu sich selbst. »Oft benutzt und
noch immer scharf. Aber die Schneide ist ein wenig dünn geworden.« Er
drehte das Schurmesser mit seiner langen Zange. »Ich werde die Schneide ein
wenig breit hämmern und dann nachschleifen. Keine große Sache, mein
junger Freund. Wie war noch Euer Name?«
»Nedeam.«
Guntram stieß ein leises Grunzen aus, zog kurz darauf die Zange wieder
zurück und legte das glühende Eisen des Schurmessers über seinen Amboss.
Mit nur wenigen Schlägen schlug er die schmale Schneide in eine breitere
Form und hämmerte sie neu, während Nedeam in den Hintergrund der
Schmiede blickte und dort die Konturen von Harnischen und Helmen
wahrnahm. Er ging nach hinten und zog einen Harnisch mit dem Wappen der
Hochmark hervor. Der Harnisch glänzte nicht mehr und wirkte stumpf. An
etlichen Stellen konnte Nedeam außerdem Rost erkennen.
Guntram sah zu ihm hinüber. »Keine Sorge, junger Freund. Es ist die Luft
bei uns. Die Luftfeuchtigkeit setzt dem Metall zu, aber werden die Rüstungen
erst einmal benötigt, werden sie auch bald wieder wie neu aussehen, und dann
werden sie ebenso schimmern wie unsere Klingen, die dem Feind den Tod
bringen werden.« Der alte Schmied seufzte. »Sollte es je wieder dazu
kommen.«
Nedeam blickte auf eine Anzahl von Streitäxten, deren Klingen noch nicht
gestielt waren. »Ihr habt einst gekämpft, oder? Ich meine, gegen richtige
Orks.«
»O ja.« Guntram sah kurz auf, lächelte und hämmerte dann wieder auf das
Eisen ein. »Es ist schon viele Jahre her. Damals gab es noch die großen
Horden des Dunklen Turms, die Legionen des Schwarzen Lords. Ah, Ihr
hättet sehen sollen, wie wir ihnen den Tod brachten. Schneller Ritt und …«
»… und scharfer Tod«, ergänzte Nedeam.
Guntram blickte ihn forschend an. »Und scharfer Tod, ja. Habt Ihr von
Eurem Vater, nicht wahr? Ist ein guter Pferdelord, der Balwin. Wie sein
Vater. Ah, Ihr hättet Euren Großvater reiten sehen sollen. Er brachte wirklich
den scharfen Tod. Egal ob mit dem Bogen oder der Lanze.«
»Wie sind die Orks?«, erkundigte sich Nedeam neugierig. Er trat wieder an
den Schmied heran und musterte die zahlreichen Narben, die an Guntrams
nacktem Oberkörper zu sehen waren. »Ich habe noch nie einen gesehen.«
»Dann seid froh, junger Freund. Wahrscheinlich werdet Ihr auch niemals
mehr einen zu Gesicht bekommen. Denn wir sind über ihre Horden
hinweggeritten und haben sie in den Boden gestampft.« Guntram stieß das
alte Schurmesser in eine Tonne mit Öl, um es zu härten. Während das Metall
abkühlte, schienen die Gedanken des Schmieds in die Vergangenheit zu
gleiten, und ein merkwürdig grimmiges Lächeln zeigte sich auf seinem
Gesicht. »Man darf die Orks nicht unterschätzen, junger Freund. Einzeln sind
sie gar nicht so gefährlich, aber ihre Anzahl macht es. Sie überschwemmen
die Schlachtfelder in Massen, sodass man kaum ein Pferd zwischen sie
drängen kann. Orks.« Guntram spie aus. »Da gibt es die Rundohren. Das sind
große und kräftige Bestien, die keine Furcht kennen und vorwärtsdrängen.
Mit mächtigen Rüstungen und großen Schlagschwertern, Spießen und
dergleichen. Manche tragen auch gestohlene Rüstungen und Waffen
erschlagener Gegner, die sie zusätzlich mit ihrem eigenen Mist verzieren.
Aber diese Rundohren sind Hohlköpfe. Sie haben wenig Hirn. Schlimmer
sind da die kleineren Spitzohren. Das sind hinterlistige kleine Bastarde. Ein
bisschen feige, aber gut mit dem Bogen. Man muss es einfach auf sich
zukommen lassen, wenn man gegen sie reitet, und ihre Pfeile hinnehmen.
Aber wenn man erst mal zwischen ihnen ist …« Guntram grinste verzerrt. »Es
ist ihre Anzahl, die sie gefährlich macht.«
Der Schmied zog das alte Schurmesser aus dem Öl, nickte zufrieden und
ging damit zum Schleifstein hinüber, wo er das Pedal trat und die Schneide
über den rotierenden Stein zog. Funken begannen zu sprühen.
»Nun, Ihr werdet dergleichen wohl niemals zu Gesicht bekommen, junger
Freund.« Der Schmied lachte. »Habe ich Euch schon erzählt, wie ich einmal
eine Elfenklinge schmiedete?«
»Eine Elfenklinge?« Nedeam riss die Augen auf.
»O ja«, erwiderte Guntram mit sichtlichem Stolz. »Das war vor vielen
Jahren und kurz vor einer der Schlachten, in denen Elfen und Menschen noch
gemeinsam kämpften. Damals war ich ein junger Schmied und noch voller
Kraft, nicht so schwächlich wie heute. Der Schmied der Elfen war getötet
worden, und einige ihrer Waffen mussten ausgebessert werden. Das hat zwar
einer der Ihren gemacht, aber er ließ mich dabei helfen, eine der beschädigten
Klingen neu zu schmieden und zu härten.« Guntram seufzte. »Ich habe guten
Stahl, junger Freund. Wirklich guten Stahl. Doch nichts lässt sich mit
elfischem Metall vergleichen. Dennoch habe ich unseren elfischen Freunden
einiges abgucken können, junger Freund. Die Klinge eines Schwertes entsteht
aus einem Stück Eisen. Es wird erhitzt und geschlagen, dann gefaltet und
wieder geschlagen. Je öfter man das glühende Metall faltet und schlägt, desto
haltbarer und zugleich elastischer wird die Klinge später sein. Man muss
hartes und weiches Eisen miteinander verbinden, Ihr versteht? Wir falten
unseren Stahl wohl an die zweihundert Mal, doch die Elfen tun dies ungleich
öfter.« Guntram wies auf den Amboss. »Mit einer Elfenklinge durchtrennt Ihr
jede Rüstung und sogar diesen Amboss. Mit einem einzigen Hieb. Ein
einfaches Schwert würde dabei zerbrechen, wenn es kraftvoll geführt ist.
Aber kein Elfenschwert.«
Guntram wies zu den Rüstungsteilen und Waffen im Hintergrund der
Schmiede. »Ich mache gute Schwerter und falte sie oft. Die zerbrechen nicht,
junger Freund. Aber sie werden trotzdem nie so gut wie eine Elfenklinge
werden, selbst wenn ich sie noch so oft falte und hämmere. Es steckt eben
zusätzlich eine besondere Elfenmagie in ihrem Metall, die wir nicht
besitzen.«
»Könnt Ihr sie nicht von den Elfen bekommen?«
Guntram lachte gutmütig. »Sie teilen ihre Magie nicht mit gewöhnlichen
Menschen. Zudem leben sie weit im Westen und hoch im Norden. Sehr weit
im Westen und sehr weit im Norden.« Er seufzte. »So es überhaupt noch
Elfen gibt.« Der Schmied gab sich einen Ruck. »Und nun genug geschwätzt,
Nedeam, mein junger Freund. Das alte Schurmesser ist wieder wie neu. Ach
was, es ist neu. Aber Ihr wollt ja auch noch ein anderes, neues Schurmesser,
nicht wahr? Nun, lasst uns sehen, was ich da habe.« Guntram schüttelte den
Kopf. »Und das alles für ein Fell mit einem gewaltigen Riss. Junger Freund,
Ihr werdet mein Ruin sein, wirklich.«
Einen Zehnteltag später streifte der Zwölfjährige durch die Straßen und
Gassen Eternas’, und während er erneut staunte, verspürte er seinen
wachsenden Hunger. Zudem musste es hier, das wusste er, auch irgendwo
Süßwurzeln geben. Nedeam lenkte Stirnfleck durch den Bezirk der
Handwerker. So vieles gab es hier für ihn zu bestaunen. Guntram war nicht
der einzige Schmied Eternas’. Es gab noch zwei weitere, die ihre Fertigkeiten
anboten und Waffen und Dinge des täglichen Bedarfes anpriesen. Vieles, was
in den anderen Marken des Pferdekönigs aus Holz gefertigt war, wurde in der
erzreichen Hochmark aus Metallen geschmiedet und oftmals liebevoll
verziert. Löffel, Kessel und Kannen, feine Stechnadeln zum Nähen und
scharfe Klingen für die verschiedensten Verrichtungen. Beschläge für Türen
und Fenster, bis hin zu vollständigen Rahmen. Teile des Sattelzeuges und
Spaltklingen zum Bearbeiten der Felder, Becken und Lampen für Fett und
Brennstein und viele andere Dinge mehr. An einer der Schmieden stand eine
Gruppe von Männern mit ihren Pferden, die neu beschlagen werden mussten.
Jedes halbe Jahr musste ein Pferd frisch beschlagen werden, denn die
Hufeisen nutzten sich rasch ab, oder ihr Sitz lockerte sich, und so waren die
Schmiede stets damit beschäftigt, neue Eisen zu schmieden und sie den Hufen
der Pferde anzupassen. Die Eisen durften dabei nicht zu groß und nicht zu
klein sein, und die Nägel, mit denen sie an den hornigen Hufen befestigt
wurden, durften das Tier nicht verletzen.
Am Ostrand der Stadt, dem Flussufer zugewandt, lag eine kleine Töpferei,
in der der Lehm des Ufers zu Tellern und Kannen geformt und gebrannt
wurde. In ihrer unmittelbaren Nähe fand Nedeam ein kleines Haus, vor dem
einige Fallen und Schlageisen hingen und zudem die Felle einiger toter Nager
an einem Rahmen zum Trocknen ausgespannt waren. Nager konnten zu einer
wahren Plage werden, denn die Felder und Vorratskammern der Stadt boten
reichlich Nahrung, und die kleinen Biester vermehrten sich unglaublich.
Nedeam erkannte einen stämmigen Mann, der soeben aus dem Haus trat und
dabei tief in ein Gespräch mit einem anderen vertieft war. Dem Knaben fiel
die mächtige Keule auf, die der muskulöse Mann in einer Hand hielt. Von
Neugier gepackt, ritt er näher.
»… wirklich, mein guter Herr, diese Biester sind nicht dumm«, hörte er die
Stimme des hünenhaften Mannes. »Nach einer Weile kennen sie die Fallen,
und Ihr mögt den besten Wolltierkäse als Lockmittel nehmen, sie werden den
Köder verweigern. Doch mit mir und meiner braven Keule, damit rechnen sie
nicht, so wahr ich Barus heiße.«
»Ach, Ihr wollt mir doch wohl nicht erzählen, dass Ihr mit Eurer Keule
Nager erschlagen könnt. Diese flinken Biester weichen Euren Hieben doch
aus.«
Der stämmige Mann schlug die Keule in seine flache Hand, und es gab
einen vernehmlich klatschenden Laut. »Hiebe? Ich, Barus, guter Herr, der
beste Nagerjäger der ganzen Stadt …«
»Ihr seid auch der einzige«, warf der Mann skeptisch ein.
Barus musterte ihn kopfschüttelnd. »Habt Ihr ein Problem mit den Nagern
in Eurem Keller, guter Herr, oder habe ich eines? Wie erwähnt, als bester
Nagerjäger der Stadt schlage ich nicht einfach mit meiner Keule zu. Seht
her.«
Der stämmige Mann machte urplötzlich eine Bewegung, die so schnell
war, dass Nedeam sie mit seinen Augen nicht einmal wahrgenommen hatte.
Jedenfalls lag die Keule auf einmal etliche Längen entfernt am Ufer, wo
Barus sie aufhob und in der anderen Hand unvermittelt den Kadaver eines
kleinen Nagers hielt. »Seht Ihr, guter Herr? Ich werfe die Keule wie der
Blitz.«
Nedeam und der andere Mann waren gleichermaßen verblüfft. Der
Nagerjäger wischte die Keule im Gras sauber und brachte sie dann zusammen
mit dem erlegten Nager zu seinem Haus. Dort zückte er einen Dolch und
begann das kleine Pelztier unverzüglich auszunehmen. »So ärgerlich die
kleinen Burschen auch sind, guter Herr, ihr Pelz ist weich und warm und gibt
ein hervorragendes Futter für ein Winterwams ab.«
Der Mann begann mit Barus darüber zu feilschen, was dieser für seine
Dienste haben wollte. Nedeam war noch immer überrascht, auf welche Weise
der stämmige Mann den Nager erlegt hatte. Dergleichen hatte er noch nie
zuvor gesehen. Doch wie mochte der Nagerjäger dies wohl in einem dunklen
Kellerraum vollbringen oder in einem der kaum beleuchteten Vorratshäuser
am Südrand der Stadt?
Als Nächstes sah Nedeam ein paar Frauen zu, die ihre Wäsche am Fluss
wuschen, wozu sie jene Schlagbretter nutzten, gegen die man auch nasses
Leder schlug, um es geschmeidig zu machen. Der Schaum verriet, dass die
Frauen eine Mischung aus Fett und Asche nutzten, um die Kleidung zu
säubern. Aber das Waschen war Frauensache und interessierte Nedeam nicht
wirklich, weshalb er zurück in die Stadt ritt, vorbei an einer Schneiderei und
einer Schuhmacherin, die gerade die weichen Stiefel des Pferdevolkes
fertigte. Harte, doch nicht zu feste Ledersohlen, an denen die beiden Oberteile
mit feinen Lederriemen festgenäht wurden. Während die Stiefel der Männer
meist sehr schlicht und rein funktionell gearbeitet waren, wiesen die der
Frauen oft feine Prägungen und Stickereien auf. Die Schuhmacher der
Hochmark fertigten außerdem auch feine Gürtel und Waffenscheiden, die sie
mit Metallen verzierten. So begutachtete Nedeam ein wenig neidisch eine
Schwertscheide aus bestem rotem Leder, welche mit Metallbeschlägen
verziert war. Er wusste, dass es auch metallene Schwertscheiden gab, doch
das Pferdevolk bevorzugte weiche Lederscheiden. Denn war die Klinge erst
einmal gezückt, passten sich die Scheiden den Körperbewegungen an und
verliehen dem Reiter auf dem Pferderücken dadurch mehr Bewegungsfreiheit.
Der Knabe spürte das unmerkliche Knurren seines Magens und machte
sich nunmehr endgültig auf, um etwas zu essen und eine Unterkunft für die
Nacht zu finden. Und etwas Süßwurzel. Rasch fand er einen Laden, in dem
Backwaren und andere Lebensmittel angeboten wurden und wo er im Tausch
gegen vier Häute und ein kleines Fell Mehl und Salz sowie ein paar
Süßwurzeln erstehen konnte. Auf einer von ihnen genussvoll kauend, machte
er sich zuletzt auf die Suche nach einer Bleibe für die Nacht. Der Händler
hatte ihm beschrieben, wo er diese finden würde.
Es gab nur eine einzige kleine Herberge in Eternas, die eigentlich nicht
mehr als ein Wohnhaus war, in dem eine Familie lebte, die immer dann
Bewirtung für Reisende anbot, wenn es welche gab. Denn die Hochmark lebte
schon zu lange in der Isolation, sodass nur wenige Menschen aus den
abgelegenen Gehöften und Weilern, die in die Stadt kamen, um Handel zu
treiben, über Nacht blieben.
»Nun, für ein Fell werden wir uns schon einig werden, junger Herr«, sagte
die Wirtin freundlich und wies auf einen kleinen Anbau. »Hier drüben könnt
Ihr Euer Pferd unterstellen und versorgen. Wasser und guten Hafer findet Ihr
dort reichlich, und Ihr selbst scheint mir auch einen Bissen vertragen zu
können.« Sie sah Nedeam nachdenklich an. »Ich werde Euch einen guten
Eintopf machen, mein junger Herr. Gutes Grünkraut, Hafer und ein wenig
fettes Wolltierfleisch … Ach, Ihr könntet ruhig ein wenig Speck auf Euren
Rippen vertragen.«
Nedeam versorgte Stirnfleck und ließ die Tragetaschen unbesorgt in dem
kleinen Stall stehen, denn kein Mensch des Pferdevolkes nahm einem anderen
etwas fort. Und schon bald nachdem er in der Wohnstube der vierköpfigen
Familie den schmackhaften Eintopf gegessen und einen verdünnten Wein
getrunken hatte, begab er sich zur Ruhe.