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Eugenius McDenglot

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Das Loch Etive gehörte zu jenen zahlreichen Seen, die das Landschaftsbild Schottlands so entscheidend beeinflussten und lag im Westen des Landes. Eingebettet zwischen bewachsenen Hügeln, die allenfalls ein Optimist als Berg bezeichnen konnte, und weiten Wiesen mit kleinen Wäldern, war das Loch sicherlich ein malerischer und zudem abgelegener Ort. Es gab nicht einmal ein richtiges Dorf, nur eine Anzahl verstreut liegender Häuser und Cottages. Direkt am See lag ein Hotelgasthof, Anlaufstelle für durstige Bewohner der Gegend und jene Angler, die sich hierher verirrten. Die nächste Stadt war Taynuilt, wo sich die meisten Anwohner des Loch Etive mit jenen Dingen eindeckten, die man zum Überleben benötigte oder die das Leben angenehmer gestalteten.

Am östlichen Ende des Lochs erhob sich „McDenglot House“. Es war mehr als ein Haus oder Cottage, aber weniger als eine Burg oder sogar ein Schloss. Dennoch war es der Sitz des Clans der McDenglot und als solcher hatten seine Besitzer ihr Möglichstes getan, um der Anlage ein angemessenes Äußeres zu geben.

Ein beeindruckender und mit Zinnen bewehrter Rundturm war errichtet worden, der an der Wetterseite inzwischen dicht mit Moos bewachsen war. Es gab auch eine bescheidene Wehrmauer, die allerdings dadurch entstanden war, dass man das Geviert aus Wohnbau und sonstigen Gebäuden durch zusätzliche Mauersegmente miteinander verbunden hatte. Außerhalb der Mauer graste die beeindruckende Schafherde, welche eine der wirtschaftlichen Grundlagen der Bewohner bildete, innerhalb der Mauern gingen die wenigen Männer und Frauen von McDenglot House ihrem Tagwerk nach. Zurzeit war Schur und im Innenhof herrschte reges Treiben. Immer wieder wurden Gruppen von Schafen in den Stall getrieben, dort geschoren und dann, von der wertvollen Wolle entblößt, wieder auf die Weide entlassen. Zwischen den Platten des Innenhofes wuchsen Gräser, die sich derzeit mit dem Dung der Tiere mischten.

Im Anbau neben dem Stall lief eine kleine Dampfmaschine, welche die Anlage mit dem erforderlichen Strom versorgte. Thermionit war zu teuer und so benutzte man Holz oder getrocknete Dungfladen, die ausgezeichnet heizten, wenn man sich erst an den typischen Geruch gewöhnt hatte.

Überall gab es elektrisches Licht, und eine kleine Kolbenpumpe förderte das kristallklare Wasser des Loch Etive in jedes der Gebäude. Das kastenförmige Wohnhaus war den Bediensteten vorbehalten, der Hausherr und Clanchief, Eugenius McDenglot, benutzte den ausgebauten Rundturm.

Ja, Eugenius McDenglot war Chef eines schottischen Clans, auch wenn es nur ein sehr kleiner Clan war, und die großen seine Existenz eher ignorierten. Alle Angehörigen der McDenglots waren stolz darauf, den schottischen Kilt zu tragen, und sie litten zugleich darunter, dass er noch immer kein eigenes und anerkanntes Muster, den Tartan, aufwies. Das schlichte Dunkelgrün des Stoffes zeichnete die McDenglots aus und war zugleich ihr ewiger Makel. Der Skote Kenneth McAlpine hatte das Königreich Schottland mit seiner damaligen Hauptstadt Scone bereits im Jahr 844 gegründet. Der Clan der McDenglots bestand jedoch erst seit zwölf Generationen und wurde von den alteingesessenen Clans noch immer mit Skepsis betrachtet.

Vielleicht war dies der Grund, warum Eugenius McDenglot so viel Wert auf schottische Traditionen legte. Er trug fast immer seinen Kilt, selbst zu seiner Marineuniform, aß, wenn auch mit geringer Begeisterung, gelegentlich das schottische Nationalgericht Haggis, nahm, wenn es der Dienst erlaubte, am Baumstammwerfen teil, und übte sich sogar, mit viel Begeisterung doch wenig Talent, im Spielen des Dudelsacks. Obwohl man Captain Eugenius McDenglot menschlich überaus schätzte, waren die umliegenden Bewohner des Lochs doch durchaus dankbar, wenn sein Dienst ihn auf See hinausführte, und er keine Gelegenheit fand, seine Fertigkeit mit dem Dudelsack zu vervollkommnen.

In nächster Zeit würden diese Hoffnungen wohl enttäuscht werden, denn der Captain war mit der unerwarteten Neuigkeit konfrontiert worden, dass er bei Halbsold in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden sei. Auf höchsten Befehl des Lord-Admirals, Sir John Prewitt, persönlich.

Die Einschätzung der Anwohner von Loch Etive, bezüglich der Person und Fähigkeiten von Sir John, fiel nicht zu dessen Gunsten aus. Hierfür gab es gleich mehrere Gründe – Die Wertschätzung der Person von Eugenius McDenglot, die Tatsache, dass der Halbsold eine bedeutsame wirtschaftliche Einbuße für den Clan darstellte, und der Umstand, dass nun abends wieder die Klänge des Dudelsacks zu hören waren.

An diesem Abend würden die Ohren der Menschen wahrscheinlich geschont werden, denn Eugenius McDenglot, Captain außer Dienst, hatte unerwarteten Besuch erhalten.

Erster Offizier Lydia Smythe und „Chief“ Finnegan Walker hatten den weiten Weg, vom Liegeplatz der H.M.S. Thunderer bei Alloway, auf sich genommen, um jenen Mann zu besuchen, der für sie noch immer „der Captain“ war. Sie hatten den Zug benutzt und später den Dampfbus, dessen Endstation das Gasthotel am Loch war. Von dort waren sie geritten. Nur ein kurzes Stück, aber Lydia Smythe war dankbar für ein weiches Kissen, und der Chief bevorzugte es im Augenblick, zu stehen.

McDenglot war über diesen Besuch erfreut und gerührt, obwohl er zugleich die schmerzliche Wunde aufriss, die der Verlust seines Kommandos für ihn bedeutete. Seine Gäste und er vermieden es, über seine Beurlaubung und die Thunderer zu sprechen. Man tauschte Klatsch und Neuigkeiten aus, die möglichst wenig mit der Royal Navy zu tun hatten, und doch war das Thema, wohl weil es bewusst von allen vermieden wurde, in höchstem Maße gegenwärtig. Zum Abend gab es Lammbraten, der von der rundlichen Köchin und ihrem Mann herauf gebracht wurde.

„Erlauben Sie mir die Frage, wie groß der Clan ist?“, erkundigte sich Lydia Smythe neugierig.

„Derzeit einhundertsiebenundzwanzig Personen“, gestand McDenglot ein wenig verlegen ein. „Siebzehn leben in McDenglot House. Zugegeben, der Clan ist klein, aber er hat Bestand. Ja, er hat Bestand.“

„Und Sie sind das Oberhaupt.“

„In der Tat, ja. Ich bin beileibe nicht das älteste Clanmitglied“, meinte der Schotte lächelnd, „doch ich bin der Chief.“

„Dann ruhen die Hoffnungen des Clans also auf Ihren Schultern, nicht wahr?“ Lydia Smythe errötete ein wenig. „Ich meine, was den, äh, Stammbaum angeht.“

„Hm, so könnte man sagen“, murmelte McDenglot verlegen. „Aber ich habe ja noch ein wenig Zeit, mich darum zu kümmern.“

„In der Tat“, nutzte Lydia nun die Worte des Schotten und sie mussten alle lachen.

Die Stimmung war entspannt, das Essen ausgezeichnet, auch wenn der Lammbraten nach Finnegan Walkers Meinung ein wenig zu fettig gewesen war. Der anschließende Alkohol sorgte dafür, dass der Chief zum Ausdruck brachte, was ihm die ganze Zeit schon auf der Seele gelegen hatte.

„Es ist eine verdammte Ungerechtigkeit, Sie des Kommandos zu entheben, Sir“, gab er seinem Unmut Ausdruck. „Und ich kann Ihnen versichern, Sir, dass die Männer und Frauen der Thunderer genau der gleichen Meinung sind. Sogar O´Ley, obwohl der nur ein verdammter Ire ist.“

„Das stimmt, Captain“, bekräftigte Lydia Smythe.

„Ich bin kein Captain“, knurrte Eugenius McDenglot verlegen. „Jedenfalls nicht mehr.“

„Man hat Sie einfach geopfert, obwohl Sie richtig gehandelt haben“, goss Finnegan ein wenig Öl ins Feuer. Er spielte mit dem Glas, in dem sich ein ausgezeichneter Malt befand, aber ihm wäre ein richtiges Ale weit lieber gewesen. „Wie ich von einem Freund in der Admiralität hörte, ist sogar Sir John persönlich dieser Meinung. Natürlich nur hinter vorgehaltener Hand, wenn Sie verstehen, Sir.“

„Ein politisches Opfer um die verdammten Franzosen zu besänftigen“, seufzte Lydia Smythe. Sie räkelte sich in dem bequemen Ohrsessel und betrachtete die knisternden Holzscheite im Kamin. Die Nacht hatte sich herabgesenkt und McDenglot und seine Gäste hatten dem Alkohol inzwischen gut zugesprochen. Die Augen der Offizierin schimmerten verdächtig und sie war weitaus entspannter, als dies sonst üblich war. Doch vielleicht hing dies auch mit der Tatsache zusammen, dass sie derzeit nicht im Dienst war.

„Damit haben wir gerechnet“, sagte McDenglot in versöhnlichem Ton. „Es freut mich sehr, dass Sie und die Crew meine Flagge hochhalten, doch ich denke, die Admiralität hatte keine andere Wahl.“ Das Thema machte ihn verlegen und er versuchte, es zu wechseln. „Wie geht es eigentlich unserer braven alten Thunderer? Ich hörte man habe sie trockengelegt, um an ihrem Rumpf zu arbeiten.“

„Ja, hat man.“ Finnegan Walker leerte sein Glas und ging zu dem kleinen Tisch hinüber, auf dem die Getränke standen. Hervorragende Weine, Whiskeys und sogar ein guter Sherry, doch nichts, was das Herz des Chiefs wirklich erfreut hätte. Ein schönes Ale, ein guter Rum, notfalls tat es auch ein Gin … Walker seufzte vernehmlich und entschied sich dann abermals für Whiskey. „Na ja, das gibt uns wenigstens die Gelegenheit, dass man Muscheln und Algen vom Kupferbeschlag kratzen kann. Ein verdammter Jammer, dass man die alten Schutzanstriche nicht mehr verwenden darf.“

Lydia Smythe trug Uniform und hatte bislang nur den Gurt mit dem Ehrendegen und die Mütze abgelegt. Jetzt, unter der Wirkung von Alkohol und Kaminfeuer, öffnete sie ihre weiße Ausgehjacke. Zumindest die oberen Knöpfe, und gerade weit genug, dass Finnegan Walker die Gerüchte unter der Mannschaft bestätigt sah. Unter der formellen Schale der Offizierin verbarg sich eine sehr ansehnliche Frau.

„Der Offizier, der den Befehl von der Admiralität brachte, erklärte uns, man hielte es für besser, die Thunderer für einige Zeit aus dem Wasser zu nehmen“, erläuterte die hübsche Frau. „Wenigstens solange, bis sich die Franzosen weiter beruhigt haben.“

„Sie und das Schiff können nichts für meine damaligen Befehle.“ McDenglot kippte den Inhalt seines Glases hinunter und trat zu Walker, um sich nachzuschenken. „Aber es kann der Thunderer nicht schaden, wenn sie einmal ordentlich überholt wird.“ Er wandte sich Lydia Smythe zu. „Gibt es schon Hinweise, wie sich die Admiralität die Zukunft des Schiffes vorstellt?“

Sie wusste, worauf er hinauswollte. „Bislang nicht.“

„Vielleicht beruft man Sie wieder ins Kommando“, meinte Finnegan Walker hoffnungsvoll. „Ich meine, wenn etwas Gras über die Sache gewachsen ist, dann könnte die Admiralität Sie doch wieder in Dienst nehmen.“

„Eher nicht“, erwiderte McDenglot grimmig. „Aber es könnte eine Chance für Lydia sein, ihr erstes Kommando zu erhalten. Die Thunderer wäre kein schlechter Anfang in einer Kommandokarriere.“

„Ich würde ungern in Ihre Schuhe treten, Captain“, murmelte sie. „Es wäre kein schönes Gefühl, an Ihrer Stelle auf der Brücke zu stehen.“

„Ich vermisse das alte Mädchen“, gab der Schotte bereitwillig zu. „Aber ich weiß es lieber in Ihren Händen, Lydia, als in denen eines fremden Offiziers.“

„Herzlichen Dank.“ Sie prostete ihm zu und lächelte.

Für einen Moment herrschte Schweigen, bei dem jeder seinen eigenen Gedanken nachhing.

Finnegan Walker bemerkte den versunkenen Blick, mit dem der Captain die Offizierin betrachtete und der Ausdruck der Augen machte ihn verlegen. Riss der Anblick der Marineuniform die Wunde des Schotten noch tiefer auf oder bemerkte er in diesem Augenblick, welch attraktive Frau da im Sessel saß? Es war jedenfalls ein seltsamer Blick, den Walker nicht zu deuten wusste, und er wandte sich ab, um zum wiederholten Mal das private Reich seines früheren Vorgesetzten zu betrachten.

Der Wohnraum von Eugenius McDenglot nahm eine komplette Etage des Rundturms ein. Die nackten Natursteine waren zu sehen und Walker schätzte, dass es im Winter verdammt ungemütlich werden konnte. Daran würde der Kamin nichts ändern, und auch nicht die Rohre der beiden Dampfleitungen, die an einer Wand aus dem Boden kamen und ins darüber liegende Stockwerk führten. Im nördlichen Teil des Raums waren die Durchbrüche des Aufgangs mit den gemauerten Treppenstufen. Sie folgten dem runden Verlauf der Mauer. Es gab kein Geländer und die Stufen waren schmal. Man musste schon einen sicheren Schritt haben, um nicht daneben zu treten.

Der Turm hatte einen beachtlichen Durchmesser und so gab es erstaunlich viel Platz auf seinen Ebenen. Im Wohnraum des Captains reichte es für eine gemütliche Sitzgruppe, an der sie auch gegessen hatten, einen großen Schreibtisch mit Polsterstuhl sowie zwei Kommoden und einige schmale Bücherregale. Die Möbel waren alt und an einigen Stellen sehr geschickt ausgebessert, so dass man die Spuren kaum sah. Die Bücherregale faszinierten Finnegan Walker. Er war kein großer Freund davon, seine Zeit mit Lesen zu verschwenden, aber die Geschicklichkeit, mit der man die Regale an den Raum angepasst hatte, beeindruckte ihn. Es gab eine ganze Reihe alter ledergebundener Bücher und auch moderne Druckerzeugnisse. Eines der Regale wurde von Enzyklopädien eingenommen. Der Chief erkannte eine gebundene Ausgabe der „Encyclopedia Britannica“ mit ihren zweiunddreißig Bänden, die sicher ein Vermögen an Goldvictorias Wert war. Daneben standen in chronologischer Folge die Werke von „Jane´s Fighting Ships“, einem Militärkatalog, der seit vielen Jahrzehnten die Kriegsschiffe der Welt auflistete. Die Reihe war wohl in jeder Admiralität der Welt vertreten und erwies sich als überraschend gut informiert. Erst in den letzten Jahren, seit Napoleon seine neuen Eroberungszüge angetreten hatte, wurden die Angaben deutlich spärlicher.

„Ich glaube, ich könnte ein wenig frische Luft gebrauchen“, gestand Lydia Smythe ein.

„Eine gute Idee.“ Eugenius McDenglot erhob sich und deutete eine Verbeugung an. „Wenn ich Ihnen meine Begleitung anbieten darf?“

Sie erhob sich und wankte einen Moment. McDenglot stützte sie rasch ab und erhielt dafür ein dankbares Lächeln.

Der Schotte sah den Chief an. „Von der Turmplattform aus hat man einen wundervollen Ausblick auf das Loch und wir haben Glück, dass kein Nebel über dem Land liegt.“

Walker verstand die Einladung, winkte aber ab. „Wenn Sie nichts dagegen haben, Captain, würde ich lieber einmal in Jane´s Katalog hineinsehen.“

„Tun Sie sich keinen Zwang an, Chief. Mein Heim ist Ihr Schloss, wie wir Schotten gewöhnlich sagen.“

„Nun, Sir, mag so ein, aber ich denke, es ist ein englisches Sprichwort.“

„Wie dem auch sei, Chief, fühlen Sie sich ganz wie zuhause.“

Eugenius McDenglot begleitete Lydia Smythe zur Treppe und achtete darauf, dass sie nicht fehltrat, während sie nach oben gingen.

In der nächsten Turmebene befand sich offensichtlich das Schlafgemach von Eugenius McDenglot.

„Oh, Mann“, entfuhr es Lydia Smythe unwillkürlich, als sie das riesige Bett mit dem gewaltigen Baldachin erblickte.

McDenglot räusperte sich. „Ist nicht unbedingt mein Geschmack, Lydia. Das Ding steht schon seit Generationen hier oben. Mir würde eine Koje reichen, aber dieses Monstrum wurde hier oben zusammengezimmert und lässt sich keinen Zentimeter bewegen. Andererseits bringe ich es einfach nicht übers Herz, es zu Brennholz zu verarbeiten.“

„Ach, irgendwie ist es ja ganz romantisch“, erwiderte sie. „Ein wenig … altmodisch, aber durchaus romantisch.“

„Hm, äh, in der Tat.“ Die Schlafebene war peinlich akkurat aufgeräumt. Nicht ein Stück Wäsche lag herum und das Bett war ordentlich gemacht. Die Art der Faltung der Decke nach Marineart deutete darauf hin, dass der Schotte hier selbst Hand angelegt hatte und dies nicht den Bediensteten überließ. Eine Folge des Lebens auf See, bei dem die räumliche Enge zu Rücksichtnahme und Ordnung zwang.

Die junge Offizierin bemerkte dass Eugenius McDenglot bemüht war, einen bestimmten Abschnitt der Rundwand vor ihren Blicken zu verbergen und der Alkohol gab ihr den Mut, den Schotten zur Seite zu schieben.

„Oh, Mann“, seufzte sie zum zweiten Mal. „Ist das einer Ihrer, äh, Vorfahren?“

Es war ein großes Gemälde, dessen Farben im Lauf der Zeit gelitten hatten. An einigen Stellen war die Leinwand beschädigt, doch die Darstellung eines nackten und kopulierenden Paares war unverkennbar. Der Künstler hatte sich offensichtlich Mühe gegeben, jedes Detail herauszuarbeiten.

Erneut räusperte sich McDenglot und die Röte seines Gesichts vertiefte sich sichtlich. „Einer meiner Vorfahren hat es, äh, gemalt.“

„Selbstportrait?“

„Ich denke, ich brauche in der Tat selbst ein wenig frische Luft“, sagte der Schotte hastig.

Er schob die junge Frau auf den nächsten Treppenabschnitt und drängte sie hinauf. Sie verharrten kurz unterhalb einer schweren Holzluke, die mit Gegengewichten versehen war, und unter dem Druck von McDenglots Hand knarrend nach oben schwang. Augenblicke später standen sie auf der oberen Plattform und traten dann zwischen die Zinnen.

Die frische Luft war kühl und da ein leichter Wind aufkam, fröstelte Lydia in ihrer dünnen Uniform. Vielleicht unbewusst kuschelte sie sich an McDenglot, der sie verlegen mit einem Arm umfing, um sie zu wärmen. Es war das erste Mal, dass sie sich auf diese Weise nahe kamen und sie taten beide, als sei dies ganz selbstverständlich. Was es vielleicht auch war, denn immerhin standen hier nicht Kapitän und Erster Offizier zusammen.

In der Mitte der Plattform erhob sich der Fahnenmast, an dem die schottische Flagge wehte. Das leise Flattern mischte sich mit dem Säuseln des Windes und den Geräuschen der Nacht. Von der Weide drang das Blöken einiger Schafe herüber. McDenglot House stand dicht am Ufer des Loch Etive und man konnte sogar das Klatschen hören, als einer der großen Fische aus dem Wasser sprang und wieder zurückfiel.

„Es ist schön hier“, murmelte Lydia Smythe.

„In der Tat, das ist es“, stimmte Eugenius McDenglot zu, der im Augenblick aber keinen Blick für das Umfeld hatte.

„Der Wetterbericht sagt, dass morgen Nebel aufzieht. Er soll wohl mehrere Tage über dem ganzen Königreich liegen.“

„Hm, ja, damit müssen wir leben“, murmelte er.

Es war eine wundervolle sternenklare Nacht, begleitet von der in Schottland üblichen Kühle. Der Wind trug den Geruch der Schafherde herüber, an den McDenglot gewöhnt war. Ein leichter Hauch von Vanille mischte sich darunter, als sich Lydia Smythe dem Schotten zuwandte.

„Darf ich etwas fragen?“ Sie lächelte sanft und McDenglot erschien es in diesem Augenblick, als könne man in ihren großen Augen versinken.

„Ähem, ja, sicher.“

„Ist das Bett wirklich so alt?“

„Sehr alt“, versicherte er.

„Und noch immer stabil?“

Er sog den Duft nach Vanille ein und bemerkte, dass er von ihren langen Locken ausging. „Sehr stabil.“

Lydia Smythe seufzte. „Meine Güte, Eugenius, an Land scheinst du weniger Entschlussfreudig, als auf See.“

Das konnte der Schotte natürlich nicht auf sich sitzen lassen.

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