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Kapitel 9

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Je näher der junge Parem mit seinem Pferd dem Tal von Eternas kam, desto

mehr schwand seine Furcht, doch noch von den grauenerregenden Bestien

eingeholt zu werden. Gleichzeitig nahm seine Scham zu, die anderen Männer

seiner Schar im Stich gelassen zu haben. Aber der überraschende Angriff und

der Anblick der dunklen Bestien hatten ihn vollkommen überwältigt. Er

verstand nicht, wie Kormund und die anderen mit Todesverachtung gegen

diese Übermacht hatten anreiten können. Nein, er glaubte nicht, dass außer

ihm noch jemand von der kleinen Schar überlebt hatte, und schließlich wurde

aus seiner instinktiven Flucht und Scham der feste Glaube und wohlüberlegte

Gedanke, dem Pferdefürsten Garodem über die Bedrohung durch die Orks

berichten zu müssen. Letztlich würde die Hochmark es ihm, Parem, zu

verdanken haben, dass ihre Bewohner rechtzeitig gewarnt worden waren.

Doch würde die Mark den Bestien standhalten können? Bislang hatte sich

Parem einen solch wilden Ansturm niemals vorstellen können. Wenn er

früher den Schilderungen älterer Pferdelords über die Kämpfe gegen die Orks

gelauscht hatte, so hatte er das meiste davon schlicht für die Übertreibung

alter Männer gehalten. Doch nun, nachdem er die Bestien gesehen und ihren

Ansturm selbst erlebt hatte, bekamen die Schilderungen ein anderes Gewicht.


Parem trieb sein Pferd über den letzten Hügel und konnte endlich das Tal

mit der Stadt und der Burg Eternas unter sich liegen sehen. Es war früher

Morgen, und die Sonne tauchte das Tal in einen sanften goldenen Schimmer.

Aus den Öffnungen in den Dächern der Häuser stieg Rauch von den

Fladenfeuern auf, und die ahnungslosen Bewohner der Stadt bereiteten sich

auf ihr Tagwerk vor. Parem trabte den Hang hinunter, erreichte die Felder,

deren Ähren in sattem Goldgelb strahlten, und ritt eilig die Hauptstraße

entlang. Noch waren nur wenige Menschen auf den Straßen zu sehen, und

Parem ignorierte ihre verwunderten Blicke, als er sein Pferd an ihnen

vorbeihetzte, um die Burg so schnell wie möglich zu erreichen.


Da die Nacht noch nicht lange vorbei war, standen noch zwei

Schwertmänner der Wache am Tor, die den abgehetzten Reiter und sein

schweißnasses Pferd neugierig musterten. Parem trabte unter dem großen

Torbogen hindurch und in den Innenhof der Vorburg. Die Hufeisen

klapperten über das Pflaster mit dem eingelegten Wappen der Hochmark und

verstummten, als Parem sein Pferd vor dem Haupthaus zügelte. Erschöpft

rutschte er aus dem Sattel, und ein gewisser Stolz erfüllte ihn, als er eine der

Wachen des Pferdefürsten näher treten sah. Der Mann musterte Pferd und

Reiter.


»Ihr gehört doch zu Kormunds Schar, nicht wahr?« Der Mann wischte mit

der Hand über die schweißbedeckte Flanke des Pferdes. »Das Pferd ist scharf

geritten worden. Welche Nachricht schickt uns Euer Scharführer?«


Parem straffte sich, ganz der Bedeutung seiner Botschaft bewusst.

»Kormund ist tot und mit ihm die ganze Schar.« Er sah, wie sich die Augen

des Schwertmannes weiteten. »Ich bin der einzige Überlebende. Orks sind in

die Hochmark eingedrungen. Ich muss sofort zu Garodem.«


»Orks?« Der Schwertmann zuckte zusammen. »Seid Ihr sicher, dass es

Bestien waren? Keine Ausgestoßenen oder Barbaren?« Doch als Parem ihn

auf diese Frage hin nur stumm anschaute, meinte er: »Geht hinauf. Der Herr

wird schon wach sein. Ich gebe einstweilen dem Ersten Schwertmann

Tasmund Nachricht.«


Parem schlang die Zügel seines Pferdes in einen der Eisenringe am

Gebäude und betrat wenig später das Amtszimmer des Pferdefürsten.


Garodem stand mit seiner Gemahlin Larwyn an einem der Fensterbögen

und blickte zu den Nordhängen des großen Tals, das nun in die Strahlen der

Morgensonne getaucht wurde, deren Licht goldene Reflexe auf Larwyns

blonde Locken warf. Larwyn wirkte in diesem Augenblick wie ein kleines

Mädchen, und nur die leichte Rundung ihres Leibes verriet, dass sie Garodem

schon bald einen Nachkommen schenken würde. Sie trug ein langes Gewand

in den grünen Farben der Pferdelords, dessen Säume ebenso reich bestickt

waren wie der schmale Gürtel, den sie trug, und ihr goldener Stirnreif zeigte

die zwei Pferdeköpfe des Landes der Pferdelords. Garodem hatte ihr einst

einen anderen Schmuck mit dem Zeichen der Hochmark schenken wollen,

doch Larwyn hatte darauf bestanden, weiterhin den alten Reif zu tragen. Sie

wusste, dass sein Anblick ihren Gemahl stets an seinen Bruder und das

Königshaus erinnern würde, und trug ihn deshalb mit Absicht, denn sie hielt

den alten Streit für sinnlos. Sie war die Einzige in der Hochmark, die

Garodem immer wieder aufforderte, den alten Zwist zu begraben, doch so

beharrlich sie auch war, an der Sturheit ihres Gemahls war sie bislang

gescheitert. Doch die Tatsache, dass Garodem ihre Kritik an seinen

Isolationsbestrebungen hinnahm, machte allen deutlich, wie sehr er Larwyn in

Liebe verbunden war.


Sie beide hatten Parems Schritte auf der Treppe gehört und wandten sich

ihm zu, als er nun atemlos den Raum betrat. »Sie sind tot«, keuchte der junge

Pferdelord. »Sie sind alle tot.«


Garodem kniff die Augen zusammen. »Wer ist tot? Berichtet mir, was

geschehen ist.« Er wandte sich Larwyn zu. »Du solltest nun besser gehen,

mein Liebes.«


Aber Larwyn lächelte nur und schüttelte den Kopf. »Wir zwei sind eins,

und so schlechte Botschaft kommt, so trifft sie uns beide.«


Garodem nickte zögernd. »Nun gut, Pferdelord, berichte.«


Da schilderte Parem hastig, was sich am Pass zugetragen hatte, und

Garodem unterbrach ihn nicht dabei, sondern hörte ihm aufmerksam zu. Nur

als der junge Reiter die Orks erwähnte, zuckte der Pferdefürst einmal kurz

zusammen und warf einen raschen Blick auf seine erblassende Frau. Mit

wachsendem Grimm hörte Garodem der Schilderung zu, bis Tasmund, der

Erste Schwertmann der Hochmark, die Treppe heraufpolterte und Parem mit

seiner Schilderung erneut beginnen musste. Als er geendet hatte, herrschte für

einen Augenblick Schweigen. Schließlich nickte der Pferdefürst dem jungen

Pferdelord zu.


»Ihr habt Eure Pflicht wie ein echter Pferdelord erfüllt, mein Freund. Geht

nun und sorgt für Euer Pferd und für Euch selbst.« Garodem zögerte kurz.

»Und bewahrt Schweigen über das, was Ihr erlebt habt. Tasmund und ich

werden beraten, was zu tun ist.«


Enttäuscht verließ Parem den Raum. Gleichzeitig war er erleichtert, dass

Garodem seine Schilderung nicht weiter hinterfragt hatte und Parems

unrühmliche Rolle dadurch nicht ans Tageslicht gekommen war. Parem

wusste nicht, ob er dem durchdringenden Blick Tasmunds hätte standhalten

können. Aber die Ruhe Garodems und Tasmunds irritierte ihn. Warum schlug

der Herr jetzt nicht Alarm, sondern tat geradezu so, als ob er zunächst noch in

aller Ruhe frühstücken wollte? Begriff Garodem denn nicht, welche Gefahr

ihnen allen drohte?


Aber Garodem begriff die Gefahr durchaus. Er stand mit Tasmund vor der

großen Landeskarte der Pferdelords. »Die Signalkette der Feuer ist also

zerstört. Orks. Ich hätte nicht gedacht, dass diese Brut nochmals ihr Haupt

erheben würde. Barbaren, Geächtete, meinethalben sogar Südländer … Aber

dass Orks erneut zu einer Gefahr heranwachsen würden …«


Garodem stieß ein leises Knurren aus. »Parem schilderte, dass Hunderte

von ihnen über den Pass vordringen. Ihr Schritt müsste sie in fünf Tagen vom

Pass bis nach Eternas tragen. Abzüglich des einen Tages, den Parem brauchte,

um sein Tier zu uns zu hetzen. Damit bleiben uns also vier Tage, um die Mark

zu warnen und die Wehrfähigen einzuberufen.«


Tasmund nickte. »Wir senden berittene Boten in die Gehöfte, mein Hoher

Lord. Mit Pferden zum Wechseln. Dann kommen sie schneller voran. Und

wir sollten das Signalfeuer Eternas’ entzünden. Viele Gehöfte und Orte liegen

in seinem Sichtbereich. Die Leute wissen, was es zu bedeuten hat.«


»Sendet Boten in die Stadt. Alle Wehrfähigen sind aufgerufen, dem Eid zu

folgen. Öffnet die Rüstkammer und stellt fähige Männer ab, die den

Einberufenen eine schnelle Auffrischung im Umgang mit ihren Waffen geben

sollen. Wer nicht Schwert oder Lanze führt, soll sich im Bogen üben. Das

alles muss schnell gehen, Tasmund, mein Freund.«


»Ich frage mich, wo diese Horde herkommt und was sie wirklich

bezweckt«, wandte Larwyn ein. »Vielleicht soll sie nur den Pass blockieren

und gar nicht gegen uns vorrücken.«


»Ja, weil sie uns hindern will, unseren Eid gegenüber dem König zu

erfüllen«, nickte Garodem. »Aber das werden wir rasch erfahren. Wir müssen

der Horde einen Aufklärungstrupp entgegenschicken, der ihre Absichten

erkundet. Hält die Horde nur den Pass, so will sie tatsächlich nicht die

Hochmark angreifen, sondern uns nur daran hindern, ins Land des Königs

vorzustoßen.«


Tasmund fuhr mit dem Finger die Karte entlang. »Kämen sie aus der

Reitermark oder Westmark, dann wären sie über die südliche Straße vom

Hammerturm heraufgekommen. Ich glaube nicht, dass sie dies riskiert haben.

Die Macht des Weißen Zauberers ist zu groß, er hätte sie zerschmettert. Es

kann aber auch sein, dass die Horde einen Umweg gemacht hat und zuerst

nach Westen ausgewichen ist, um dann gegen den Pass vorzustoßen.« Der

Erste Schwertmann wies nachdenklich auf eine dünne Linie, die ein Stück

südlich des Passes begann und dann nach Osten durch das Gebirge zur

Nordmark führte. »Oder könnten sie den verborgenen Pfad benutzt haben?«


»Den südöstlichen Pfad? Aus der Nordmark? Ich glaube nicht, dass die

Orks ihn kennen.« Garodem blickte zu der Wand hinter seinem wuchtigen

Schreibtisch hinüber. Dort stand seine Rüstung, die er seit vielen Jahren nur

noch zu zeremoniellen Anlässen getragen hatte.


Brust- und Rückenplatte des Harnischs waren aus rotbraun lackiertem

Metall und zeigten das Symbol des Pferdevolkes in Gold. Es war der gleiche

Panzer, wie ihn auch sein Bruder damals von ihrem Vater erhalten hatte.

Dazu wurden Arm- und Schulterschutz getragen, ebenfalls aus rotbraun

lackiertem Metall, und darunter ein dickes Wams in der dunkelblauen Farbe

der Hochmark. Und natürlich der grüne Umhang eines Pferdelords. Garodems

Helm war aus dunklem Metall und wies goldene Verzierungen und einen

flachen Kamm auf. Der Helm schützte den gesamten Schädel bis hinunter

zum Nacken, ließ jedoch das Gesicht, mit Ausnahme des Nasenschutzes, frei.

Sein Kamm auf dem Helm diente zum Schutz gegen den Hieb eines

Schwertes. Statt Helm und Schädel des Trägers zu spalten, sollte der Kamm

den Schlag abgleiten lassen.


Die Männer Garodems waren nur unwesentlich anders geschützt. Die

Schwertmänner der Wache trugen ebenfalls Rüstungen, wenn auch weniger

reich verziert als die ihres Herrn, und an ihren Helmen waren die langen

Rosshaarschweife als Zeichen ihres Status befestigt. Die eingezogenen

Wehrfähigen trugen dagegen meist nur lederne Rüstungen mit einem

Kettenhemd darunter. Während jedoch alle Schwertmänner durchgehend mit

Dolch und Schwert, Lanze und Bogen bewaffnet waren, führten die

Wehrfähigen alle Arten von Waffen, überwiegend aber Lanze oder Axt, mit

sich.


Doch egal ob Pferdefürst, Schwertmann der Wache oder einfacher

Wehrfähiger, alle Pferdelords trugen den grünen Umhang des Reiters und

führten stets den grünen Rundschild mit sich.


Garodem ließ seine Hand über die Konturen der Rüstung gleiten. »Wie

auch immer. Wir werden den Bestien entgegentreten. Ob in der Hochmark

oder an einem anderen Ort. Ihr, Tasmund, nehmt einen Beritt und reitet den

Bestien entgegen. Erkundet ihre Absichten, und wenn Ihr eine Gelegenheit

seht, stoßt bis zum Pass vor und haltet ihn. Ich selbst werde Euch in

spätestens zwei Tagen mit allen Männern folgen, die bis dahin waffenfähig

sind.«


»Ich werde dreißig Schwertmänner der Wache nehmen, mit Eurer

Erlaubnis, mein Hoher Lord. Damit bleiben schon wenig genug, um die Höfe

zu warnen und die Wehrfähigen zu sammeln.«


Larwyn legte ihre Hand an den Arm ihres Gemahls. »Wir sollten auch die

Graue Frau verständigen. Auch wenn ich sie nicht besonders mag, so kann sie

uns in dieser Zeit doch hilfreich sein.«


»Merawyn?« Tasmund stieß einen heiseren Laut aus. »Die Hexe?«


»Nein, die Heilerin und Seherin«, erwiderte Garodem. »Ich weiß, die

Meinungen über Merawyn sind geteilt, und manche trauen ihrem Zauber

nicht. Aber sie hat viele Kranke geheilt, und sie besitzt das Wohlwollen des

Weißen Zauberers.«


»Sagt sie«, brummte Tasmund. »Keiner von uns hat je mit ihm

gesprochen.«


»Merawyn ist vor vielen Jahren zu uns gekommen und war uns oft zu

Diensten.« Pferdefürst Garodem sah seine Frau Larwyn an und lächelte. »Wir

werden jede Hilfe annehmen, die sich uns in dieser Zeit bietet. Sendet auch

einen Boten zu ihr, Tasmund. Und danach nehmt Euren Beritt und reitet.«


Tasmund blähte seine Backen auf, doch dann nickte er. »So sei es, mein

Herr. Ich werde Haronem herbeirufen, damit er die Burg in Bereitschaft

setzen kann.«


»Und gebt auch Nachricht an die Scharführer Baromil und Derodem. Sie

sollen sich besprechen, wie die Einberufenen am raschesten gerüstet werden

können.«


Nach einem kurzen Gruß eilte Tasmund aus dem Raum. Larwyn trat an

ihren Gemahl heran und nahm seine Hand. »Du handelst richtig, mein

geliebter Mann. Greift das Dunkle nach unserer Hochmark, so werden wir

ihm auf unserem eigenen Boden begegnen. Ist der König in Gefahr, so

werden wir ihm beistehen.«


Erneut hörte man das Poltern von Schritten auf der Treppe, doch dieses

Mal verharrten sie nicht vor der Tür, sondern eilten weiter die Stufen hinauf.

Schritte waren über der Decke des Raumes zu hören, welche sich über die

Bohlen der Deckenauflage zum hinteren Bereich des Haupthauses hin

entfernten, das mit seiner Schmalseite in die große Wehrmauer hineingebaut

worden war. Dort ragte der schlanke und hohe Aussichtsturm auf, der in einer

Plattform mündete, auf der sich stets geschichtetes Holz und Öl für das

Signalfeuer Eternas’ befanden.


Der Mann von der Wache des Pferdefürsten stemmte die hölzerne Luke

auf und trat auf die Plattform. Von hier aus hatte man einen weiten Ausblick

über das Land, und ein hier entzündetes Feuer war selbst noch in vielen

abgelegenen Bergtälern zu sehen. Der Mann vergewisserte sich, dass der

Holzstapel noch gut mit Fett und Öl getränkt war, dann nahm er eine

Fettlampe und setzte ihn in Brand.


Mit einem puffenden Laut entflammten Öl und Fett, und Flammen griffen

auf das Holz über. Es begann zu knistern, und Funken sprühten, als die

Restfeuchtigkeit im Holz verdampfte. Dann schien sich der Holzstapel mit

einem Schlag zu entzünden. Eine lodernde Flamme stieg in den Himmel über

Eternas und trieb den Schwertmann der Wache zurück. Für einen Augenblick

hielt er sich schützend den grünen Umhang vors Gesicht, dann stieg er wieder

ins Gebäude hinunter und warf die eisengeschützte Luke hinter sich zu.


Das Feuer von Eternas brannte, und wer immer es sah, würde wissen, dass

das Dunkle erneut sein Haupt erhoben hatte.


Die Pferdelords 01 - Der Sturm der Orks

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