Читать книгу Die Pferdelords 01 - Der Sturm der Orks - Michael Schenk - Страница 11
Kapitel 9
ОглавлениеJe näher der junge Parem mit seinem Pferd dem Tal von Eternas kam, desto
mehr schwand seine Furcht, doch noch von den grauenerregenden Bestien
eingeholt zu werden. Gleichzeitig nahm seine Scham zu, die anderen Männer
seiner Schar im Stich gelassen zu haben. Aber der überraschende Angriff und
der Anblick der dunklen Bestien hatten ihn vollkommen überwältigt. Er
verstand nicht, wie Kormund und die anderen mit Todesverachtung gegen
diese Übermacht hatten anreiten können. Nein, er glaubte nicht, dass außer
ihm noch jemand von der kleinen Schar überlebt hatte, und schließlich wurde
aus seiner instinktiven Flucht und Scham der feste Glaube und wohlüberlegte
Gedanke, dem Pferdefürsten Garodem über die Bedrohung durch die Orks
berichten zu müssen. Letztlich würde die Hochmark es ihm, Parem, zu
verdanken haben, dass ihre Bewohner rechtzeitig gewarnt worden waren.
Doch würde die Mark den Bestien standhalten können? Bislang hatte sich
Parem einen solch wilden Ansturm niemals vorstellen können. Wenn er
früher den Schilderungen älterer Pferdelords über die Kämpfe gegen die Orks
gelauscht hatte, so hatte er das meiste davon schlicht für die Übertreibung
alter Männer gehalten. Doch nun, nachdem er die Bestien gesehen und ihren
Ansturm selbst erlebt hatte, bekamen die Schilderungen ein anderes Gewicht.
Parem trieb sein Pferd über den letzten Hügel und konnte endlich das Tal
mit der Stadt und der Burg Eternas unter sich liegen sehen. Es war früher
Morgen, und die Sonne tauchte das Tal in einen sanften goldenen Schimmer.
Aus den Öffnungen in den Dächern der Häuser stieg Rauch von den
Fladenfeuern auf, und die ahnungslosen Bewohner der Stadt bereiteten sich
auf ihr Tagwerk vor. Parem trabte den Hang hinunter, erreichte die Felder,
deren Ähren in sattem Goldgelb strahlten, und ritt eilig die Hauptstraße
entlang. Noch waren nur wenige Menschen auf den Straßen zu sehen, und
Parem ignorierte ihre verwunderten Blicke, als er sein Pferd an ihnen
vorbeihetzte, um die Burg so schnell wie möglich zu erreichen.
Da die Nacht noch nicht lange vorbei war, standen noch zwei
Schwertmänner der Wache am Tor, die den abgehetzten Reiter und sein
schweißnasses Pferd neugierig musterten. Parem trabte unter dem großen
Torbogen hindurch und in den Innenhof der Vorburg. Die Hufeisen
klapperten über das Pflaster mit dem eingelegten Wappen der Hochmark und
verstummten, als Parem sein Pferd vor dem Haupthaus zügelte. Erschöpft
rutschte er aus dem Sattel, und ein gewisser Stolz erfüllte ihn, als er eine der
Wachen des Pferdefürsten näher treten sah. Der Mann musterte Pferd und
Reiter.
»Ihr gehört doch zu Kormunds Schar, nicht wahr?« Der Mann wischte mit
der Hand über die schweißbedeckte Flanke des Pferdes. »Das Pferd ist scharf
geritten worden. Welche Nachricht schickt uns Euer Scharführer?«
Parem straffte sich, ganz der Bedeutung seiner Botschaft bewusst.
»Kormund ist tot und mit ihm die ganze Schar.« Er sah, wie sich die Augen
des Schwertmannes weiteten. »Ich bin der einzige Überlebende. Orks sind in
die Hochmark eingedrungen. Ich muss sofort zu Garodem.«
»Orks?« Der Schwertmann zuckte zusammen. »Seid Ihr sicher, dass es
Bestien waren? Keine Ausgestoßenen oder Barbaren?« Doch als Parem ihn
auf diese Frage hin nur stumm anschaute, meinte er: »Geht hinauf. Der Herr
wird schon wach sein. Ich gebe einstweilen dem Ersten Schwertmann
Tasmund Nachricht.«
Parem schlang die Zügel seines Pferdes in einen der Eisenringe am
Gebäude und betrat wenig später das Amtszimmer des Pferdefürsten.
Garodem stand mit seiner Gemahlin Larwyn an einem der Fensterbögen
und blickte zu den Nordhängen des großen Tals, das nun in die Strahlen der
Morgensonne getaucht wurde, deren Licht goldene Reflexe auf Larwyns
blonde Locken warf. Larwyn wirkte in diesem Augenblick wie ein kleines
Mädchen, und nur die leichte Rundung ihres Leibes verriet, dass sie Garodem
schon bald einen Nachkommen schenken würde. Sie trug ein langes Gewand
in den grünen Farben der Pferdelords, dessen Säume ebenso reich bestickt
waren wie der schmale Gürtel, den sie trug, und ihr goldener Stirnreif zeigte
die zwei Pferdeköpfe des Landes der Pferdelords. Garodem hatte ihr einst
einen anderen Schmuck mit dem Zeichen der Hochmark schenken wollen,
doch Larwyn hatte darauf bestanden, weiterhin den alten Reif zu tragen. Sie
wusste, dass sein Anblick ihren Gemahl stets an seinen Bruder und das
Königshaus erinnern würde, und trug ihn deshalb mit Absicht, denn sie hielt
den alten Streit für sinnlos. Sie war die Einzige in der Hochmark, die
Garodem immer wieder aufforderte, den alten Zwist zu begraben, doch so
beharrlich sie auch war, an der Sturheit ihres Gemahls war sie bislang
gescheitert. Doch die Tatsache, dass Garodem ihre Kritik an seinen
Isolationsbestrebungen hinnahm, machte allen deutlich, wie sehr er Larwyn in
Liebe verbunden war.
Sie beide hatten Parems Schritte auf der Treppe gehört und wandten sich
ihm zu, als er nun atemlos den Raum betrat. »Sie sind tot«, keuchte der junge
Pferdelord. »Sie sind alle tot.«
Garodem kniff die Augen zusammen. »Wer ist tot? Berichtet mir, was
geschehen ist.« Er wandte sich Larwyn zu. »Du solltest nun besser gehen,
mein Liebes.«
Aber Larwyn lächelte nur und schüttelte den Kopf. »Wir zwei sind eins,
und so schlechte Botschaft kommt, so trifft sie uns beide.«
Garodem nickte zögernd. »Nun gut, Pferdelord, berichte.«
Da schilderte Parem hastig, was sich am Pass zugetragen hatte, und
Garodem unterbrach ihn nicht dabei, sondern hörte ihm aufmerksam zu. Nur
als der junge Reiter die Orks erwähnte, zuckte der Pferdefürst einmal kurz
zusammen und warf einen raschen Blick auf seine erblassende Frau. Mit
wachsendem Grimm hörte Garodem der Schilderung zu, bis Tasmund, der
Erste Schwertmann der Hochmark, die Treppe heraufpolterte und Parem mit
seiner Schilderung erneut beginnen musste. Als er geendet hatte, herrschte für
einen Augenblick Schweigen. Schließlich nickte der Pferdefürst dem jungen
Pferdelord zu.
»Ihr habt Eure Pflicht wie ein echter Pferdelord erfüllt, mein Freund. Geht
nun und sorgt für Euer Pferd und für Euch selbst.« Garodem zögerte kurz.
»Und bewahrt Schweigen über das, was Ihr erlebt habt. Tasmund und ich
werden beraten, was zu tun ist.«
Enttäuscht verließ Parem den Raum. Gleichzeitig war er erleichtert, dass
Garodem seine Schilderung nicht weiter hinterfragt hatte und Parems
unrühmliche Rolle dadurch nicht ans Tageslicht gekommen war. Parem
wusste nicht, ob er dem durchdringenden Blick Tasmunds hätte standhalten
können. Aber die Ruhe Garodems und Tasmunds irritierte ihn. Warum schlug
der Herr jetzt nicht Alarm, sondern tat geradezu so, als ob er zunächst noch in
aller Ruhe frühstücken wollte? Begriff Garodem denn nicht, welche Gefahr
ihnen allen drohte?
Aber Garodem begriff die Gefahr durchaus. Er stand mit Tasmund vor der
großen Landeskarte der Pferdelords. »Die Signalkette der Feuer ist also
zerstört. Orks. Ich hätte nicht gedacht, dass diese Brut nochmals ihr Haupt
erheben würde. Barbaren, Geächtete, meinethalben sogar Südländer … Aber
dass Orks erneut zu einer Gefahr heranwachsen würden …«
Garodem stieß ein leises Knurren aus. »Parem schilderte, dass Hunderte
von ihnen über den Pass vordringen. Ihr Schritt müsste sie in fünf Tagen vom
Pass bis nach Eternas tragen. Abzüglich des einen Tages, den Parem brauchte,
um sein Tier zu uns zu hetzen. Damit bleiben uns also vier Tage, um die Mark
zu warnen und die Wehrfähigen einzuberufen.«
Tasmund nickte. »Wir senden berittene Boten in die Gehöfte, mein Hoher
Lord. Mit Pferden zum Wechseln. Dann kommen sie schneller voran. Und
wir sollten das Signalfeuer Eternas’ entzünden. Viele Gehöfte und Orte liegen
in seinem Sichtbereich. Die Leute wissen, was es zu bedeuten hat.«
»Sendet Boten in die Stadt. Alle Wehrfähigen sind aufgerufen, dem Eid zu
folgen. Öffnet die Rüstkammer und stellt fähige Männer ab, die den
Einberufenen eine schnelle Auffrischung im Umgang mit ihren Waffen geben
sollen. Wer nicht Schwert oder Lanze führt, soll sich im Bogen üben. Das
alles muss schnell gehen, Tasmund, mein Freund.«
»Ich frage mich, wo diese Horde herkommt und was sie wirklich
bezweckt«, wandte Larwyn ein. »Vielleicht soll sie nur den Pass blockieren
und gar nicht gegen uns vorrücken.«
»Ja, weil sie uns hindern will, unseren Eid gegenüber dem König zu
erfüllen«, nickte Garodem. »Aber das werden wir rasch erfahren. Wir müssen
der Horde einen Aufklärungstrupp entgegenschicken, der ihre Absichten
erkundet. Hält die Horde nur den Pass, so will sie tatsächlich nicht die
Hochmark angreifen, sondern uns nur daran hindern, ins Land des Königs
vorzustoßen.«
Tasmund fuhr mit dem Finger die Karte entlang. »Kämen sie aus der
Reitermark oder Westmark, dann wären sie über die südliche Straße vom
Hammerturm heraufgekommen. Ich glaube nicht, dass sie dies riskiert haben.
Die Macht des Weißen Zauberers ist zu groß, er hätte sie zerschmettert. Es
kann aber auch sein, dass die Horde einen Umweg gemacht hat und zuerst
nach Westen ausgewichen ist, um dann gegen den Pass vorzustoßen.« Der
Erste Schwertmann wies nachdenklich auf eine dünne Linie, die ein Stück
südlich des Passes begann und dann nach Osten durch das Gebirge zur
Nordmark führte. »Oder könnten sie den verborgenen Pfad benutzt haben?«
»Den südöstlichen Pfad? Aus der Nordmark? Ich glaube nicht, dass die
Orks ihn kennen.« Garodem blickte zu der Wand hinter seinem wuchtigen
Schreibtisch hinüber. Dort stand seine Rüstung, die er seit vielen Jahren nur
noch zu zeremoniellen Anlässen getragen hatte.
Brust- und Rückenplatte des Harnischs waren aus rotbraun lackiertem
Metall und zeigten das Symbol des Pferdevolkes in Gold. Es war der gleiche
Panzer, wie ihn auch sein Bruder damals von ihrem Vater erhalten hatte.
Dazu wurden Arm- und Schulterschutz getragen, ebenfalls aus rotbraun
lackiertem Metall, und darunter ein dickes Wams in der dunkelblauen Farbe
der Hochmark. Und natürlich der grüne Umhang eines Pferdelords. Garodems
Helm war aus dunklem Metall und wies goldene Verzierungen und einen
flachen Kamm auf. Der Helm schützte den gesamten Schädel bis hinunter
zum Nacken, ließ jedoch das Gesicht, mit Ausnahme des Nasenschutzes, frei.
Sein Kamm auf dem Helm diente zum Schutz gegen den Hieb eines
Schwertes. Statt Helm und Schädel des Trägers zu spalten, sollte der Kamm
den Schlag abgleiten lassen.
Die Männer Garodems waren nur unwesentlich anders geschützt. Die
Schwertmänner der Wache trugen ebenfalls Rüstungen, wenn auch weniger
reich verziert als die ihres Herrn, und an ihren Helmen waren die langen
Rosshaarschweife als Zeichen ihres Status befestigt. Die eingezogenen
Wehrfähigen trugen dagegen meist nur lederne Rüstungen mit einem
Kettenhemd darunter. Während jedoch alle Schwertmänner durchgehend mit
Dolch und Schwert, Lanze und Bogen bewaffnet waren, führten die
Wehrfähigen alle Arten von Waffen, überwiegend aber Lanze oder Axt, mit
sich.
Doch egal ob Pferdefürst, Schwertmann der Wache oder einfacher
Wehrfähiger, alle Pferdelords trugen den grünen Umhang des Reiters und
führten stets den grünen Rundschild mit sich.
Garodem ließ seine Hand über die Konturen der Rüstung gleiten. »Wie
auch immer. Wir werden den Bestien entgegentreten. Ob in der Hochmark
oder an einem anderen Ort. Ihr, Tasmund, nehmt einen Beritt und reitet den
Bestien entgegen. Erkundet ihre Absichten, und wenn Ihr eine Gelegenheit
seht, stoßt bis zum Pass vor und haltet ihn. Ich selbst werde Euch in
spätestens zwei Tagen mit allen Männern folgen, die bis dahin waffenfähig
sind.«
»Ich werde dreißig Schwertmänner der Wache nehmen, mit Eurer
Erlaubnis, mein Hoher Lord. Damit bleiben schon wenig genug, um die Höfe
zu warnen und die Wehrfähigen zu sammeln.«
Larwyn legte ihre Hand an den Arm ihres Gemahls. »Wir sollten auch die
Graue Frau verständigen. Auch wenn ich sie nicht besonders mag, so kann sie
uns in dieser Zeit doch hilfreich sein.«
»Merawyn?« Tasmund stieß einen heiseren Laut aus. »Die Hexe?«
»Nein, die Heilerin und Seherin«, erwiderte Garodem. »Ich weiß, die
Meinungen über Merawyn sind geteilt, und manche trauen ihrem Zauber
nicht. Aber sie hat viele Kranke geheilt, und sie besitzt das Wohlwollen des
Weißen Zauberers.«
»Sagt sie«, brummte Tasmund. »Keiner von uns hat je mit ihm
gesprochen.«
»Merawyn ist vor vielen Jahren zu uns gekommen und war uns oft zu
Diensten.« Pferdefürst Garodem sah seine Frau Larwyn an und lächelte. »Wir
werden jede Hilfe annehmen, die sich uns in dieser Zeit bietet. Sendet auch
einen Boten zu ihr, Tasmund. Und danach nehmt Euren Beritt und reitet.«
Tasmund blähte seine Backen auf, doch dann nickte er. »So sei es, mein
Herr. Ich werde Haronem herbeirufen, damit er die Burg in Bereitschaft
setzen kann.«
»Und gebt auch Nachricht an die Scharführer Baromil und Derodem. Sie
sollen sich besprechen, wie die Einberufenen am raschesten gerüstet werden
können.«
Nach einem kurzen Gruß eilte Tasmund aus dem Raum. Larwyn trat an
ihren Gemahl heran und nahm seine Hand. »Du handelst richtig, mein
geliebter Mann. Greift das Dunkle nach unserer Hochmark, so werden wir
ihm auf unserem eigenen Boden begegnen. Ist der König in Gefahr, so
werden wir ihm beistehen.«
Erneut hörte man das Poltern von Schritten auf der Treppe, doch dieses
Mal verharrten sie nicht vor der Tür, sondern eilten weiter die Stufen hinauf.
Schritte waren über der Decke des Raumes zu hören, welche sich über die
Bohlen der Deckenauflage zum hinteren Bereich des Haupthauses hin
entfernten, das mit seiner Schmalseite in die große Wehrmauer hineingebaut
worden war. Dort ragte der schlanke und hohe Aussichtsturm auf, der in einer
Plattform mündete, auf der sich stets geschichtetes Holz und Öl für das
Signalfeuer Eternas’ befanden.
Der Mann von der Wache des Pferdefürsten stemmte die hölzerne Luke
auf und trat auf die Plattform. Von hier aus hatte man einen weiten Ausblick
über das Land, und ein hier entzündetes Feuer war selbst noch in vielen
abgelegenen Bergtälern zu sehen. Der Mann vergewisserte sich, dass der
Holzstapel noch gut mit Fett und Öl getränkt war, dann nahm er eine
Fettlampe und setzte ihn in Brand.
Mit einem puffenden Laut entflammten Öl und Fett, und Flammen griffen
auf das Holz über. Es begann zu knistern, und Funken sprühten, als die
Restfeuchtigkeit im Holz verdampfte. Dann schien sich der Holzstapel mit
einem Schlag zu entzünden. Eine lodernde Flamme stieg in den Himmel über
Eternas und trieb den Schwertmann der Wache zurück. Für einen Augenblick
hielt er sich schützend den grünen Umhang vors Gesicht, dann stieg er wieder
ins Gebäude hinunter und warf die eisengeschützte Luke hinter sich zu.
Das Feuer von Eternas brannte, und wer immer es sah, würde wissen, dass
das Dunkle erneut sein Haupt erhoben hatte.