Читать книгу Einführung in die Systematische Theologie - Michael Seewald - Страница 31
6. Voraussetzungen, Gestalt und Folgen
ОглавлениеEinen letzten Bestandteil der zu Beginn dieses Kapitels vorgeschlagenen Definition vonTheologie gilt es noch zu klären: die Rede von den Voraussetzungen, der Gestalt und den Folgen religiöser Überzeugungen. Religiöse Überzeugungen können verschiedene Gestalten annehmen. Oft ist ihnen eine lehrhafte Gestalt, etwa in Form von Dogmen oder verbindlichen Glaubenssätzen, zu eigen. Sie können aber auch, zum Beispiel im Gottesdienst, eine Feiergestalt annehmen. Nicht minder vielschichtig ist die Rede von den Voraussetzungen religiöser Überzeugungen. Diese können zum Beispiel logischer, historischer oder auch psychischer Art sein. Gleiches gilt von den Folgen. Es gibt Annahmen, die sich einfach logisch aus bestimmten Voraussetzungen ergeben. Genauso könnte aber auch ein spezifisches Handeln die Folge religiöser Überzeugungen sein.
Einheit und Vielfalt einer Disziplin in vielen Disziplinen
Die Theologie hat das Phänomen religiöser Überzeugungen möglichst umfassend – ihren Voraussetzungen, ihrer Gestalt und ihren Folgen nach – zu untersuchen. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, ist sie selbst wiederum ein hoch differenziertes Fach, dessen Wissenschaftlichkeit in seiner Einheit hier thematisiert wurde, in seiner Vielfalt allerdings unterschiedlich zu begründen ist. Die Arbeit eines biblischen Exegeten ist insofern wissenschaftlich, als sie bestimmten philologischen Standards folgt und auf diese Weise zu auch für Nichttheologen plausiblen Ergebnissen kommt. Umgekehrt erweist sich aber ein Exeget nur dann als Theologe, wenn er seine Ergebnisse systematisch (und das heißt nicht unbedingt affirmativ und spekulativ, sondern auch problematisierend und positiv) in die Theologie als ganze zurückbezieht. Gleiches gilt für die Disziplinen der Systematischen Theologie, die sich auch, aber nicht immer nur dem Zusammenhängenden widmen können, sondern ebenfalls in ihrer Vielfalt Detailfragen nachgehen. Dabei hat sich innerhalb der Systematischen Theologie eine Arbeitsteilung eingebürgert, die so lange hilfreich ist, wie sie ihre Grenzziehung nicht verabsolutiert. Demnach setzt sich, die Bestandteile der Definition aufgreifend, die Dogmatik mit der lehrhaften Gestalt, die Fundamentaltheologie mit den vernünftigen Voraussetzungen und die Ethik mit den moralischen Folgen religiöser Überzeugungen auseinander.
Auf einen Blick
Theologie ist die wissenschaftliche Selbstreflexion einer Gemeinschaft auf die Voraussetzungen, die Gestalt und die Folgen ihrer religiösen Überzeugungen. Das ist nicht die einzig mögliche, aber doch eine schlüssige Definition von Theologie. Besonders voraussetzungsreich und damit erklärungsbedürftig in ihr sind die Begriffe „Wissenschaft“ und „Religion“.