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Wissenschaft und Wahrheit

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Alltagswissen und Wissenschaft

Daher ist es wichtig, zwischen wahren Aussagen und wissenschaftlichen Erkenntnissen zu unterscheiden. Jede wissenschaftliche Erkenntnis muss sich in Gestalt einer wahren Aussage formulieren lassen, aber nicht jede wahre Aussage ist auch gleich eine wissenschaftliche Erkenntnis. In einem realistischen Kontext ließe sich vereinfacht sagen: Eine Aussage ist wahr, wenn der in ihr behauptete Sachverhalt sich wirklich so verhält, wie in ihr ausgesagt. Anders formuliert: Eine Aussage ist wahr, wenn der in ihr propositional zum Ausdruck gebrachte Sachverhalt real so ist, wie die Proposition ihn beansprucht. Eine „Proposition ist etwas, das im Akt des Behauptens behauptet, in dem des Aussagens ausgesagt wird. Oder um es andersherum auszudrücken: eine Behauptung ist eine (sehr spezielle Art der) Anerkennung der Wahrheit einer Proposition“ (Searle 1983, 48). Der Inhalt einer Aussage kann wahr sein, auch wenn derjenige, der etwas behauptet, keine Gründe dafür anführt. „‚Es regnet‘ ist genau dann wahr, wenn ‚es regnet‘“ (Marconi 2014, 116). Auch wenn die Aussage, „es regnet“, von demjenigen, der sie behauptet, nur erraten wurde, ist sie wahr, wenn es eben regnet. Sie ist jedoch, bloß weil sie wahr ist, noch keine wissenschaftliche Erkenntnis. Dazu wird sie erst, wenn sich Gründe finden, die im Idealfall Gewissheit über die Wahrheit – oder die Falschheit, denn auch Falsifikationen können ein wissenschaftlicher Gewinn sein – einer Aussage bieten. Die Höchstform wissenschaftlichen Wissens ist also eine Erkenntnis, die mit der reflexiven Gewissheit versehen ist, dass sie wahr ist und von der man weiß, warum sie wahr ist.

Argument und Begründung

Diese Gewissheit wird, so die Terminologie von Mittelstraß, durch „systematische Begründungen“ und „strenge Überprüfungspostulate“ erreicht. „Systematisch“ bedeutet in diesem Zusammenhang so viel wie: zusammenhängend und nachvollziehbar. Eine Aussage zu begründen bedeutet vernünftig aufzuzeigen, warum die aufgestellte Behauptung korrekt ist. Dazu müssen Argumente angeführt werden.

Stichwort

Argument

„Ein Argument ist ein Grund (ratio), der einem in Frage stehenden Sachverhalt Glaubwürdigkeit verleiht.“ (Boethius, InTopica Ciceronis Commentariorum, 1156 D).

Ein Argument wird in aller Regel in Form einer Argumentation vorgetragen, worunter der „sprachliche Ausdruck des ganzen Argumentes im Diskurs, der in Prämisse(n) und Konklusion“ (Schulthess 2005, 337), in Voraussetzungen und Schlussfolgerung ausfaltbar ist, verstanden wird. Wenn also etwas als wahr behauptet wird, muss – wenn das Behauptete im wissenschaftlichen Diskurs bestehen soll – in Form einer Argumentation angegeben werden, warum das Behauptete auch tatsächlich wahr ist. Lebensweltliches Wissen unterscheidet sich also von wissenschaftlichem Wissen dadurch, dass die Wissenschaftlerin – zumindest bis zu einem bestimmten Grad – nicht nur weiß, dass eine Erkenntnis wahr ist, sondern auch, warum sie wahr ist. Eine Wissenschaftlerin wird also zur Wissenschaftlerin, indem sie den Dingen im wörtlichen Sinne auf den Grund geht. Mit Blick auf die Theologie heißt dies: Eine Theologin reflektiert auf die religiösen Überzeugungen der Gemeinschaft, der sie selbst angehört, indem sie diese Überzeugungen nicht einfach als selbstverständlich hinnimmt, sondern indem sie sie problematisiert und fragt, was genau eine Gemeinschaft warum glaubt, und wie stark die Gründe sind, die sie zugunsten dieses Glaubens aufbringt.

Einführung in die Systematische Theologie

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